Die aktuelle Kritik

Schleswig-Holsteinisches Landestheater (Schleswig): "Häschen tröstet"

Von Falk Schreiber

Manchmal braucht es keine guten Ratschläge, manchmal braucht es einfach nur Präsenz: Das Kinderstück „Häschen tröstet“ ist nicht innovativ, dafür aber sympathisch und nah am jungen Publikum.

28. März 2024

Charlie hat einen Turm gebaut. Aus Bauklötzen. Und irgendwann wird der Turm zu hoch, irgendwann stürzen die Klötze in sich zusammen. Passiert. Verwirrt ist der kleine Junge trotzdem. Cori Doerrfeld beschreibt in ihrem Kinderbuch „Häschen tröstet“ Strategien, mit dieser Verwirrung einen Umgang zu finden: Nach und nach kommen die Kuscheltiere vorbei, wollen Charlie aufheitern und vor allem rausbekommen, was überhaupt los ist. Ist er wütend? Traurig? Aufgeregt? In jedem Fall gibt es großen Aktionismus, nichts hilft. Bis das Häschen sich stumm an ihn kuschelt.

Diese eigentlich schnell erzählte Moral – manchmal braucht es keine guten Ratschläge, manchmal braucht es einfach nur Präsenz – wird von der winzigen Puppenspielsparte des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters zum gut halbstündigen Kinderstück gemacht, für ein Publikum ab drei Jahren. Die einzige fest im Ensemble beschäftigte Puppenspielerin Sonja Langmack also lässt eine Charlie-Handpuppe Klötzchen aufeinanderschichten, während aus den Boxen Klaus Lage swingt – „Du hast’n Freund in mir“, nicht unbedingt das, was heutige Kinder so mögen, aber als Musik aus dem Trickfilm „Toy Story“ inhaltlich passend. Und als sich die Charlie-Puppe schlafen legt, tanzt Langmack vor die Szene, nicht als Mensch, nicht als Puppenspielerin, sondern angetan in einem reizenden mehrteiligen Kostüm als menschlicher Brummkreisel, der in Zeitlupe durch den Raum rotiert und den Turm dabei umnietet.

"Häschen tröstet": Sonja Langmack © Thore Nilsson

Dieses Bild ist die Grundidee von „Häschen tröstet“: Die Inszenierung macht dem jungen Publikum nichts vor. Und sie verwendet ausschließlich Mittel, die aus der eigenen Erfahrungswelt der Zuschauer*innen stammen. Bühnenbildnerin Gabriele Thormann (die im übrigen grundsympathisch im Hasenkostüm hinter ihrem Mischpult steht, was das Publikum zu „Der Osterhase!“-Rufen verleitet) baut Charlies Kinderzimmer mit Material nach, das Dreijährige aus dem eigenen Kinderzimmer kennen: Hocker, Bauklötze, Kuscheldecke.

Das Stück also holt das Publikum mustergültig dort ab, wo es sich befindet. Dass Langmack so das Puppentheater ästhetisch nicht neu erfindet, ist dabei zweitrangig: Die Kinder im Saal der Schleswiger Trauminsel sind begeistert und kichern bei jedem neuen Tier, das sich an Charlie ranwanzt. Also: Das Huhn ist der Meinung, man müsse nur über seine Emotionen reden, dann würde alles wieder gut (und redet dann vor allem von sich selbst). Der Kragenbär denkt, Charlie sei wütend und verlangt, dass er seine Wut rauslassen solle. Der Elefant diagnostiziert einen Schock und versucht, dem mittels Schocktherapie beizukommen. Und so weiter. Langmack führt die Tiere zwar als Handpuppen, die dabei aber nicht wie Elemente des Puppentheaters wirken, sondern als ob die Spielerin sie gerade aus der Krabbelkiste im Kinderzimmer geholt hätte. Genau genommen ist „Häschen tröstet“ kein Puppentheater, obwohl mit Puppen agiert wird, sondern Objekttheater, bei dem die Puppen Objektcharakter annehmen.

"Häschen tröstet": Sonja Langmack © Thore Nilsson

Wobei diese Charakterisierung natürlich spitzfindig ist, aber es ist interessant, den Gedanken weiter zu verfolgen. Das letzte aus der Kiste geholte Objekt ist dann eben das Häschen, ein struppiges Stoffteil, das eindeutig schon bessere Tage gesehen hat. Aber wenn man das Häschen in erster Linie als Objekt sieht, dann erzählt seine Struppigkeit auch etwas darüber, was für ein Objekt das eigentlich ist: ein Kuscheltier nämlich, das seiner Bestimmung entsprechend behandelt wurde, es wurde augenscheinlich schon ziemlich viel gekuschelt. Und ein Stofftier, das so unübersehbar geliebt wurde, ist natürlich auch in der Lage, wirkungsvoll Trost zu spenden. „Häschen tröstet“ ist hier tatsächlich sehr genau gearbeitet.

Die Produktion findet Landestheater-typisch überall in Schleswig-Holstein statt, nach der Premiere in Schleswig sind Aufführungen an den Stammhäusern in Flensburg, Rendsburg und Heide terminiert, es gibt aber auch Pop-up-Performances unter anderem in Kieler Büchereien, in Kitas und in Kindergärten und in der Touristinformation Westerdeichstrich. Aufwendiges Puppentheater lässt sich unter solchen Bedingungen nicht realisieren, ein sparsames, einfaches Kinderstück hingegen schon. Und wenn dieses Stück dann so phantasievoll, sympathisch und nahe am Publikum inszeniert ist wie „Häschen tröstet“, dann will man dem Abend auf keinen Fall seine mangelnde Innovation vorwerfen.


Schleswig-Holsteinisches Landestheater (Schleswig): „Häschen tröstet

Puppenspiel von Sonja Langmack, nach dem Kinderbuch „Häschen tröstet“ von Cori Doerrfeld

Mit: Sonja Langmack | Bühnenbau: Gabriele Thormann | Assistenz: Lykka Marie Krause

Premiere: 24. März 2024
für alle ab 3 Jahren
Dauer: ca. 40 Minuten ohne Pause

Hier geht's zum Stück und weiteren Spielterminen auf der Website des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters.

 

0 Kommentare

Neuer Kommentar