Young Writers

Hassan im Glück – Eine Geschichte aus der Heimat

Von Nazar Canli

Ein Dutzend Gold das gegen ein Pferd getauscht wird, ein Pferd, das mit einer Kuh getauscht wird, dieses dann immer weiter eingetauscht wird, bis schließlich nichts mehr bleibt.

Ja, die Geschichte kommt uns bekannt vor. Der gute alte Klassiker „Hans im Glück“. Aber warte mal, warum spricht der Erzähler von Hassan und wo bleibt das Schwein, was für die Kuh eingetauscht werden soll? Abdul Haq Haqjoo, der sowohl die Puppen, als auch den Erzähler spielt, kommt ursprünglich aus Afghanistan und ist Muslim. Im Islam ist das Essen von Schweinefleisch nicht gestattet (Haram), weshalb das Stück geändert werden muss.

Die Inszenierung adaptiert die Erzählung von Hans im Glück und verbindet den Puppenspieler (und hier insbesondere die Puppe, da diese ihn imitiert) mit seiner Heimat, genauer mit der Sehnsucht nach dieser. In Afghanistan ist das Figurentheater und insbesondere das Puppentheater aufgrund des Verbots durch die regierende Terrorgruppe der Taliban nicht erlaubt. Um seinem Beruf und seiner Leidenschaft nachzugehen, floh Haqjoo aus seinem Heimatland und kann jetzt seine Fassung der Brüder Grimm Geschichte performen. Interessant sind in diesem Kontext deshalb auch die Löcher in den Puppen die hervorstechen, da diese bei Puppen von anderen Künstler*innen kaum bis gar nicht vorhanden sind. Bei seiner Flucht war es Haqjoo wichtig seine Puppen mitzunehmen (wie er in dem Nachgespräch des Stückes erzählt). Da das Puppenspielen dort nicht gut angesehen wird und bei der Flucht die Kontrollen sehr streng sind, waren die Löcher eine Möglichkeit zu zeigen, dass in den Puppen nichts versteckt wurde, sodass er mit diesen Puppen heute noch auftreten kann. So imitiert er nicht nur die Geschichte von Hans im Glück, sondern macht sie zu seiner eigenen, in dem er sie mit seiner Lebensgeschichte verknüpft. (mehr zum Puppenspieler unter folgendem Link)

Zu Beginn des Stückes möchte der Erzähler (Abul Haq Haqjoo) die Geschichte erzählen, doch dann kommt die Puppe Hassan hervor, denn das ist doch die Geschichte von Hassan, der selbst bestimmen möchte. Hassan hat sieben Jahre in einem fremden Land gearbeitet und möchte endlich wieder in seine Heimat. Für seine harte Arbeit bekommt er einen Haufen Gold, der so groß ist wie der Kopf der Puppe. Das ganze Stück wird mit Musik begleitet, die von Abul Haq Haqjoo selbst gesungen wird. Die Musik beginnt und eine weitere Puppe mit Pferd kommt hervor. Im Publikum Gelächter und ein Kind freut sich, als es das Pferd sieht, welches sich immer schneller bewegt. Nach einem Gespräch der Puppen, entscheidet sich Hassan, dass das Gold zu schwer ist und es viel angenehmer ist, wenn er auf einem Pferd nachhause reiten kann. Der Erzähler fängt an zu singen und erzählt aus seiner Kindheit, dass sein Vater zwei Schafe gegen eine Kuh getauscht hat und damit ein gutes Geschäft gemacht hat. In der Zwischenzeit ist das Pferd von Hassan weg gerannt, was von einer anderen Puppe eingefangen wird, welche einen Ochsen bei sich hat. Hassan ist wütend und möchte lieber den Ochsen der anderen Puppe haben, weil er denkt es eine Kuh ist, die ihm Milch und Käse geben kann. Der Erzähler besteht aber darauf, dass die Geschichte von Hassan ein gutes Ende nimmt und greift immer wieder ein. Deshalb wirft er sich eine Schürze um und tut so als ob er ein Metzger sei. Das Publikum wird gefragt, was als Nächstes geschehen soll. Im Märchen von Hans im Glück wäre es ein Schwein, was gegen den Ochsen getauscht wird, aber wie der Erzähler sagt, ist Schwein Haram. Nach paar Rateversuchen hat es das Publikum geschafft. Ein Schaf darf das Schwein ersetzen. Die Schaffigur wird hervor geholt, der Erzähler wird wütend. Er möchte das die Geschichte gut endet und als Hassan das Schaf dann mit einer Gans tauscht, möchte er nicht mehr weiter erzählen. Das Publikum wird gebeten zu gehen. Gelächter und fragende Blicke im Publikum. Was nun, der Erzähler gibt Hassan schließlich eine letzte Chance und schenkt ihm eine Schleifmaschine. Doch nach diesem langen, anstrengenden Weg bekommt die Puppe Durst. Sie findet einen Brunnen und lässt die Maschine reinfallen. Hassan kommt mit leeren Händen nachhause und trotzdem scheint die Puppe glücklich, da es die Last verloren und den Weg geschafft hat.

Auch wenn ich in Deutschland geboren und aufgewachsen bin, geht das Stück mit jeder weiteren Reiseetappe tief in mein Herz, wobei ich selber Sehnsucht spüre. Meine Familie kommt ursprünglich aus der Türkei und als ob es der Zufall wollte, heißt mein Opa auch Hasan. Mit jedem Schritt den die Figur Hassan macht, komme ich meinen Erinnerungen näher und verbinde es mit meiner Kindheit. Mein Opa lebt auf dem Dorf und züchtet dort Tiere. Er ist in seinem Dorf dafür bekannt, schlechte Geschäfte zu machen. An einem Tag, als ich ihn besuchte, tauschte er zwei Kühe gegen ein Pferd, um mit diesem seinen Garten zu säen. Er versuchte alles, um das Pferd anzuseilen und zu beruhigen, aber ohne Erfolg. Sein Freund sagte dann: „Ach Hasan, wurdest du wieder veräppelt?“ und alle lachten, sein Bruder darauf hin: „Er ist dafür bekannt, mal schauen ob er was besseres für das Pferd bekommt?“

Und plötzlich sagt der Erzähler „Ach Hassan ach, warum hast du dich wieder auf ein schlechten Deal eingelassen“ und bei mir gehen die Gedanken hoch und ich befinde mich in meiner Kindheit. Zum einen den Tränen nahe, zum einen voller Freude im Gesicht, blicke ich auf die Puppe und sehe meinen Opa, meinen Vater und meine Familie.

Hassan im Glück, ist ein Stück, das bei jedem andere Emotionen auslöst. Ob Groß oder Klein, ob man die Geschichte von Hans im Glück kennt, welche Nationalität oder Religion man hat, nichts davon spielt hier eine Rolle und alle haben gemeinsam Spaß. Es verbindet Humor, Sehnsucht und das ständige Scheitern. Aber es zeigt auch, dass man trotzdem nicht aufgeben sollte und manchmal weniger Mehr sein kann.

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