Die aktuelle Kritik

florschütz & döhnert: BIG BOX & kleines Orchester

Von Barbara Fuchs
 
Ausgefallene und absurde Spielideen, Sound und Rhythmus bringen Dinge zum Tanzen.

Die Schaubude Berlin hat ihre neue Spielzeit im Rahmen des Festivals »Berliner Schaufenster 2021 − Berühren & Bewegen. Theater und Tanz für die Jüngsten« eröffnet. Endlich wieder im Theater - gemeinsam hören, sehen, staunen!

Die Bühne ist frei und liegt im Dunkel. Das Spiel beginnt mit leisen Tönen. Es knistert hier, es klappert dort. Wo kommt das her? Alle Sinne werden wach. Langsam schiebt sich eine hohe Wand ins Bühnenzentrum. Dahinter recken sich zwei Scheinwerfer empor, die im Rundumschlag Decken, Wände, Boden in helles Licht setzen und wieder abtauchen. Zu ihrem Abgang macht ein kleines Orchester ganz allein ein rhythmisches Spektakel. Wie geht das? Wer spielt die Instrumente? Das kommt nicht vom Band. Das ist live. Zwei Trommelstöcke tanzen im Takt. Das Bühnenlicht macht alle Dinge sichtbar, der Raum aber bleibt im Dunkel. Im Zentrum steht ein hoher Schrank. Als die Spieler*innen Melanie Florschütz und Michael Döhnert, beide im blauen Handwerker-Outfit, hervortreten, genügt eine Handbewegung von Döhnert und es kehrt Stille ein. Die zwei schauen sich um, was es hier zu tun gibt. Kleine Dinge auf dem Boden bewegen sich selbstständig voran. Wie geht das? Ein Stöckchen gibt wie ein Dirigent den Takt vor. Ein Schlägel saust ohne Echo durch die Luft. Als Döhnert eine Trommel dazustellt, setzt ein Percussion-Solo ein. Doch Florschütz macht mit einem alles übertönenden Maschinenlärm ihr eigenes Ding. Er zieht ihr den Stecker, sie steckt ihn wieder rein. Hin und her. Sie setzt sich durch. Basta. Die Kinder sind begeistert von dem stummen Spiel des Kräftemessens.

Melanie Florschütz und Michael Döhnert haben einen feinen Sinn für ausgefallene und absurde Spielideen. Die Kinder wissen, hier wird gemogelt. Sie sehen, wie er in die große Kiste reingeht. Aber sie sehen, was sie sehen wollen und haben riesigen Spaß, wenn die Big Box sich allein auf der Bühne bewegt und Melanie Florschütz sich gestenreich dagegen stemmt oder die Richtung bestimmen will. Wie viel Kraft braucht es, sie zu verrücken? Kann das eine allein? Oder braucht es zwei? Die Kiste gibt immer neue Anlässe für Irritation. Wer geht rein? Wer guckt oben raus? Und was ist da drin? Fast immer kommt es anders, als man denkt. Als sich nach dem Höllenlärm die Schranktür öffnet und erwartet wird, dass Florschütz mit einem zersägten Baumstamm heraustritt, trägt sie erhobenen Hauptes einen leichten schwarzen Luftballon vor sich her. Den setzt sie als Kuppel auf einen Lautsprecherturm. Wenn durch Klänge die Membranen schwingen, ist die Kraft der Töne sichtbar: Der Ballon vibriert.

 

Zu einer Großaktion wird der Versuch, den Schrank zu kippen. Da kommen Seilwinde und Hebekissen zum Einsatz. Als Nächstes wird die Kiste zu einem Fahrzeug, unter das man sich mal drunter schieben kann, um zu sehen, was los ist. Schließlich aber bekommt der Schrank durch magnetische Kräfte Beine und wird zum Tisch. Eine wacklige Angelegenheit mit immer neuen verblüffenden komödiantischen Momenten. Die Kinder sind immer die ersten, die loslachen und damit alle anstecken. Die Szenen bekommen ihre Leichtigkeit und Dynamik, aber auch ihren Zusammenhalt durch Musik und Geräusche. Das kleine Orchester lebt von den Eigentönen der Dinge wie dem Klackern auf Blech, dem Quäken eines Megafons, dem Geräusch der Lautsprechermembran, von Trommel, Becken, Base-Drum, Saiteninstrument und manchem mehr. Sie erklingen einzeln mit eigenen Rhythmen oder im Zusammenspiel. Der Höhepunkt kommt zum Schluss, wenn der Schrank zu kraftvollen Melodien auf der Spitze tanzt und Melanie Florschütz mit einem Scheinwerfer drumherum läuft und alles in gutes Licht setzt.

Bravo! Der Beifall hält lange an. Und wieder einmal hat sich die Zusammenarbeit von florschütz & döhnert mit dem preisgekrönten Lichtkünstler Joachim Fleischer und der Kostümbildnerin Adelheid Wieser bewährt.

Nach der Vorstellung kommen Klein und Groß auf die Bühne, stellen Fragen und schauen auf einen Kasten mit flimmernden bunten Lämpchen und bunten Drähten. „Alles keine Deko“, sagt Michael Döhnert, „man muss nur wissen, wie man’s zusammensteckt. Das ist der Block mit den Relais. Hier ist der Audio-Weg und da der Impuls-Weg. Die Impulse kommen durch Elektromagneten.“ Wann er wo welches Knöpfchen drückt, blieb sein Geheimnis.

 

Premiere: 11. September 2021 in der Schaubude Berlin

Idee: Michael Döhnert, Melanie Florschütz

Künstlerische Begleitung, Licht: Joachim Fleischer

Stückentwicklung, Spiel, Bühne und Objekte: Michael Döhnert, Melanie Florschütz

Kostüme: Adelheid Wieser   

Musikkomposition, Sound: Michael Döhnert

Dauer: ca. 40-45 Minuten

Produktion: florschütz & döhnert | Koproduktion: Association Nova Villa – Festival Méli’môme, Escher Theater, Rotondes Luxembourg, T-Werk, TAK Theater Liechtenstein, Très Tôt Théâtre, scène conventionnée Art Enfance Jeunesse – Quimper.

Förderung durch das Bezirksamt Pankow von Berlin und den Hauptstadtkulturfonds Berlin

Unterstützung: Brotfabrik Bonn, SCHAUBUDE Berlin

Fotos: Joachim Fleischer

Nächste Vorstellungen: 23. – 28. + 30.-31. 10. FITZ! Stuttgart  

 

 

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