Die aktuelle Kritik

Zimmertheater Tübingen: "Das platte Kaninchen"

von Andrea Bachmann

Christian Glötzner nimmt es mit der atmosphärischen Dichte des Kinder-Bilderbuchs auf.

 

Poetische Bestattung

Es ist längst kein Tabu mehr, selbst kleine Kinder mit dem Thema Tod zu konfrontieren. Die künstlerischen Umsetzungen reichen dabei von Kitsch über Katastrophe bis Klamotte. Darsteller, Ausstatter und Figurenbauer Christian Glötzner macht es unter der Regie von Frank Soehnle komisch, poetisch und ein bisschen pathetisch. Ihr Stück „Das platte Kaninchen“ ist großes Theater für kleine Menschen ab vier Jahren.

Vorlage, aber vor allem Inspirationsquelle für diese Inszenierung einer ungewöhnlichen Bestattung ist ein Kinderbuch von Bárður Oskarsson von den Färøer-Inseln. In überschaubaren, aber eindrücklichen Bildern erzählt es die Geschichte von Hund und der Ratte, die auf der Straße ein Kaninchen finden, das überfahren wurde. Die beiden überlegen sich eine ebenso einleuchtende wie poetische Bestattungszeremonie, bei der das Kaninchen tatsächlich in den Himmel kommt.

Die atmosphärische Dichte des Bilderbuchs nimmt Christian Glötzner in seinem Solo auf und übersetzt sie in dramatisches Handeln. Zu Stummfilmmusik aus den 1920er-Jahren baut er vor den Augen der Zuschauer eine Pappkartonstadt auf. Das Bühnenbild entsteht vor dem Auge des Betrachters. „Alles sah aus wie an einem Sonntag“ erklärt der Figurenspieler – und für einen Sonntag ist auf der kleinen Bühne ganz schön viel los: Overheadprojektor und weiße Leinwand schaffen raffinierte Schattentheaterprojektionen und Hund und Ratte als Stabmarionetten treffen sich schließlich auf einer kleinen Drehbühne beim Banjospiel.

Beim Anblick des platten Kaninchens überlegen sie, woher sie es kennen: Wohnte es nicht im Haus Nummer 23? „Ich habe mal an seine Gartenpforte gepinkelt“, erinnert sich der Hund. Lacher bei den Eltern. „Mir ist es wichtig, mit meinen Kinderstücken auch Erwachsene zu erreichen.“, erklärt Christian Glötzner. „Manchmal verwende ich sogar Ausdrücke, die nur die Eltern verstehen.“ Hier funktioniert der Witz sogar auf beiden Ebenen. Auch die differenzierte Musikauswahl, die Elemente aus Stummfilm, Blues und Elektro kombiniert, macht nicht nur den Kindern Spaß. Trotzdem bleibt Glötzner ganz nah dran an Kinderwelten. Ein Bühnenbild aus dem Bastelladen und der Recyclingtonne, wenige und einfache Dialoge, viel Zeit zum Nachdenken und Verstehen.

Das platte Kaninchen sorgt für gespannte Stille. Mit rührender Vorsicht wird es von der Straße transportiert und auf einem gelben Drachen befestigt. Dass Hund und Ratte mit dem Drachen 42 mal hin und her rennen müssen, bis er endlich in die Luft steigt, entspricht  ebenfalls kindlichen Erfahrungswelten. Außerdem ist es ungeheuer komisch. Schließlich kommt das Kaninchen wortwörtlich in den Himmel. Beiläufig, verspielt und vollkommen logisch ist das. Bei der Premiere im Tübinger Zimmertheater gab es dafür begeisterten Applaus.

 

Premiere: 19. Februar 2017

Autor: Bardur Oskarsson
Regie: Frank Soehnle
Darsteller, Ausstattung, Figurenbau und Foto: Christian Glötzner

 

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