Neue Diskurse

War am Anfang die Puppe?

Vom 30. - 31.01.2020 fand in Salzburg die Konferenz "Puppet Theatre: In the beginning were puppets" statt.

Die Konferenz war Auftakt für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Figurentheater. Das Deutsche Forum für Figurentheater und Puppenspielkunst war da natürlich vertreten - ein internationales Netzwerk junger Forschender ist im Aufbau und da wollen wir nicht fehlen.

 

Von Mareike Gaubitz

Ein Anfang sollte gesetzt werden: Die Universität Salzburg, vertreten durch das Institut für English Literature/Cultural Studies and Cultural Theory, das PhD Programme Cultural Production Dynamics, und das Salzburger Marionettentheater sind in Kooperation miteinander getreten. Grund dafür: Die fehlende wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Figurentheater. Warum es sich absolut lohnt die Perspektive des Figurentheaters einzunehmen und es ein mehr als nur spannender Bereich ist, macht nicht nur das vielfältige und umfangreiche Konferenzprogramm deutlich. Prof. Dr. Sabine Coelsch-Foisner erläutert in ihrer einleitenden Keynote die Relevanz von Figurentheater für das Verständnis kultureller Phänomene und Wirkmechanismen. Zehn Aspekte und Eigenschaften der Puppe werden dabei ihr Dreh- und Angelpunkt: Wie keine andere Darstellerin vermag die Puppe die Fantasie ihrer Zuschauenden anzuregen, in ihnen emphatische und sich gruselnde Regungen loszulösen. Sie ist Meisterin der Verwandlung und Überschreiterin vieler Grenzen. Sie ist Abbild des Menschen genauso wie sie göttliche Erscheinung sein kann. Und dabei ist sie ein globales Phänomen. Die mannigfaltigen Fähigkeiten der Puppe finden sich heutzutage zunehmend in abstrakteren Figuren, oder kurz gefasst in animierten Dingen im Handlungsspektrum der darstellenden Künste wieder.

Bereits im Call for Papers für die Konferenz wurde das Problem der Anerkennung dieser Kunstform auf den Punkt gebracht:

Often wrongly classified in the Western world as puerile trifles, children's entertainment or educational tools, puppets are, in point of fact, enthralling - aesthetically, historically, philosophically and politically.

Das Figurentheater bietet weit mehr als nur Unterhaltung für Kinder. Dabei setzt es nicht nur in Ästhetik, Philosophie, Geschichte und Politik wichtige Akzente, sondern fordert darüber hinaus eine interdisziplinäre Beschäftigung, welche kontinuierlich neue Perspektiven und neue Theorien hinzuziehen muss, um der Komplexität des Gegenstandes gerecht zu werden. Es heißt im Call for Papers weiter:

Despite the high topicality of puppet theatre, there is a relative dearth of secondary literature thereon. This is unwarranted because research on puppet theatre is vital to exploring key theatrical parameters.

Das Bedürfnis Figurentheater zu erforschen entsteht also aus seiner Aktualität und dem Mangel an Literatur darüber. Außerdem ist klar: Wer sich mit dem Figurentheater beschäftigt, weiß, dass die Kunstform immer auf größere Zusammenhänge verweist. So können wir nicht nur die wichtigsten theatralen Parameter am Figurentheater festmachen, sondern auch gesellschaftliche Zusammenhänge, kulturelle und individuelle Entwicklungen erforschen und Prozesse von Machtverhältnissen anhand des Figurentheaters identifizieren.

Die Vielfalt der Zugänge und Herangehensweisen der Redner*innen spiegelte diese Grundannahmen des Organisationsteams wider. Spannend war es zu sehen, dass in einer internationalen Runde die Probleme doch die Gleichen bleiben: Mit dem Thema Figurentheater wird man immer erstmal als Kuriosität wahrgenommen, man wird irritiert gefragt, warum man sich mit diesem Thema beschäftigen möchte. Viele der Kolleg*innen erzählten von ihrem Kampf um Anerkennung, obgleich Figurentheater zunehmend Thema wird: Nicht nur auf den Bühnen, sondern auch in der wissenschaftlichen Beschäftigung.

Den Organisator*innen der Konferenz gilt an dieser Stelle unser aller Dank für die Erschaffung einer Plattform, eines Ortes des Austausches: Als junge Forschende einer Wissenschaft im Aufbau stehen wir nicht allein – wir sind Viele und weit verstreut.

Das ist es auch, was neben den Eindrücken und Inspirationen, die aus den Vorträgen hervorgegangen sind, nach der Konferenz am längsten nachklang. Das Bedürfnis nach einem Netzwerk und nach der Aufarbeitung des Themenfeldes geraten zunehmend in Bewegung.

Das Credo der Bewegung: Figurentheaterforschende rund um die Welt – EMANZIPIERT EUCH!

 

Hier geht es zum Programm

 

Die Fotografien wurden freundlicherweise vom Organisationskommitee zur Verfügung gestellt.

© Universität Salzburg und das Salzburger Marionettentheater, Januar 2020

 

2 Kommentare
Deutsches Forum für Figurentheater
12.09.2023

Antwort

Liebe Elke Krafka,
vielen Dank für den Kommentar. Natürlich gibt es überaus engagierte und publizierende Forscher*innen. Insofern beklagen wir im Grunde genommen nicht die fehlende Forschung, sondern vielmehr die fehlenden Austauschmöglichkeiten vor allem für junge Forschende. Oft, und darin liegt eine große Problematik verborgen - nicht nur im deutschsprachigen Raum, fehlt es den wissenschaftlichen Leistungen leider an Wahrnehmung und weitreichender Sichtbarkeit. Ausgangspunkt der Konferenz über die hier berichtet wird, war die Feststellung, dass es in Salzburg noch keinen entsprechenden wissenschaftlichen Schwerpunkt gab und dieser mit der Konferenz als Initiationspunkt weiter verfolgt werden soll. Das wollen wir in die Hand nehmen und die Kolleg*innen in Salzburg freuen sich sicherlich sehr, wenn jemand mit Ihrer Erfahrung und Vertiefung in den Themenbereich Kontakt aufnimmt. Wenn Sie das wollen, stellen wir gerne einen Kontakt her. Schreiben Sie dazu am besten per Mail an doku@fidena.de.
Wir nutzen die Gelegenheit, um direkt nachzufragen: Was gibt es Neues aus Herisau?
Beste Grüße aus dem Deutschen Forum für Figurentheater und Puppenspielkunst
Dr. Elke Krafka
09.09.2023

Kommentar zu "Am Anfang war die Puppe"

Guten Tag, mit Verwunderung habe ich gelesen, dass es so gut wie keine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Figurentheater gibt und ich lese weiter, welch spannende Aspekte darin verborgen sind.
Ich habe ab 1994 Vorlesungen und Seminare darüber an der Universität Bern/Institut für Theaterwissenschaft und ab 1996 bis 2018 kontinuierlich auch an der Universität Wien/Theaterwissenschaft gehalten und darüber auch publiziert. So ist es mir unverständlich, dass eine fehlende Forschung beklagt wird.
Mit freundlichen Grüßen
Elke Krafka

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