Große und Kleine Gedanken zu The Storyville Mosquito
Der Star ein Mosquito. Warum eigentlich ein Mosquito? Wenn man an die großen Helden der Geschichten denkt, die uns bewegen, ist das wohl nicht das Erste, was einem einfallen würde. Mosquitos gelten als eklig, lästig und unbeliebt. Warum nicht ein niedliches Tier als Hauptcharakter, eines was man streicheln kann und das einen guten Ruf besitzt? Vielleicht möchte man sich hier für die kleinen Dinge stark machen, für die Übersehenen und Ignorierten. Der Mosquito ist in seiner Welt menschengroß und ragt über die anderen Tiere hinaus. Die sonst ignorierten oder verhassten Insekten dürfen die Hauptcharaktere und Stars in ihrer eigenen Geschichte sein, sie dürfen Persönlichkeiten, Beziehungen und eigene Probleme haben. The Storyville Mosquito setzt den Fokus anders, stellt klassische Vorstellungen von Groß und Klein in Frage und kehrt diese clever um.
Das Publikum aber hat, anders als der Mosquito, Einsicht in das Bühnengeschehen und sieht die kleine Stabfigur sich in den Miniatursets bewegen. Gesteuert von den großen Menschen wirkt er auf das Publikum klein und fragil. Man schaut sich sein Leben aus einer Außenperspektive an und auch wenn er auf dem Bildschirm und in seiner Welt groß ist, so ist er auf der Bühne doch klein.
Auch sinngemäß geht es in The Storyville Mosquito um Größe. Der kleine Mosquito strebt seinem großen Idol Arti Chaux nach und möchte es unbedingt auf der Bühne sehen. Zunächst steht dieses noch klar über ihm. Arti Chaux selbst ein großer Star, der Mosquito nur ein kleiner Fan, der ihm nacheifert und auch davon träumt Musik zu machen. Diese spielt er allerdings nur für sich selbst und sein Repertoire besteht ausschließlich aus den Werken seines Stars. Vielleicht ist der kleine Mosquito nicht mutig genug, um seine eigene Musik zu machen. Später geht der Mosquito aber doch zum Casting, endlich traut er sich seinem Idol nachzueifern für eine Chance auf dieselbe Größe. Er beginnt langsam über sich selbst hinauszuwachsen, beginnt seinen wahren Wert zu sehen und sich selbst nicht mehr kleiner zu machen als er ist, da erlebt er auf dem Casting einen großen Rückschlag. Plötzlich fühlt sich der Mosquito wieder ganz klein, er will seine Musik komplett aufgeben, nur die Motivation durch seine Insekten-Freundin kann ihn wieder aus seiner Betrübnis ziehen. Zum Schluss tritt er in ihrem kleinen Lokal auf und erlebt dort seinen ganz großen Moment. Seine eigene Melodie spielend, berührt er die Herzen der anderen Stadtbewohner*innen. Seine Melodie dringt in jedes Haus und an jeden Ort der Stadt und wird letztendlich sogar im Museum neben der Partitur von seinem großen Idol ausgestellt. Das Idol, was er selbst als so unerreichbar gesehen hat, das Idol, zu dem der Mosquito aufgeblickt hat, zu dem ist er jetzt selbst geworden. Er ist zur selben Größe aufgestiegen, und dazu musste er nicht einmal auf der großen Bühne stehen und sich von einem riesigen Publikum bejubeln lassen, die wenigen, die er wirklich berührt hat, die haben am Ende gezählt.
Beim Verlassen des Theaters und bei der Fahrt nach Hause mit dem Bus fühlt man sich ganz klein in einer großen Welt. Das Gefühl sich selbst in kleinen Miniatursets zu bewegen, gesteuert von unbekannten Entitäten, welche man selbst nicht wahrnehmen kann, lässt einen nicht los. Schaut jemand zu? Bin ich der Hauptcharakter meiner eigenen Geschichte? Kurz bevor man Gefahr läuft von der Schwere des Gedankens, wie klein man in der großen Welt doch wirklich ist, erdrückt zu werden, realisiert man aber auch wie wichtig die eigene kleine Geschichte ist. Vielleicht bin ich klein, vielleicht bin ich nur ein winziger Punkt in einem riesigen pointillistischem Bild des Universums, doch genau diese Tatsache gibt mir die Freiheit alles schaffen zu können. Genau wie der kleine Mosquito kann ich meinen Traum verfolgen, mich verwirklichen und mit meinem kleinen Punkt das größere Bild vervollständigen. Meine Geschichte zählt und meine kleinen Probleme und Hürden sind wichtig, wichtig für mich, denn in meiner Welt bin ich ganz groß. The Storyville Mosquito setzt den Fokus auf die kleinen Leute, auf die kleinen Geschichten und lässt die Zuschauer*innen realisieren, dass auch ihre eigenen kleinen Geschichten ganz groß sind.
Foto: AJ Korkidakis