Die aktuelle Kritik

Lieko Schulze, Figurentheater Osnabrück: "Was mit Nudeln"

Von Melanie Kirmes

Ein ganzes Leben in Nudelgerichten. Lieko Schulze und Wiebke Alphei zeigen biografisches Materialtheater mit kleinen Teigwaren und die verbindende Kraft, die in ihnen steckt.

4. Dezember 2024

Die Bühne ist minimalistisch eingerichtet. Drei Lampen, zwei Bänke, ein gelber Koffer. Von diesem Koffer geht alles aus, sogar ihre Geburt, erzählt Schauspielerin Lieko Schulze. Ihre Mutter sei damals mit einem Koffer voller Nudelpackungen nach Deutschland gekommen. Warum denn ausgerechnet Nudeln? Als schnelles, gutes Essen, das sie sich zubereiten kann, um sich voll und ganz auf das Studium zu konzentrieren. Ohne die Nudel wäre sie vielleicht nicht in Deutschland geblieben und hätte nie den Vater ihrer Kinder kennengelernt.

Lieko Schulze hat der Nudel also viel zu verdanken. Und so hangelt sie sich durch verschiedenste Lebenssituationen, Gefühle und Fantasien rund um die Teigware: Sei es die kindlich anmutenden Fantasien, dass Nudeln an Bäumen wachsen und erst im Winter erntereif sind (wer weiß, irgendwo auf der Welt ist es ja vielleicht so?), oder dass man sie auf der Fensterbank selbst ziehen kann (Substratempfehlung: Buchstabennudeln oder in eigenem Saft bei Ramen) oder auch die kuriose Vorstellung, dass das unscheinbare Tütchen mit Fertignudelsuppe ein ganzes Abendessen beinhalten soll, was fast schon an Magie grenzt. Später werden Lieblingsnudelgerichte als Fotografien angeschaut, wie Familienurlaube im Fotoalbum.

"Was mit Nudeln": Lieko Schulze © Swaantje Hehmann

Lieko Schulze, die auch Ideengeberin des Abends ist, teilt sich die Bühne gekonnt mit der Nudel, wobei sie und Regisseurin Wiebke Alphei das Material durch emotionale und unterhaltsame Erzählung in Szene setzen und mit Bewegung, Licht und zum Schluss des Abends mit Geschmack erforschen. So werden aus kindlichen Gymnastikübungen plötzlich Variationen von Nudelsorten und aus unscheinbar wirkenden Lampenschirmen Projektionsflächen für persönliche Nudelerfahrungen als Scherenschnitt.

Die Frage nach dem kulturellen Ursprung der Nudel stellt sich automatisch, als der Koffer ausgepackt wird: Spirelli, Mie-Nudeln, Eiernudeln, Spaghetti, Udon, Suppennudeln… Eine Kategorisierung fällt da schwer. Und gleichzeitig schwebt die Frage im Raum, ob das überhaupt notwendig ist. Denn wenn das kurzweilige Stück eins zeigt, dann, dass die Nudel aus Fremden Gesprächspartner*innen machen kann, zumindest für einen geselligen Abend. Zum Schluss verwandelt sich die Bühne nämlich kurzerhand in eine lange Tafel, fein gedeckt mit Wein, Grissini, Parmesan und schönen Geschichten über Nudeln, an der sich alle versammeln dürfen. Jeder übernimmt eine Aufgabe: Tischdecken, Gläser, Besteck und ganz zum Schluss natürlich die Nudeln, gekocht und mit Bolognese-Sauce aufgetan von Lieko Schulze selbst. Eine Einladung zum Essen, die den Abend offen ausklingen lässt. Es dauert nicht lang, um ins Gespräch zu kommen. Über Nudelgerichte der Kindheit oder die Teller mit Goldrand, die die Großmutter nur für besondere Anlässe im Schrank hatte...

"Was mit Nudeln": Lieko Schulze © Swaantje Hehmann

„Was mit Nudeln“ zeigt das schöne Erzählpotential von Gerichten und gibt der Teigware ihre gebührende Bühne, die sonst sicherlich oft eher beiläufig oder als Notfallessen verzehrt wird. Gleichzeitig ist es beeindruckend, wie schnell die veränderte Bühnensituation hin zur Essenstafel das Publikum von Rezipierenden zu beinahe Bekannten macht, die genüsslich das liebevoll von Schulze, Alphei und dem Team des Figurentheaters Osnabrück zubereitete Essen verspeisen. Die Nudel scheint einer der kleinsten gemeinsamen Nenner zu sein, auf den sich diese oft spaltende Gesellschaft einigen kann.


Lieko Schulze, Figurentheater Osnabrück: "Was mit Nudeln"

Spiel und Idee Lieko Schulze | Regie Wiebke Alphei

Premiere: 29. November 2024
Dauer: ca. 1 Stunde mit anschließendem Ausklang

Infos und Spieltermine auf der Website vom Figurentheater Osnabrück