Die aktuelle Kritik

Thalias Kompagnons Nürnberg: „Aus dem Lehm gegriffen“

Von Anke Meyer

Die Inszenierung matscht lustvoll in Lehmwelten und ist ein Kunstabenteuer für alle ab vier.

 

Foto Theater

 

Weltenmatsch

In schmuddeligen Arbeitsklamotten, ein bisschen verstrubbelt und irgendwas vor sich hin knetend: so empfängt Joachim Torbahn in einem unspektakulären Nebenraum des Nürnberger KunstKulturQuartiers seine kleinen und großen Zuschauer. Das heißt, er knetet natürlich nicht „irgendwas“, der Titel hat's ja schon verraten. Es ist Lehm, eine kleine Lehmkugel – oder nein, es WAR eine kleine Lehmkugel. Denn kaum hat er sie auf seiner Handfläche präsentiert, ist aus dem Runden schon das Eckige, geworden, das – schwupps – hoch wächst, und gleich darauf schallt es „Platt!!“ aus dem Kinderpublikum. „Zauber“, sagt der Künstler schlicht, behauptet dann, aus dieser feinen Tonerde könne man alles zaubern, und schickt sich an, das zu beweisen.

Was Torbahn nun mit einer etwa backblechgroßen, ockerfarbenen Lehmplatte anstellt, weist zunächst in Richtung höherer Schöpfungs-Blödsinn. Er kratzt Spuren, bohrt Löcher, pult winzige Teilchen heraus, rollt Stämmchen und Kügelchen, die er lakonisch zu Linden und Eichen erklärt, lässt einen winzigen Schwan auf dem soeben in den Spuren entdeckten Fluss schwimmen, er schabt und schmiert und knetet wild … Und zack, schon stürzt sich ein Drachenmonster auf die niedliche Idylle und frisst alles in sich hinein, bis es selbst von seinem in Rage geratenen Schöpfer dahingerafft wird. Und was holt dieser aus dem Bauch des Monsters? Winzige Lehmklümpchen, die zur Begeisterung der Kinder (auch der erwachsenen) als ein Sammelsurium von Märchenfiguren vorgestellt werden, dann jedoch unversehens in die 7 Zwerge von Schneewittchen mutieren. Und auch recht schnell wieder verschwinden in einem Auf und Ab von Erfindungen, Erregungen, Mutproben und Sehnsuchtsarchitekturen – so wie die Garten-Prinzessin, die in einem Knet- und Klopf-Showdown als Apfelstrudel endet. Womit wir in gewisser Weise tatsächlich beim Backblech gelandet sind und doch wieder nicht.

Denn am Ende erweist sich das schnelle, oft martialisch-komische Entstehen und Vergehen der kleinen Lehmwelten als unprätentiöses Gleichnis: Nichts bleibt wie es ist. Und wir müssen nichts hinnehmen, wie es ist. Da kann sogar ein bisher plattes Volk seinen gierig sich ausbreitenden Herrscher über- und einrollen – dass es dabei selbst seine Form ändert, gehört dazu. Und zum Schluss grinst uns ein großer Lehmklumpen an. Er weiß es und wir wissen es: in ihm steckt alles – solange er nicht aushärtet.

Das lustvolle Spiel mit dem formbaren Material, mit dessen Deutungen und Umdeutungen, das der Bildende Künstler und Theatermacher Joachim Torbahn und der Regisseur Tristan Vogt hier erfunden haben, fügt den Mal-Abenteuern (u.a. „Was macht das Rot am Donnerstag?“) von Thalias Kompagnons eine plastische Variante in bestechend schlichter Ausführung hinzu. Ein Glücksgriff der Veranstalter, des Europäisch-Bayerischen Festivals „Panoptikum“ in Nürnberg, war wohl auch der für „Theatertheater“ eher unperfekte Rahmen: er bot genau den Werkstattcharakter, den diese kleine, für nur 30 Zuschauer konzipierte Arbeit braucht.

 

 

„Aus dem Lehm gegriffen. Ein Kunstabenteuer für alle ab 4“

von Thalias Kompagnons, Nürnberg

geknetet von Joachim Torbahn
Regie: Tristan Vogt
Mitarbeit: Ruta Platais

Premiere: 6. Februar 2014 - 19 Uhr im Künstlerhaus Nürnberg

 

www.thalias-kompagnons.de

zum Eintrag des Theaters auf dieser Seite


 

In Zusammenarbeit mit double - Magazin für Figuren-, Puppen- und Objekttheater

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