Die aktuelle Kritik

Puppentheater Gera: "Geschichten gegen die Angst"

von Tatjana Böhme-Mehner

Liebenswertes Kindertheater - lösungsorientiert, aber ohne übertrieben didaktisches Konzept.

 

Lutz Großmann spielt Geschichten gegen die Angst

 

Angst bringt nicht viel

Wer kennt sie nicht - Gespenster wie Quasselstrippe und seine Kumpels, die auf der Dachrinne sitzen und warten bis ein Hasen-, Hamster- oder Igelkind das Haus verlässt auf dem Weg zur Schule, und die dann den größten Spaß daran haben, den Heranwachsenden durch Einflüstern düsterer Gedanken die ganze Zuversicht zu rauben. Sie setzen sich auf ihre Schulter und sagen Dinge wie „Keiner mag mich", "Alle lachen über mich“ oder „Ich bin nicht gut genug“. So ist das Versagen vorprogrammiert. Doch mit einer richtig kompetenten Lehrerin, und wenn man mal darüber spricht, kann man solche Geister überwinden, nämlich indem man Antwortsprüche bereithält, die verhindern, dass die unproduktive Geisterbotschaft zur Selbsterkenntnis wird.

Zauberhaft und witzig zugleich sind im Puppentheater Gera die Tierkinder, die mit Hilfe einer Quietschpudellehrerin die Ängste überwinden, die ihnen unsichtbare, aber gerade deshalb wirklich biestige Geister einflüstern. Puppenspieler Lutz Großmann erweckt sie alle zum Leben - die Guten, die Bösen und die Vernünftigen. Sie schlüpfen aus den Schubfächern einer grünen Kommode, in der die drei „Geschichten gegen die Angst“ verborgen sind. Das Puppentheaterensemble von Theater & Philharmonie Thüringen hat sie aus den „Geschichten für die Kinderseele“ von Linde von Keyserlingk entwickelt. Tristan Voigt führte Regie bei dieser Produktion, die eine Kooperation in der Städtepartnerschaft Nürnberg/Gera darstellt. Großmann ist nicht nur Spieler sondern auch Ausstatter der Mutmachgeschichten. Es sind Urängste (nicht nur)junger Menschen, von denen die drei ausgewählten Geschichten erzählen: Versagensangst, Verlustangst, die Angst vor der Dunkelheit... Keine lebensnotwendigen Ängste also, sondern solche, die man lernen kann zu überwinden.

Nadja, will nicht schlafen - ihr erklärt der Kuschelpinguin, den der Onkel mitbringt, warum die Schöpfung die Nacht braucht. Und die Trennungskinder Bärhirsch und Hirschbär haben Angst, auf der Strecke zu bleiben, wenn Mutter Bär und Vater Hirsch einfach auseinanderlaufen. Die Eltern haben Sorgen, was die Zukunft angeht.

Dem Stück ist kein übertrieben didaktisches Konzept übergestülpt - doch überall lauern liebenswerte Lösungen oder zumindest Lösungsvorschläge.

Unaufdringlich und präzise ist Großmanns Spiel, in dem die Geschichten quasi aus dem Interieure eines exemplarischen Kinderzimmers entwickelt werden. Frisch und detailverliebt sind die Weltsichten, die hier vorgestellt werden. Großmann fesselt nicht nur seine jungen Zuschauer ab fünf Jahren, denn Angst kennt jeder. Dass sich gerade die jüngsten Premierenbesucher besonders amüsieren, wenn der Spieler außerordentlich pointiert die Dialoge zwischen dem schlafverweigernden Kind und dessen Eltern präsentiert, spricht Bände.

Puppentheater mit Figuren zum Liebhaben, nachvollziehbar für die Kleinen und hilfreich für die Großen, die helfen müssen, Ängste zu überwinden obwohl sie selbst alles Andere als angstfrei sind - all das mit einer geschlossenen und aus sich heraus begreifbaren Ästhetik, nicht mehr und nicht weniger als das ist diese Produktion.

 

Premiere: 24. März 2015

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