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Drastische Kürzungen für Freie Szene NRW geplant - Updates

12. Mai 2025

Nach massivem Protest hat das Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW die angekündigten Kürzungen in der Spitzen- und Exzellenzförderung etwas abgemildert - die betroffenen Ensembles reagieren.

Update vom 21. Mai

Die von den Kürzungen direkt betroffenen Ensembles der aktuellen Spitzen- und Exzellenzförderung Theater und Kinder- und Jugendtheater reagieren auf die Veränderung der Pläne, die Kulturministerin Ina Brandes am 15, Mai verkündet hat, mit einem an sie gerichteten offenen Brief.

Darin beschreiben sie u.a. die konkreten Folgen, welche die immer noch geplanten Kürzungen bedeuten würden:

"Zahlreiche Ensembles könnten ihre über Jahre aufgebauten Arbeitsstrukturen nicht weiterführen. Formate, die außerhalb bestehender Spielstätten zur Aufführung kommen, werden nicht mehr realisiert werden können. Proben- und Aufführungsräume, die auch für andere Gruppen zur Verfügung stehen, würden wegfallen. Die entstehende Lücke können die koproduzierenden Häuser in NRW nicht füllen. Darüber hinaus käme auf die Städte, Kulturämter und Bezirksregierungen ein erheblicher bürokratischer Mehraufwand zu, da die Halbierung der Mehrjahresförderung zu einem sprunghaften Anstieg an Einzelanträgen führen würde, den die Verwaltungen kaum bewältigen könnten. Es gilt außerdem zu bedenken, dass die Mehrjahresförderungen in NRW die Beantragung zusätzlicher überregionaler und internationaler Förderungen (in der aktuellen Förderperiode) in Millionenhöhe überhaupt erst möglich machen und die Kürzungen somit massive Folgeschäden nach sich ziehen würden."

Die 17 Ensembles schließen ihren Brief deshalb mit der Forderung,

"die geplanten Kürzungen im Bereich der Spitzen- und Exzellenzförderung vollständig zurückzunehmen, die Konzeptionsförderung als Basis vollumfänglich auszuschreiben und somit die Förderarchitektur im Ganzen zu erhalten - und gemeinsam mit der Freien Szene tragfähige Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln."

Offener Brief: Bezüglich der geplanten Kürzungen im Bereich Spitzen- und Exzellenzförderung Theater und Kinder- und Jugendtheater (PDF)


Update vom 16. Mai

Das NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste (LFDK) teilt mit, dass Kulturministerin Ina Brandes in einer von SPD und FDP beantragten „aktuellen Viertelstunde“ im Ausschuss für Kultur- und Medien im nordrhein-westfälischen Landtag am 15. Mai 2025 eine partielle Veränderung der Pläne angekündigt hat:

"In der Spitzenförderung Kinder- und Jugendtheater sollen demnach in Zukunft vier Gruppen 60.000 Euro erhalten, statt wie zunächst angekündigt 30.000 Euro. Außerdem wird nun doch ein offenes Juryverfahren in Aussicht gestellt statt einer automatischen Dauerförderung für einzelne Ensembles. Daran, dass 120.000 Euro aus der Ursprungssumme an institutionell geförderte Theaterhäuser umgeleitet werden sollen, ändert sich nichts. Von den ursprünglichen 480.000 Euro blieben also 360.000 Euro bestehen – jedoch fließen nur 240.000 Euro davon in die Förderung der freien Gruppen. Somit entsteht hier nun auch eine Halbierung, genauso wie sie für die Exzellenz- und Spitzenförderung Theater für erwachsenes Publikum angekündigt wurde. [...]

Einer der Hauptforderungen der Akteur*innen und auch des NRW LFDK, in der für die Künstler*innen existenzbedrohlichen Lage zumindest eine Übergangsfinanzierung zu schaffen, wurde nachgekommen. Die neue Förderperiode solle nach einer Übergangsphase bis Ende Oktober nun am 01.11.2025 beginnen."

Weiter betont das LFDK, es sei wichtig,

"jetzt nicht aus dem Auge zu verlieren, dass die Spitzenförderung nur ein Baustein der Gesamtförderarchitektur ist. Und dieser wurde nur deshalb singulär verhandelt, weil der Zeitdruck hier am unmittelbarsten war. Solange es aber keine verbindlichen Aussagen zur Zukunft des gesamten Systems gibt, kann von stabilem Strukturerhalt noch lange nicht gesprochen werden."

Die gesamte Meldung des NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste ist auf der Website nachzulesen.


Ursprüngliche Meldung vom 12. Mai

Alfredo Zinola + Micaela Kühn Jara, Angie Hiesl + Roland Kaiser, echtzeit-theater, fringe ensemble, half past selber schuld, Hofmann&Lindholm, kainkollektiv, KGI, Marlin de Haan, performing:group, pulk fiktion, Rotterdam Presenta, subbotnik, Tanzfuchs PRODUKTION, Theaterkollektiv Pièrre.Vers, TOBOSO und vorschlag:hammer schreiben in ihrer gemeinsamen Pressemitteilung:

"Nach monatelanger Verzögerung hat das Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW eine Entscheidung über die mehrjährigen Förderprogramme für die Freien Darstellenden Künste getroffen. Sie bedeutet für die Freie Szene einen drastischen Strukturabbau, der erhebliche Risiken für zahlreiche Theatergruppen in sich birgt.

Die Spitzen- und Exzellenzförderung Theater soll um knapp die Hälfte gekürzt und – abweichend von der bisherigen Praxis – nicht im November 2024, sondern erst im Verlauf des Jahres 2025 neu ausgeschrieben werden. Die laufenden Förderungen enden bereits im Juni 2025 – ein gefährlicher Bruch in einer über 13 Jahre gewachsenen Förderarchitektur, der eine Vielzahl profilierter Künstler*innen und Netzwerke in existenzielle Bedrängnis bringt. Die für die exzellenzgeförderten Gruppen in Aussicht gestellte Übernahme in eine Institutionelle Förderung ist kein Thema mehr.

Die Spitzenförderung Kinder- und Jugendtheater wird komplett eingestellt. Die bisherige Fördersumme wird um 50 Prozent gekürzt. Die halbierte Summe wird nochmal paritätisch geteilt: Vier anstelle der derzeit sechs geförderten Gruppen sollen eine Dauerförderung des Landes erhalten und die andere Hälfte soll in institutionalisierte Häuser für Kinder und Jugendtheater gehen. Jedoch ohne erneute öffentliche Ausschreibung und Fachjury-Entscheidung und mit einhergehenden Kürzungen der Fördersumme im Vergleich zur Spitzenförderung in Höhe von insgesamt 75 Prozent. Über die Zukunft der mehrjährigen Konzeptions- und Tanzförderungen macht das Ministerium derzeit keine Angaben.

Die Mehrjahres-Förderungen sichern aktuell die Arbeit von 64 professionellen Theater- und Tanzgruppen in NRW. Drei Gruppen erhalten Exzellenzförderung Theater, acht Gruppen Spitzenförderung Theater, sechs Gruppen Spitzenförderung Kinder- und Jugendtheater, vier Gruppen Exzellenzförderung Tanz, acht Gruppen Spitzenförderung Tanz, 35 Gruppen Konzeptionsförderung. Diese Förderungen ermöglichen stabile Arbeitsbedingungen, künstlerische Qualität und kontinuierliche Entwicklung – und gelten seit über einem Jahrzehnt bundesweit als Modell nachhaltiger Kulturförderung, sozialer Absicherung und struktureller Stärkung der Freien Szene.

Das Ministerium ist Fragen nach Entscheidungsgrundlagen, Kriterien oder Folgenabschätzungen schuldig geblieben. Eine erkennbare kulturpolitische Strategie bleibt aus. Vielmehr scheint die politische Praxis im Widerspruch zu öffentlichen Bekenntnissen gegenüber der Freien Szene zu stehen. Ob im Vorfeld der Entscheidungsfindung Fach-Expertisen einbezogen oder strukturelle Auswirkungen analysiert wurden, bleibt ebenso offen wie die grundsätzliche Haltung des Ministeriums zur Zukunft der Freien Szene. Wie die Mittel aus dem sogar leicht gewachsenen Haushaltstitel für die Freien Darstellenden Künste für 2025 konkret verwendet werden, wurde seitens des Ministeriums nicht beantwortet. Gerade in einer gesellschaftlich angespannten Zeit ist es unerlässlich, dass die Landesregierung kulturelle Vielfalt schützt, nicht gefährdet, und diesbezüglich handelt, anstatt sich zurückzuziehen.

Die Forderungen der Freien Theaterszene an das Ministerium für KULTUR und Wissenschaft des Landes NRW lauten

  1. Unverzügliche und vollständige Fortsetzung der Spitzen- und Exzellenzförderung Theater und Kinder- und Jugendtheater im bisherigen Umfang
  2. Zeitnahe Entscheidungen über Ausschreibungstermine und vollständige Weiterführung der Spitzenförderung Theater, Kinder- und Jugendtheater, Spitzen- und Exzellenzförderung Tanz und der Konzeptionsförderung.
  3. Einrichtung eines Überbrückungszuschusses für alle Gruppen in den bisherigen Spitzen-, Exzellenzförderungen, die von der verzögerten Ausschreibung betroffen sind.
  4. Transparente Kommunikation der Entscheidungsprozesse: Förderkriterien, Mittelverwendung, Zeithorizonte und strukturelle Folgen müssen nachvollziehbar gemacht werden – insbesondere angesichts des 2025 aufgestockten Haushaltstitels Freies Theater. Die Transparenz des Haushalts ist ein Bürger*innenrecht!
  5. Verlässliche, nachhaltige Kulturpolitik: Aufbau eines kontinuierlichen, transparenten Dialogs zwischen Politik und Freier Szene.
  6. Die rechtliche Verankerung mehrjähriger Kulturförderung im Kulturgesetzbuch NRW."

Neben weiteren Bündnissen (wie Bündnis internationaler Produktionshäuser, Landesbüro Tanz, kommunale Netzwerke der freien Kultur, Kulturrat NRW u.v.m.) fordert auch das NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste (LFDK) Aufklärung. In seinem Statement ist von einer "katastrophalen Nachricht für die Freie Szene in NRW" die Rede:

"Zum einen wird die extreme Kürzung diversen renommierten Theatergruppen, die sich teils seit weit über zehn Jahren in Landesförderung befinden, die Existenzgrundlage nehmen - und das mit einer Kurzfristigkeit, die so gut wie keine Zeit mehr lässt, einen Plan B zu entwickeln. Die Kürzung wird aber vor allem auch dazu führen, dass sowohl dem Publikum in NRW weniger qualitätsvolle Kunst zur Verfügung stehen wird als auch die Strahlkraft NRWs über seine Grenzen hinaus sinken wird."

Das LFDK schließt sich deshalb den Forderungen der freien Gruppen an:

"Wir fordern das MKW NRW und die Landesregierung auf, diese für die Freie Szene fatalen Entscheidungen finanziell und inhaltlich zurückzunehmen und gemeinsam mit den Fachverbänden und Akteur*innen nach Lösungen zu suchen, wie trotz der angespannten Haushaltslage weiterhin der Blick auf die mittelfristige Gesamtentwicklung einer Szene gelingen kann – ohne dass durch kurzfristige Einzelentscheidungen ein gewachsenes System irreparabel beschädigt wird. Eine Übergangsfinanzierung für die akut betroffenen Gruppen würde hierfür zumindest etwas Zeit und Raum schaffen."

Das gesamte Statement des NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste ist auf der Website nachzulesen.