Theater

Das T-Werk in Potsdam: Vom Bildertheater zum Objekttheater

Von Tom Mustroph

Das T-Werk in Potsdam ist unter den profilierteren Häusern für Puppen-, Figuren- und Objekttheater das vielleicht am wenigsten bekannte. Das liegt nicht unbedingt daran, dass die einstigen Pferdeställe für preußisches Militär zu DDR-Zeiten Teil einer verbotenen Stadt waren. „Der Hof, durch den man hineinkommt, gehörte damals zum KGB-Gelände. Und als Potsdamer wusste man nicht mal, dass es das gab“, erzählt Jens-Uwe Sprengel.

Der sowjetische Geheimdienst ist schon lange raus. Das Areal wurde in den 1990er- und 2000er-Jahren von der Stadt Potsdam aufwendig umgebaut. Zahlreiche Kultureinrichtungen wie etwa die Tanzfabrik, das Waschhaus und eben das T-Werk fanden Aufnahme in den imposanten Klinkerbauten am Ufer der Havel.

„Seit 2004 sind wir jetzt hier. Wir haben eine Bühne mit 10 x 12 Metern und eine Probebühne mit 10 x 8 Metern. Gern hätten wir auch eine zweite Probebühne. Aber damals in der Entstehungsphase gab es eine Coaching-Firma, die die Potenziale analysiert hat. Bei uns haben sie gar kein Potenzial gesehen, deswegen haben wir so wenig Räume“, sagt Franka Schwuchow etwas trotzig. Gemeinsam mit Sprengel und Thomas Pösl rief sie in den 1990er-Jahren das T-Werk ins Leben. Und zu dritt kuratieren sie noch immer das Festival Unidram, dessen 28. Ausgabe jetzt vom 11. bis 15 Oktober veranstaltet wird. Der Name verweist noch auf die Ursprünge als studentisches Theaterfestival. Schon damals, 1993, ging es vor allem um visuell mächtiges Theater. Und weil Bilderpracht eben auch oft mit Objekten, die bespielt, verrückt, belebt und aufgeladen werden, verbunden ist, waren die Übergänge zum Objekt-, Puppen- und Figurentheater einfach logisch. „Für uns ist ganz klar, wenn wir Bewegungstheater einladen, dann muss das für uns ein visuell sehr intensives Erlebnis sein. Und dann kommt ein Objekt oder generell Material auf die Bühne, mit dem gearbeitet wird. Da landet man schnell beim Objekttheater“, erzählt Sprengel Fidena.

Foto: © T-Werk

Prägend war das Künstlerkollektiv Akhe aus St. Petersburg, das seit den 1990er-Jahren Stammgast bei Unidram ist und mit seinen genreüberschreitenden Performances zwischen Malerei, Experimentalfilm, Zirkuselementen, Tanz und Poesie schwer beeindruckt. „Die haben inzwischen ja auch auf vielen Puppen- und Figurentheaterfestivals gespielt“, sagt Schwuchow trocken. Die Grenzen sind fließend. Und das ist auch das Markenzeichen von T-Werk und Unidram. Starke visuelle Setzungen sind gefragt. Mit welchen Mitteln die erzeugt werden, ist jedoch eher nachrangig. „Wir bekommen von vielen Künstlern auch gesagt, wie wichtig Unidram für sie ist. Denn in Deutschland gibt es wenige solcher Plattformen, zu denen Gruppen, die zwischen den Genres agieren, eingeladen werden“, sagt Schwuchow.

Etwa 70 % ihres Programms ordnen Schwuchow und Sprengel einem erweiterten Objekttheaterspektrum zu. Dazu gehört mit Sicherheit das belgische Tof Theatre, das beim aktuellen Unidram-Festival eine Puppe zum Leben erweckt, der Kopf und Gliedmaßen fehlen und die im Laufe von „Madness in the workshop“ versucht, sich zu komplettieren. Im weiteren Sinne gehört „Lod“ von Steve Salembier dazu. „Er ist eigentlich Architekt. Er hat viele Modelle von Räumen und Häusern gebaut und benutzt sie jetzt als Menschen leere Stadtlandschaften“, erzählt Schwuchow. Und bei „Dimanche“, einer Produktion der belgischen Compagnies Focus und Chaliwaté über die Ignoranz einer Kleinfamilie gegenüber dem Klimawandel, tauchen nicht nur Eisbärengestalten auf. Es verbiegen sich auch Tische und Stühle, ganz so, als würden sie direkt vom festen Aggregatzustand in den halbflüssigen übergehen. Weitere Programmpunkte bei Unidram 2022 sind Tanztheaterproduktionen, Installationen und Konzerte.

Titelmotiv Unidram: Cie Claudio Stellato "Work" © Göran Gnaudschun

Seit vielen Jahren kooperiert das T-Werk mit Puppen- und Figurenspieler*innen wie Florian Feisel, florschütz & döhnert, der Numen Company und Pierre Schäfer. Auch Wilde & Vogel waren in Potsdam schon zu Gast, bevor sie in Leipzig die ehemalige Ofenrohrfabrik entdeckten, die inzwischen als Westflügel bekannt ist. Das T-Werk ist also ein schon traditioneller Standort für Puppen-, Figuren- und Objekttheater.

Weil im dicht gefüllten internationalen Programm von Unidram immer weniger Platz für jüngere Künstler*innen und forschende Ansätze war, kreierten Schwuchow und Sprengel das neue Format Radar – Festival für Junges Figurentheater. „Es war anfangs als Werkschau des Westflügel geplant. Das Jahr darauf arbeiteten wir mit der Schaubude zusammen. Und wir merkten dabei, dass es ein solches Format auch braucht“, meint Schwuchow. Als faszinierende Produktion aus der aktuellen Radar-Ausgabe vom April dieses Jahres ist ihr die tatsächlich mit Staubsaugern gespielte skurrile Performance „Aus dem Inneren eines Staubsaugerbeutels“ von äöü in Erinnerung.

Zum Theater kamen die T-Werk-Macher*innen übrigens auf eher verschlungenen Wegen. Sie studierten in Potsdam Pädagogik, Schwuchow und Pösl Deutsch und Geschichte, Sprengel Mathematik. Ausgerechnet über das Kulturprogramm, das jede Seminargruppe im ersten Studienjahr entwickeln musste, entdeckten sie ihre Liebe zur Darstellenden Kunst. Sprengel fiel – noch zu DDR-Zeiten – sogar mit einem dadaistischen Abend nach Ernst Jandl im Wehrlager auf, das die Studierenden damals auch absolvieren mussten. DaDa im Wehrlager, das war Teil der Paradoxien dieses Systems. Die angehenden Lehrer*innen gründeten schließlich eigene Theatergruppen. Nach dem Mauerfall richteten sie die ehemalige Kegelbahn der DEFA zur ersten Spielstätte her. 2004 erfolgte der Umzug ins Areal Schiffbauergasse. 2006 bezogen sie die jetzigen Räume. 13 Mitarbeiter*innen arbeiten mittlerweile fest für die Institution, „rechnet man es zusammen, sind es aber nur acht Vollzeitstellen“, sagt Sprengel, der promovierte Mathematiker, der auch für den Zahlenkram im T-Werk zuständig ist. Finanziert wird das T-Werk hauptsächlich durch die Stadt Potsdam. Von Land Brandenburg kommt etwa eine Viertelmillion Euro. Hinzu kommen Projektgelder sowie Einnahmen durch Eintrittsgelder und Vermietungen. In die nähere Zukunft schauen Schwuchow und Sprengel mit Freude – bezogen auf das Festival – und mit Sorge – bezogen auf die Krisen. „Früher haben wir Arbeitsräume gern zur Verfügung gestellt. Jetzt ertappen wir uns schon bei dem Gedanken: ‚Braucht diese Gruppe wirklich den ganzen Tag diese 20 1kW-Strahler? Welche Zusatzkosten macht das aus?‘“, erzählt Sprengel. Mit diesen Nöten ist das T-Werk gegenwärtig nicht allein.

https://www.t-werk.de/festival/unidram-2022