Gedankenspiel: Ein DING. und 100 Fragen
„Guck mal, ein Ballon!“ Ein leises Stimmchen aus der hinteren Reihe, gefolgt von einem Kichern als Karoline Hoffmann ein großes Stück Goldfolie mit der Hilfe eines Föhns aus einem Eimer pustet. Auf den ersten Blick ist dort nichts als der Eimer, schwarz, ein wenig dreckig. Und eben die Folie. Auf der einen Seite golden, ziemlich zerknittert, wahrscheinlich ein Streifen abgerissen von einem größeren Stück. Doch wenn man seinen Kopf so hin und her bewegt und noch einmal hinschaut, dann erscheint einem der Eimer schnell als Korb und der Folienstreifen wird zum Ballon.
Dass Kinder die Welt anders wahrnehmen, damit beschäftigen sich Elternratgeber, sowie diverse Zeitschriften. Riechen, Fühlen, Schmecken, Tasten, Sehen. Kinder begreifen über alle fünf Sinne. Doch auch ihre Assoziationen zu dem, was vor ihnen ist, sind oft anders als die ihrer Eltern. Und sie haben noch keine Hemmungen, diese auch während eines Theaterstückes kundzutun. „Warum ist das Große (Stück) nun weg?“ „Was macht sie denn jetzt?“ „Hat das Teil gezittert?“ „Kommt sie da wieder raus?“ „Warum ist das Licht, denn nun aus?“ „Warum ist das Licht denn nun an?“ Fragen über Fragen, die Eltern irgendwann in Erklärungsnot bringen. Natürlich könnte man diese nun aus rein wissenschaftlicher Sicht betrachten. „Warum ist das Große (Stück) weg?“ – Weil es nicht mehr gebraucht wird. „Was macht sie jetzt“ – Die Darsteller*in baut ihren Spannungsbogen auf und arbeitet sich von kleinen Stücken bis zum Größten vor. „Warum ist das Licht aus?“ – Um der Szene einen dramatischen Effekt zu verleihen. Doch wenn wir ehrlich sind, geht es darum eigentlich gar nicht.
Eher sollten wir uns die Frage stellen, wollen die Kleinen überhaupt darauf eine Antwort? Sicher bin ich mir da nicht, für mich fühlt es sich oft so an, als ob Kinder den Moment in sich aufnehmen und einfach nur laut aussprechen, was sie gerade denken. Immerhin versuchen sie sich immer noch einen Reim daraus zu machen, wie unsere Welt funktioniert. Und oftmals sind gerade diese Gedanken, die Kindervorstellungen so wertvoll für Erwachsene machen können. Können sie uns helfen einen anderen Blick auf die Geschehnisse zu bekommen. So wird der Eimer zum Ballonkorb und ein gefaltetes Stück Folie an einem Seil eine Lampe. So ertönte es heute in der vordersten Reihe: „Hilfe, ein Gespenst.“ Dabei ist es immer noch Karoline Hoffmann, die sich soeben die Goldfolie übergeworfen hat. Mich erinnerte sie eher an jemanden der sich den Bettbezug über gestülpt hat, beim Versuch das Bett zu beziehen. Kein Gespenst. Womöglich, weil ich mir einfach größere Sorgen um meinen Haushalt mache. Für die Kinder im Raum jedoch sind da ein Gespenst und ein Tier und ein Baby. Und ich merke, wie sich auch meine Gedanken immer wieder neu formen und wie ich darüber nachdenke und versuche zu sehen, was denn die Kleinen sehen.
Sicher liegt es an uns den Kindern zu erklären, wie es in der Welt so zugeht, doch manchmal sollten wir eventuell innehalten und versuchen eben diese Welt wie ein Kind zu sehen. Für jemanden, der sich viel mit Theater beschäftigt sind Fragen wie: „Was macht sie denn jetzt?“ – „Warum ist das Licht denn aus?“ – durchaus interessant, sind sie grob gesagt Teil des Leitfadens zur Analyse von Stücken. Denn auch wenn ein Kind nicht auf jede Frage eine Antwort braucht, so können sie dennoch relevant für einen Erwachsenen sein. Und wer weiß, eventuell eröffnen sie so auch außerhalb des Theaters vollkommen neue Perspektiven. Denn wie heißt es so schön? Wer nicht fragt, bleibt dumm.
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Regie und Konzept: Julika Meyer HIER KLICKEN
Foto: Nasser Mashemi