Vorgestellt

"Vorgestellt!" - 6 Fragen an Jan Jedenak

Der freischaffende Künstler über "das Anormale", künstlerische und persönliche Herausforderungen

Du hast in letzter Zeit umgestellt und bist – statt bisher unter „Dekoltas Handwerk“ – nunmehr unter deinem Klarnamen unterwegs. Was war der Grund für diese Entscheidung?

Tatsächlich kam die Anregung einmal von Annette Dabs, die mich fragte, warum ich denn nicht unter meinem eigenen Namen produziere. Zur damaligen Zeit hat es für mich Sinn gemacht, unter einer Art Label zu arbeiten, weil ich das Gefühl hatte, nochmal eine Trennungs- oder Schutzfunktion haben zu müssen, sodass meine Arbeit nicht in direktem oder ausschließlichem Zusammenhang mit meiner Person steht. Zumal ich Theater immer auch als Gruppenprozess bzw. Schwarmintelligenz verstehe (auch bei Solos), in dem jede Person wesentlich und wichtig für den Schaffensprozess ist. Einzelne Namen hervorzuheben, empfinde ich dann oft als sehr unsympathisch, weil bestimmte Vorgänge und Strukturen ausgeblendet werden.

Dekoltas Handwerk habe ich während meines Studiums in Wien 2008 (Theaterwissenschaft) „gegründet“ und bin seit dem durch viele Veränderungen und Prozesse mit meiner Arbeit gegangen. Jetzt bin ich an einem Punkt, an dem ich Platz für Neues schaffen möchte und auch ein größeres Selbstverständnis besitze, um mich mit meinem eigenen Namen hinter meine Arbeit zu stellen.

 

Du beschäftigst dich in deinen Arbeiten viel mit dem Traumhaften, Unheimlichen, Anormalen. Woher kommt deine Faszination für diese Themen?

Was ist schon „anormal“ ? Das ist eine Kategorie, die von Menschen gemacht ist, das hat in mir schon immer großes Unbehagen ausgelöst. Aber genau dagegen wehre ich mich teilweise auch in meiner Arbeit. Die Faszination für das „Andere“ oder „Düstere“ begleitet mich schon immer und ich sehe darin eine große Möglichkeit. Denn vor diesen Dingen werden oft die Augen verschlossen, wird verdrängt, wird weggeschaut - weil es Unbehagen auslöst. Ich glaube aber, dass das Gefühl von Unbehagen eine ganz wichtige Erfahrung ist, die nicht gemieden, sondern geteilt, mit der sich ausgesetzt und worüber gesprochen werden sollte. Genau genommen begreife ich diese Dinge als Katalysator für meine Arbeit, die meine alltäglichen Handlungen im Umgang mit Menschen beeinflussen. Und ich möchte diese Erfahrung mit anderen Menschen teilen, weil ich glaube, dass es gut ist, diese Erfahrungen zu verhandeln und zu benennen. Diese Themen stehen oft in Zusammenhang mit unseren Ängsten und statt sie zu vermeiden, versuche ich den Finger genau darauf zu legen, um sie greifbarerer zu machen und ihnen damit vielleicht auch die Größe, Schwere und Kraft zu nehmen. Zumindest in meiner persönlichen Auseinandersetzung damit.

 

Wie schlägst du dich durch die Pandemie, persönlich und beruflich?

Ich begreife meine persönliche Situation zur Zeit noch als sehr privilegiert, das kann sich natürlich mit Anhalten der Pandemie noch ändern. Aber zur Zeit habe ich durch die Produktion meines neuen Stückes und weiteren interessanten Projekten, die wahrscheinlich trotz der Pandemie in diesem Jahr realisiert werden können, noch das Gefühl, dass ich meine Tätigkeit, wenn auch unter veränderten Bedingungen und mit Einschränkungen, noch weiterverfolgen kann.

Was wirklich fehlt ist das Spielen vor Zuschauer*innen, aber meine persönlichen künstlerischen Prozesse, die Auseinandersetzung und den Ausdruck durch das Theater, der ist mir ja erstmal nicht genommen. Das kann mir ja nichts und niemand nehmen, es sei denn, ich sehe darin selbst keinen Sinn mehr. In vielen Bereichen meiner Arbeit bemerke ich durch diese Zäsur oder Pause aber auch eine stärkere Reflexion meiner Arbeit: Was ist mir denn wirklich wichtig, was möchte ich in Zukunft machen und beibehalten, was vertiefen und was einfach weglassen.

 

Hast du ein aktuelles Projekt, und wenn ja, was macht es für dich aus?

Ja, die Online Premiere von „Mandragora“ steht am 23. April über das FITZ an. In dieser Arbeit erweitere ich die ästhetischen Mittel und Erzählweisen des Figurentheaters um Körper- und Bewegungstechniken des physical theatre. Was für mich als Spieler bedeutet, Neues zu erlernen und mich gleichzeitig auf vielen Ebenen einer großen Herausforderung zu stellen. Der Inszenierung liegt eine Auseinandersetzung mit Diskriminierung, Gewalterfahrung und Othering von Homosexuellen zugrunde.

Und so stelle ich mich inhaltlich einer Herausforderung, die mich auch auf einer persönlichen Ebene bewegt.

 

Frage vom Theater Salz und Pfeffer Nürnberg: Wo und wie tankst du deine Energie auf?

Wenn ich das Gefühl habe, Muse und Zeit für die Dinge zu haben, die ich jetzt genau in diesem Moment machen möchte, ohne an irgendwas anderes Denken oder berücksichtigen zu müssen.

 

Wie lautet deine Frage an das Figurentheaterkolleg Bochum, das wir als nächstes vorstellen werden?

Wie würdet ihr eure Positionierung als freie Ausbildungsstätte für dieses eigenwillige Genre formulieren und vor welchen inhaltlichen und strukturellen Herausforderungen steht ihr vielleicht in den nächsten Jahren? Was sind eure Ziele und Wünsche ?

 

Vielen Dank an Jan Jedenak für diese interessanten Einblicke. Hier gehts zum Szeneeintrag.