In der Ruhe liegt die Kunst - Antje Töpfer
Antje Töpfer, geboren 1978 in Chemnitz, wohnt und arbeitet in Stuttgart, wo sie sich bereits während ihres Studiums ein dichtes Netzwerk von Kollegen aufgebaut hat. Sie ist mit ihrem Atelier in den Stuttgarter Wagenhallen beheimatet, wo viele Figuren, Ideen und Kontakte entstehen und sich in einem künstlerischen Umfeld entwickeln können. Wichtig dabei ist ihr der Austausch, „reizvoll ist das interdisziplinäre Arbeiten mit anderen Künstlern, die Begegnung mit anderen künstlerischen Sprachen, die verschiedenen Angänge an ein Thema, die neue Impulse mit sich bringen“. Sie sucht „die immer neuen Konstellationen in neuen Zusammenarbeiten“, was sich unschwer an Töpfers bisherigen Produktionen ablesen lässt.
Zunächst war Antje Töpfer unschlüssig, ob sie sich für das Figurenspiel-Studium oder für die Bildende Kunst entscheiden sollte. Dass beide Pole in ihr ruhen (oder besser aktiv sind), zeigen ihre Inszenierungen und ihre Ausstattungen, die oftmals an der Schnittstelle und in der Verbindung liegen. Für sie ist eine „Inszenierung Material, was geformt wird, was spannend ist.“ Denn „für jedes neues Theaterstück drängt es mich, nach einer neuen, dem Thema entsprechenden Form in Material und Bewegung zu suchen.“(double 3/2007) In der Regel arbeitet sie mit wenigen Materialien als formale Maßgabe, bezeichnet ihren Stil nach kurzer Überlegung als „naja, puristisch, minimalistisch.“
Freiheit ist das oberste Gebot für ihre künstlerische Arbeit, nicht zuletzt habe sie sich deshalb für den Studiengang in Stuttgart entschieden, in dem Offenheit und Entfaltung möglich waren - obwohl auch dort schon „die raue Realität Einzug hielt, in Form von Raum- und Sponsorensuche.“ Antje Töpfer hat die Strukturen in Staats- und Stadttheatern kennen gelernt, um zu wissen, dass sie sich nicht darin binden möchte. Der schöpferische Prozess sei Bewegung und brauche den Raum, in dem gesucht und ausprobiert werden kann. Stücke brauchen Zeit, müssen sich entwickeln, die Ruhe ist wichtig. Das Ideal? „Eine künstlerische Arbeitsgrundlage an einem Ort schaffen, an dem zusammen produziert werden kann ohne repräsentativen Zwang, so wie im Künstlerhof Bröllin.“ Auch nach der Premiere sei ein Stück nicht fertig, sondern entwickle sich stetig weiter.
Antje Töpfer, eine eigenwillige und ungemein sympathische Persönlichkeit, will sich nicht festlegen lassen, weder auf eine Sprache, noch auf einen Stil. Auch beim Puppen- und Figurenbau sei zwar eine eigene Handschrift erkennbar, es gäbe dabei aber nicht DIE typische Töpfer-Puppe.
Gibt es denn einen roten Faden? Durchaus, denn in erster Linie müssen sie ihre Projekte mit Leidenschaft interessieren. Mit Nachdruck betont sie, dass sie sich nicht in Produktionen begebe, die sie nicht erfüllen. Vielleicht liegt darin ihr Geheimnis: in der unbedingten Authentizität, in der spürbaren persönlichen Neugierde, in der intensiven Beschäftigung mit dem Thema, auch wenn (oder gerade weil?) ihre Erwachsenenstücke gerne als sperrig empfunden werden. Nichtsdestotrotz zeigen zahlreiche Gastspiele auf Festivals im In- und Ausland das große Interesse an Antje Töpfers Theaterarbeiten.
Aus ihren vielen bisherigen Produktionen und Projekten hebt Antje Töpfer drei Stücke als ihre zentralen Arbeiten heraus, die allesamt auf unterschiedliche Art und Weise mit Frauenfiguren, Weiblichkeit und der eigenen Standortbestimmung zu tun haben.
Bereits 2005, zwei Jahre nach ihrem Diplomabschluss, entwickelte sie zusammen mit Iris Meinhardt (Regie) das Solostück „...des Glückes Unterpfand. Isolation von Ulrike Meinhof“, in dem sie Spiel und Ausstattung übernahm. Eine Kritik dazu: „Es ist schlicht beeindruckend, mit welchem Einsatz und Können Antje Töpfer in diesem Korsett formalisierter Bewegungen einen menschlichen Innenraum behauptet und so eine breite emotionale Berührungsfläche für den Zuschauer bietet.“ (double 3/2005)
Ein Jahr später hatte das Solostück "Pandora Frequenz" Premiere, eine Inszenierung mit und um einen fragmentarischen Frauen-Puppenkörper des Bildenden Künstlers und Surrealisten Hans Bellmer (1902-1972), Regie: Florian Feisel. In dem szenischen Bilderbogen ging es Töpfer und Feisel darum, Bellmers Kombinatiosspiel von Körperteilen weiterzuführen und die künstlich gebauten Puppenteile mit dem menschlichen Körper in Verbindung zu bringen.
Die aktuellste Inszenierung „Titania tanzt für einen Esel“, eine Zusammenarbeit mit der Theaterwissenschaftlerin und Spielerin Anna Peschke, wurde im Januar 2012 am Stuttgarter FITZ zum ersten Mal gezeigt. Während der Zugang zur Pandora ein eher technischer war, steht bei der Titania die sinnliche Annäherungen im Vordergrund, es geht um Häutungsprozesse, um Fragen nach Weiblichkeit und Körperlichkeit, um einen wohl nie endenden Prozess der Emanzipation.
Beide Künstlerinnen arbeiten an der Schnittstelle zwischen Material und Performance, was eine gute Voraussetzung, aber noch keine Garantie für ein bühnenreifes Ergebnis ist. Wie bei jedem neuen Anfang liegen „Reiz und Risiko darin, gemeinsame Ideen zu finden, die Sprache des anderen zu verstehen und in einer gleichen Bildersprache zu denken.“
Das ist Antje Töpfers zentrale künstlerische Herausforderung, die ihre persönlichen Fragen, Themen und Ideen zu einer theatralen Umsetzung bringt. Man darf gespannt sein auf die nächsten ungewöhnlichen Theaterarbeiten dieser interessanten, tiefgründigen und dabei gänzlich unprätentiösen Künstlerin.
Kerstin Turley