Die aktuelle Kritik

Intelligente Objekte?

Die Ars Electronica war Spielwiese für dumme und schlaue, elegante und plumpe digital bewegte Objekte

Armprothesen, die durch Beine gesteuert werden, Tanzperformances im virtuellen Raum, in denen man sich auch selbst sieht, sich autonom bewegende Objekte und sogar ganz reale Trauerroboter - das Medienkunst- und Technologiefestival Ars Electronica bot auch in diesem Jahr einige Anregungen für erweitertes Objekttheater.

 

Im Zentrum des fünftägigen Festivals (6. - 10.9.) stand die Nobilitierung von Fehlern und Abweichungen als neue Triebkräfte auch für das Feld der künstlichen Intelligenz. Das schloss einerseits die Kritik an der Abgehobenheit der Tech-Branche und den immanenten Gefahren durch AI-Systeme ein. Die wurden vor allem durch die jüngsten Unfälle selbstfahrender Autos, die zu Todesfällen führten, deutlich. Prominente Kritiker und Kritikerinnen wie Meredith Broussard, kürzlich erschien ihr Buch "Artificial Unintelligence", wurden daher eingeladen. Zum anderen wurde an Scheitern als kreativen Prozess erinnert - freilich ohne die "Besser Scheitern"-Pioniere aus dem Kunst- und Theaterszene wie Samuel Beckett oder Christoph Schlingensief zu erwähnen. Beckett hatte schon in den 1980ern in seinem Prosastück "Worstward Ho" formuliert: "Immer versucht. Immer gescheitert. Macht nichts. Versuche es wieder. Scheitere wieder. Scheitere besser." Schlingensief startete in den 1990ern sein Projekt "Scheitern als Chance", inklusive einer Parteigründung. Erst danach setzte die Ratgeberepidemie des Besser Scheiterns ein. Nun also hat diese Welle auch die Matadoren der künstlichen Intelligenz eingeholt.

 

In den eingeladenen Arbeiten und Projekten waren bis auf wenige Ausnahmen Fehler und Scheitern aber nicht substantiell eingebettet. Jede einzelne Projektgruppe fühlte sich meist mehr dem eigenen Erfolg verpflichtet und wollte das Material beherrschen.

 

Das war bei der eleganten VR-Anwendung "The Other in You" des japanischen Medien- und Installationskünstlers Richi Owaki ganz besonders der Fall. Owaki transportierte mittels Motion Capture Bewegungen eines Tänzers in den virtuellen Raum. Als digitaler Schatten war auch ein Abbild des Betrachters in diesem Raum; dessen Bewegungen wurden von der Silhouette ebenfalls ausgeführt. Owaki fand damit eine interessante Methode, in den gewöhnlich vom physischen Raum abgekoppelten virtuellen Raum doch etwas von leiblichen Qualitäten einzubringen (Link zum Projekt).

 

Ganz im herkömmlichen physischen Raum operierte das ebenfalls aus Japan stammende Embodied Media Project. In "MetaLimbs" entwickelte es Armprothesen, die an den Oberkörper geschnallt werden können und über Bewegungen der Beine und Füße gesteuert werden. Sensoren zeichnen die Bewegungen der Beine auf; mit diesen Daten werden dann die Prothesen "animiert". Trainierte Tänzer erzielten im Probemodus sogar ästhetisch inteessante Ergebnisse, während sich bei geübten Schreibtischsitzern mangelnde Kondition und Koordination als limitierende Faktoren erwiesen. Insgesamt aber ein interessanter Ansatz zur Multiplikation und Spiegelung von Bewegungen. (Link zum Projekt)

 

In eher spirituelle Zonen wagten sich das "Digital Shaman Project" - ebenfalls aus Japan, einem Vorreiterland der Robotik und der von der Robotik inspirierten Kunst - und die Schweizer Gruppe Cod.Act vor. Der "digitale Schamane" ist ein herkömmlicher Roboter mit den Umrissen eines Menschen. Auf seinem Kopf wird der Abdruck des Gesichts eines  kürzlich verstorbenen Menschen befestigt. Auch Sprache und Bewegungen des Verstorbenen werden simuliert. 49 Tage lang - die klassische japanische Trauerzeit - agiert die Maschine als ein vom Geist des teuren Toten besessener Apparat, und lindert nach Ansicht der Künstlerin Etsuko Ichihara den Schmerz. Nach Ablauf der Trauerzeit schaltet sich das Gerät ab. (Link zum Projekt)

 

Eine mystische Wirkung hatte gar die Performance "πTon". Eine riesige Schlange, geformt aus Gummiringen und zu einem Kreis geschlossen, wand sich auf dem Boden. Ein Quadrat formend standen vier Männer mit Lautsprechern um das Gebilde. Geheimnisvolle Laute drangen aus den Lautsprechern. Unklar blieb, ob dies die Stimme des beweglichen Objekts war oder es sich um Kommandos handelte, die eine andere Instanz an sie richtete. In all seiner Rätselhaftigkeit, in den langsamen Bewegungen der Lautsprecherträger und den unvorhersehbaren Bewegungen des Objekts - oder gar des Subjekts - im Zentrum gerann die Performance der Schweizer Gruppe Cod.Act zu einem regelrechten Ritual. Im Inneren der Schlange sorgten fünf Motoren, die auf zufällige Bewegungen programmiert waren, für ein immer neues Sich Winden, Sich Aufbäumen, Zusammenfallen und Neu Formieren des künstlichen Geschöpfs. Als künstliche Intelligenz mochte sie wohl niemand bezeichnen. Die Eigenwilligkeit der Bewegungen, definiert allein durch die Freiheitsgrade der Motoren, beindruckte aber doch. (Infos zum Projekt hier)

 

Ins Scheitern der Maschinen konnte man sich dann auch noch einfühlen auf der Ars Electronica, in diesem Falle in die durchaus komplexe Informationsverarbeitung selbstfahrender Autos. In der ehemaligen Pakethalle der Österreichischen Post, dem Stammsitz der Ars Electronica, konnte man sich in ein rudimentäres Gefährt legen und via VR-Brille die Datenflüsse der digitalen Karten und der Positionierungssensoren beobachten. (Infos zum Projekt) Da kam dann doch wieder entwas Repekt gegenüber der Künstlichen Intelligenz auf. Unfehlbar ist sie nicht, verarbeitungsschnell aber doch.

Tom Mustroph

 

Foto: tom mesic, Digital Shaman Project / Etsuko Ichihara (JP)

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