Kapitalismuskritik und eine Warnung vor dem Klimawandel
Auf der Bühne vier Tische und eine Leinwand. Auf den Tischen eine Miniaturwelt. Gebäude, Straßen, Landschaft. Vom Zuschauerraum lassen sich vier Personen und mehrere Kameras erkennen. Das Licht wird gedimmt, es beginnt. Auf der Leinwand erscheint der Titel, Five Lines, wie bei einem Kinofilm. Eine Stimme aus dem Off erzählt uns über das Leben im Jahr 2040, es ist der Protagonist und Erzähler für die nächsten etwa 60 Minuten.
Zunächst unterscheidet sich das Leben wenig von dem, welches wir aus unserer Gegenwart kennen. Menschen gehen feiern, lernen sich kennen und lieben, bauen Beziehungen auf und schlendern durch nächtliche Gassen. Bis zu dem Tag, an dem ein Erdbeben großflächige Zerstörungen auf der Erdoberfläche ankündigt. Das Leben nimmt eine große Wende, TOPO, ein Programm der Regierung, das sich schon lange auf diese Katastrophe vorbereitet hat und die Menschen beschützen soll, übernimmt die Leitung. Menschen werden in Container umgesiedelt und später in die neue unterirdische Zivilisation, Oasis, eingegliedert. Wer versucht zu fliehen, braucht Glück, denn Scharfschützen kontrollieren, dass alles nach Plan läuft.
In der neuen unterirdischen Zivilisation gibt es keine Individualität mehr. Alles was zählt ist ein Punktesystem, welches gleichzeitig als Währung, als auch als Aussage über den gesellschaftlichen Stand zählt. Mit „TOPO Prime“, dem von allen angestrebten höchsten Stand, wird an Amazon Prime und andere, kapitalistische Konzerne angespielt. Niemand weiß, was eine*n dort erwartet, aber alle wollen es. Ähnlich kennen wir es aus dem gegenwärtigen Konsumverhalten vieler Menschen. Die menschliche Kontrollinstanz wird irgendwann durch eine künstliche Intelligenz ersetzt, doch niemand bemerkt dies. Eine Angst, die sich in dem Fortschritt von chatGPT und Fotoerzeugung/-Manipulation auch in unserem Alltag wiederfinden lässt. Doch es gibt eine Hoffnung, aus dem System zu entkommen: Freetown.
Frau Trapp nutzt die Mechanik des „Live Kino-Theaters“1, mit Hilfe von Kameras eine Miniaturwelt auf eine Leinwand zu projizieren und das Publikum so auf eine Reise mitzunehmen, die erzählt wird, als wäre sie schon passiert. Eine Erinnerung aus der Zukunft eben. Neben dem Film auf der Leinwand ist das Bühnengeschehen nicht nur interessant, sondern auch wichtig. Die vier Akteur*innen sind nicht nur Puppenspieler*innen oder Kamera- und Soundmenschen, sondern gleichzeitig Schauspieler*innen und Live-Musiker*innen. Zum Bespielen der Figuren sind hier und da Hände sichtbar, aber das stört das Erlebnis kaum, vielmehr gibt es zusammen mit der Erzählstimme ein immersives Gefühl einer Erinnerung, als würde eine Geschichte einfach nachgespielt werden.
Es handelt sich um die Erzählung einer Dystopie, welche sich angesichts des real existenten Klimawandels vielleicht gar nicht mal so unmöglich anfühlt.
Five Lines regt zum Nachdenken an, kritisiert das kapitalistische System und zeigt auf, dass Community wichtig ist.
1https://frautrapp.com/autumn-winter/
Foto: Maud Sophie Andrieux
Stimmt! Ich finde, der Community-Aspekt kommt auch in der Spielweise von vier Leuten, die perfekt abgestimmt zusammen auf der Bühne produzieren auf.