Pangalaktisches Theater, Union Filmtheater Bochum: "Wurst Case Szenario"
23. Dezember 2024
„Wurst Case Szenario“ ist bereits der dritte Teil aus dem Kosmos „der Galaxie von Uila und drumherum“. Während „Das Zeitrad“ präpandemisch als Theaterstück entstand, musste „Die Eigentumshöhle“, die ebenfalls als Theaterstück geplant war, pandemiebedingt kurzerhand als Spielfilm realisiert werden. Die verwendeten Puppen und Masken entstammen dabei dem ersten Teil und sind überwiegend grob und kantig gestaltet. Auch die Settings des zweiten Teils bestehen größtenteils aus Pappmaché sowie statischen Hintergrundbildern. „Wurst Case Szenario“ hingegen wartet mit polierten computergenerierten Grafiken und Animationen auf (VFX: Patrick Praschma).
Die Protagonist*innen Meijnen und Mtoktok Johannson, Heinrich Deiwel, Angelika, Hans Olo und Lieber Gott stecken seit Ende des Vorgängerfilms in einer Zeitkapsel fest. Es gibt nur Dosenobst. Durch einen Unfall werden sie in das durchdigitalisierte Hier und Jetzt, eine Trillobillion Jahrome später, geholt. Sie machen sich auf die Suche nach frischem Obst und finden sich in einer Dystopie wieder. Es gibt nur noch Wurst. Die drei augenförmigen Antagonisten – der Rat der Zeit – wollen Panik schüren und haben eine Desinformationskampagne gestartet, in der sie behaupten, Obst sei gefährlich, weil es Vitamine enthalte. Das einzig Wahre sei Wurst. Die Wesen auf Uggel glauben alles, nichts wird hinterfragt. Um zur höchsten Entwicklungsstufe zu gelangen, können sie sich gar selbst in Würste „flunschen“ lassen. Die Weltraum-Crew ist geschockt und zieht aus, die Welt zu retten.
"Wurst Case Szenario": Herr und Frau Wurst © PGT
Die Ankündigung des Films verspricht eine „Hommage an die Sprache und den Humor des Ruhrgebiets“. Der Zungenschlag ist ruhrgebietstypisch. Flache Wortwitze werden platziert. Und mit viel Gelächter reagiert das Premierenpublikum in Bochum tatsächlich besonders auf die Scherze, die einem derben Humor entspringen, der teils ins Skatologische driftet. Das mag auch daran liegen, dass das Publikum – teilweise mit Fanshirts und Fandevotionalien ausgestattet – beim Empfang auf den Treppenstufen des Kinos bereits die Möglichkeit hatte, sich an Wurstwasser (Seccodosen) oder Fiege-Pils zu berauschen.
Natürlich dürfen auch in dieser Produktion popkulturelle Zitate nicht fehlen. Und so tauchen naheliegende Anleihen wie „Bonbon aus Wurst“ (Helge Schneider) oder „Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei“ (Stephan Remmler/Redewendung) auf oder eine Polizistenpuppe mit Wurstfingern, die an „Everything Everywhere All at Once“ erinnern. Aber auch weniger offensichtliche Referenzen, wie die Gestaltung der Kommandozentrale des Rats der Zeit als Auge, das im Innern wie der Thronraum des Imperators aus „Star Wars“ wirkt, die Zahl 42 („Per Anhalter durch die Galaxis“), die nicht (mehr) Hans (Christian) Olos Glückszahl ist, Darkwing Ducks „Zwo, Eins, Risiko“ und natürlich – Stichwort Lokalkolorit – „Anzeige ist raus“ (Toto & Harry, Bochumer TV-Polizisten) finden ihren Platz. Als ein Schild mit der Aufschrift „Vertrauen ist gut, Wurst ist besser“ ins Bild kommt, brandet Szenenapplaus auf. Kurzum: Alles wird verwurstet.
Die Verspieltheit des Pangalaktischen Theaters zeigt sich bereits daran, dass sie es sich nicht haben nehmen lassen, ihrem „Hauptfilm“ drei kurze, selbstentwickelte, humorvolle, Werbeclips voranzustellen.
"Wurst Case Szenario": Hans und Meijnen in Teddys Wurstfachgeschäft © PGT
Die nunmehr zweite Filmproduktion der Gruppe ist technisch gereift. Wenn auch nicht komplett unsichtbar, sind doch erheblich weniger Greenscreen-Artefakte zu sehen. Die Masken und Puppen, die noch der Theaterproduktion entstammen, bleiben kantig, grob und teils klobig. Und auch neue Handrequisiten folgen dieser Ästhetik. So ist eine besondere multifunktionale digitale Uhr („in die man zur Not reinscheißen kann“ – Gelächter) eine alte Kompaktkamera, die mit silbergrauem Duct Tape um den Arm geklebt wurde. Die Szenen in der Zeitkapsel, die in realen Räumlichkeiten (Maschinenhaus Essen) gedreht wurden, funktionieren tadellos mit dieser rohen Ästhetik. Derweil muss man konzentriert bleiben, um zu akzeptieren, dass die CGI-Welt ebenso Teil der Wirklichkeit dieser Figuren ist und nicht eine weitere virtuelle Realität, wie Meijnen sie ganz zu Beginn durch ihre Feel-Good-VR-Brille erlebt. So bleiben die Charaktere visuell fremd in dieser CGI-Welt. Dies lässt sich andererseits durchaus als bildlicher Ausdruck der angekündigten Kritik an der Digitalisierung lesen.
Entstanden ist ein unterhaltsamer und handwerklich gut gemachter Film ohne Längen. Mit hervorragendem Sound-Design in Stereo und toller Musik (Serge Corteyn), sauber geschnitten und synchronisiert. Die Wurstlogik in sich ist stimmig, aber vielleicht liegt am Ende doch eine Scheibe Kalauer zu viel auf der polierten Servierplatte, die uns die gesellschaftlichen Problematiken von Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz und Desinformation hatte widerspiegeln wollen. So richtig will sich ein Gefühl von Betroffenheit nicht einstellen. Durch die Konstruktion der Geschichte und die ästhetischen Unterschiede scheinen die Protagonist*innen auf eigenartige Weise nur zu Besuch in dieser auch ihnen fremden Welt, welche sie wie ein Deus ex machina erretten. Treffenderweise entsteigen sie anfangs mit Lieber Gott (sic!) der Zeitkapsel. Das Cinemascopeformat der Leinwand des Kinos vermag der Film nicht ganz zu füllen, wohl aber weiß er, sein Zielpublikum zu begeistern. Und diesem sind die kleinen Abstriche vielleicht eh Wurscht ...
Pangalaktisches Theater: "Wurst Case Szenario"
Idee und Buch Pangalaktisches Theater | Schau- und Puppenspiel Moritz Bütow, Nadia Ihjeij, Mad Igel, Angelo Enghausen, Patrick Praschma, Pia Alena Wagner, Christ Wawrzyniak | Special Guest Yannick Farnbacher | Spielleitung und VFX Patrick Praschma | Ausstattung Britta Wagner | Kamera Young-Soo Chang | Musik Serge Corteyn
Premiere: 14. Dezember 2024, Union Filmtheater Bochum
Länge: 75 Min.
Infos auf der pangalaktischen Website