Sarah Wissner, Jonas Arndt, Landungsbrücken Frankfurt: "The Pineapple Commitment"
13. Dezember 2024
Kind, ja oder nein? Diese Frage treibt jede Frau zumindest einmal im Leben um. Das war nicht immer so, früher gehörte es einfach dazu, Mutter zu werden, heute aber, wo alles eine Frage der richtigen Planung scheint, stehen Frauen alle Optionen offen. Kein Zufall, dass sich immer mehr Künstlerinnen mit der Frage einer etwaigen Mutterschaft auseinandersetzen. In der Gegenwartsliteratur gibt es einen richtigen Boom an Titeln, zu nennen wären etwa Jackie Thomae mit ihrem Roman „Glück“ oder Ulrike Draesner und ihr neues Buch „zu lieben“. Auch das Theater hat das Thema längst entdeckt, Kathrin Röggla hat sich in „Kinderkriegen“ damit auseinandergesetzt, Felicia Zeller in „Wunsch und Wunder“.
Die Theatermacherin Sarah Wissner macht sich jetzt gemeinsam mit ihrem Kollegen Jonas Arndt über die Kinderfrage her. Auf ihrer Bühne in den Frankfurter Landungsbrücken befindet sich zu Beginn ein Tisch mit einem herrschaftlichen Miniatur-Haus darauf, dahinter sitzt Sarah Wissner. Links nimmt Jonas Arndt auf einem Hocker Platz. Gemeinsam beleben sie das Haus mit ihren Stimmen und Geräuschen. Lichter gehen an und aus, eine Frau erwacht, wir erleben ihren ganz normalen Alltag, der davon bestimmt ist, sich um andere zu kümmern. Stichwort Carearbeit. Wissner und Arndt performen das mit viel Witz und Spiellaune. Worte wie Deutsche Mark oder Tupperparty verraten, dass das nicht die Welt von heute ist.
"The Pineapple Commitment": Sarah Wissner © Christopher Gosch
Szenenwechsel. Es geht weiter mit einem Märchen, das die Kinderfrage wälzt. Später kommt Wissner mit strengem Pferdeschwanz herein und befestigt Milchpumpen an ihren Brüsten. Sie schaut dabei wie oft an diesem Abend mit pikierter Ernsthaftigkeit und Buster-Keaton-Nonchalance an sich herab, während das Gerät Geräusche von sich gibt, die nach Kuhstall klingen. Zum Schluss treten die beiden Milchfläschchen wie Bauchrednerpuppen in einen Dialog.
Szenenwechsel. Immer abwechselnd, manchmal auch gemeinsam entern Arndt und Wissner die Bühne, umkreisen spielend ihr Thema, mal albern, mal nachdenklich. Dabei berühren sie alles, was in dem Zusammenhang wichtig ist. Arndt als queerer Mann treiben naturgemäß andere Fragen der reproduktiven Gerechtigkeit um, während Wissner sich stellvertretend für alle künstlerisch arbeitenden Frauen die Frage stellt, wie sie verdammt nochmal Kind und Kunst miteinander verbinden soll. Doch nicht nur die thematische Dichte und Breite nimmt für den kleinen Abend ein, sondern auch die Originalität und Verspieltheit der Ideen. Mit vielerlei Objekten rückt das Duo sein Thema in den Fokus, einmal gibt es eine herrliche Wickel-Choreografie rund um ein Babytragetuch, ein anderes Mal berichtet Arndt von einem Kinderwagenkauf und packt lauter kleine Autos als Stellvertreter aus. Dabei funktioniert der Abend wie eine Nummernrevue, die das Thema von allen Seiten in die Zange nimmt. „The Pineapple Commitment“ ist er überschrieben.
"The Pineapple Commitment": Sarah Wissner © Christopher Gosch
Der Star des Abends ist ein Schwellpuppenkopf mit ratzeblauen Augen und einem niedlichen Büschel Haar auf dem kahlen Riesenkopf. Sarah Wissner steckt darunter und bewegt sich so tapsig und linkisch über die Bühne, dass man ihrem Riesenbaby einfach hinterherstaunen muss. Schaut es dann direkt ins Publikum, kann sich niemand erwehren, erneut über die Kinderfrage nachzudenken, ganz egal, ob sie schon beantwortet ist oder nicht. Dabei kommen ganz unterschiedliche Baby-Puppen (kleine, große, kahle, weiße, schwarze) zum Einsatz und die Ananas des Titels taugt als Kindersatz, der nach allen Regeln der Kunst gewickelt werden kann. Auf die Dauer von fast 90 Minuten gerät der Abend ein bisschen schematisch, die Übergänge zwischen den einzelnen Szenen auch mal zähflüssig. Nicht nur aufgrund des Untertitels „Ein Gedankenkarussell zur Kinderfrage“ hätte man sich da manchmal mehr Schwung gewünscht.
Dem Abend gelingt trotzdem eine launige Abhandlung über den Kinderwunsch und darüber hinaus auch eine übers Mutterbild im Wandel der Zeit. Von der propperen Hausfrau mit Doris-Day-Lächeln im Gesicht bis hin zu Männern in Pumps, die ein Recht auf Elternschaft einklagen. Um die Getriebenheit der Frauen in dieser Frage zu unterstreichen, absolviert Wissner einen ihrer Monologe auf einem Hüpfball, immer in Bewegung, atemlos, gehetzt von der eigenen Lebensplanung. Jetzt, wo sie einen festen Partner hat, weiß sie nicht mehr, ob sie noch will, was sie wollte, als sie Single war. „Die Angst etwas zu verpassen“ prallt hier auf die Furcht die eigene Mutterschaft zu bereuen, Stichwort „Regretting Motherhood“. Luxusprobleme? Ja, was denn sonst?!
Sarah Wissner und Jonas Arndt: „The Pineapple Commitment“
Von und mit Jonas Arndt, Sarah Wissner | Outside Eye Lara Epp
Premiere: 5. Dezember 2024, Landungsbrücken Frankfurt
Dauer: ca 90 Min.
Weitere Spieltermine auf der Website von Sarah Wissner