Die aktuelle Kritik

Theater Junge Generation: "The Season"

von Tobias Prüwer

Zäher Abend zur Neueröffnung, dessen Regie dramaturgischen Drive vermissen lässt.

 

Schwarze Pädagogik im Plüschgewand

Ready for take-off: Wo eben noch leerer Hohlraum war, entsteht in Sekundenschnelle eine Bühne. Arbeiter in schwarz und mit weißen Helmen wuseln herum, rücken das Licht zurecht, schieben Kulissen. Ein Lotse winkt mit roten Signalkellen die letzten Elemente herein. Dann spielt das Instrumentalensemble auf, beginnt die erste Große-Saal-Inszenierung im neuen Domizil des Theaters Junge Generation Dresden (TJG).

Mit einem Premierenmarathon eröffneten TJG und Staatsoperette das neue Gebäude, das sie gemeinsam bezogen haben. Auf dem zentral gelegenen Ex-Industrieareal Kraftwerk Mitte haben sie sich im ehemaligen Maschinenhaus plus angeschlossenen Neubau eingerichtet. Klinker und Stahl der Gründerzeit treffen auf Glas und Beton der Gegenwart. Architektonisch ist das schon ein Schmankerl, auch wenn mancher Winkel zu verbaut wirkt und ein paar Details – etwa direkt neben Artefakten wie Stahlträgern und Schaltkästen verbaute billige weiße Steckdosen – stören.

Drei Bühnen stehen dem TJG hier zur Verfügung. Ganz andere Möglichkeiten ergeben sich gerade für das Puppentheater, das den sehr eingeschränkten Saal im Rundkino endlich verlassen konnte. Da ist es bedauerlich, dass ausgerechnet die große Eröffnung der Puppe „The Season“ abschmierte. Denn nachdem Fluglotsen, Handwerker, Kulissenschieber – klar: alle von den Spielern gegeben – im Sauseschritt den Bühnenraum zum Spätherbstwald umgestaltet haben, fällt alle Zielsicherheit von der Inszenierung ab. Man wird im Vorspiel erwartungsvoll hineingezogen, um dann im eigentlichen Stück zu versacken. Das liegt an Stoff (Text: Joe Cobden und Josh Dolgin), Musik (Socalled, Deutsch: Käptn Peng) und der Umsetzung (Regie: Moritz Sostmann).

„The Season“ konfrontiert Bär, Hase und Biber mit dem Fremden: Die außerirdische Tina schneit in ihre Wintervorbereitungen, verzaubert Bär und bringt Hase zum xenophoben Ausbruch. Denn Tina kam nicht allein, dann aber ist sie – der Hase liegt tot danieder – schon wieder weg. Sie muss ihr Lied weiter im Universum verbreiten, der Bär winkt. Auf die Handlung kann man sich keinen rechten Reim machen. Das Programmheft behauptet einen Überlebenskampf. Aber hier treten drei Kumpel auf, die mit – oft originellen – Wortwitzen nicht geizen und gern mal anzüglich sind. Irgendwie sollten offnsichtlich viele Jugendtheaterthemen (Wir sterben alle, erkenne dich selbst, gemeinsam sind wir stark, mach was aus dir ...) in diesem Musical zusammenfließen. Das jedenfalls erklärt den klebrigen Brei aus Jugend-Ankumpelei und Sinnsuche-light-Kitsch.

Der zähe Eindruck wird von einer Regie unterstrichen, die dramaturgischen Drive vermissen lässt. Man kann der Inszenierung ein paar schöne Szenen abgewinnen, etwa wenn die von einer Schauspielerin verkörperte Tina die Hand-Stab-Puppen mit eigener Hand durcheinanderbringt. Oder inklusive Hebefigur mit dem Bär tanzt. Oder wenn der lustige Jäger, eigentlich ein verbiesterter Zeitgenossen, als fabelhaft gut geführte Gliederfigur eine Wandlung zum Tütü-Tänzer durchmacht. Warum das geschieht, wird wiederum nicht erklärt, seine tänzerischen Einlagen sind immerhin sehenswert. Da flammt kurz schickes Puppenspiel auf. Zwischendurch lebt die Plüschpuppendarstellung wesentlich von der Sprache. Allerdings wird akustisch nicht immer verständlich, von was die Rede ist. Das bewirkt die unangemessene Abmischung von Sprache und Musik. Ohnehin werden ständig unvermittelt Lieder angestimmt, deren musikalische Qualität sich zudem als eher „einfach“ beschreiben lässt.

Nach dem Premierenapplaus werden dann die wichtigsten musikalisch vorgetragenen Botschaften noch einmal wiederholt. Damit auch der letzte versteht, dass er sterblich ist, an sich selbst glauben und wieder aufstehen soll. Das ist schwarze Pädagogik im plüschigen Gegenwartsgewand, die einen falsch verstandenen Existenzialismus mit dem neoliberalen Imperativ ans unternehmerische Selbst mischt.

 

Premiere: 17. Dezember 2016, Deutsche Erstaufführung

Text von Joe Cobden und Josh Dolgin, Musik von Socalled (Deutsch von Käptn Peng)
Regie: Moritz Sostmann
Bühne: Klemens Kühn
Kostüme: Klemens Kühn
Puppen: Hagen Tilp
Musik: Socalled
Musikalische Leitung: Bernd Sikora
Musiker: Bernd Sikora, Friedemann Herfurth, Michael Kaden, Katharina Lattke, Nora Koch
Dramaturgie: Ulrike Leßmann
Theaterpädagogik: Karen Becker
Es spielen: Patrick Borck, Manuel de la Peza, Christoph Levermann, Anna Menzel, Viviane Podlich, Ulrike Schuster, Uwe Steinbach, Anna Tkatsch

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