Theater Hagen: „Katze mit Hut oder Ein Zuhause für alle“
20. Februar 2025
Die Kinder im Publikum lachen von Anfang an, als sich zu Beginn der Inszenierung buchstäblich in die Wolle gekriegt wird. Zwischen fliegenden Wollknäueln kommt dann die Katze mit dem Zug an. Immer wieder wechseln sich Nadia Ihjeij und Anne Schröder mit der Rolle der Katze ab: Eine der beiden setzt einen Hut auf und… Miau! Da ist die Katze und wird gleich mit dem Besitzer des Hauses (Björn Lukas) konfrontiert, in das sie einziehen will. Direktor Maulwischs unglückliche Kindheit, die angeblich in diesem Haus spukt, untermalt akustisch mit einem unangenehmen Dröhnen jeden seiner poltrigen Auftritte. Und nun will er Geld sehen. Aber kein Problem, die Katze umgarnt den Vermieter mit ihrer Gewitztheit und hat ihn schon bald so um ihren Finger gewickelt, dass die Miete schnell nur noch ein Bruchteil des ursprünglichen Preises ist. Am Ende des Stücks muss die Katze natürlich überhaupt keine Miete mehr zahlen.
Das Theater Hagen erfindet mit der „Katze mit Hut“ nach dem Roman von Simon und Desi Ruge das Rad nicht neu, das muss es aber auch nicht. Und für Fans der gleichnamigen Verfilmung der Augsburger Puppenkiste von 1982 ist das Titellied mit Ohrwurmpotential auch in Hagen dabei. Regisseurin Anja Schöne und ihr Team lassen also vorlagentreu nach und nach verschiedene sogenannte „Sonderlinge“ in das Haus einziehen. Denn „Sonderlinge“, so sagt die Katze, sind anders als die „Übrigen“ und brauchen ein sonderliches Haus, um sich wohlzufühlen, wenn die Übrigen mit ihnen nicht klarkommen.
"Katze mit Hut": Anne Schröder, Nadia Ihjeij, Björn Lukas © Leszek Januszewski
Alle Bewohner*innen des Hauses sind unterschiedlich und haben ihre Eigenarten. Das wird nicht nur gesagt, sondern spiegelt sich auch in der Wahl der Puppen von Sabine Kreiter wider. Marianne, das Dudelhuhn, zum Beispiel ist ein Kissen mit Kamm und Hühnerbeinen. Wenn dieses dann von ein bis zwei Spieler*innen bespielt wird und gackert, beziehungsweise dudelt, sieht jedes Kind im Publikum eindeutig ein Huhn. Die Puddingbrumsel, ein glupschäugiger beflügelter Handschuh mit Korkennase, krabbelt mit ihren Fingerbeinen über die Arme und Köpfe der anderen Figuren. Der Stolpervogel ist ein klappriges Gestell aus Siebkelle, Kleiderbügel und Rohren, die als Beine mit den Füßen der Puppenspielerin verbunden sind, was sein Stolpern bei einem Gang durchs Publikum lebensecht nah bringt.
Nadia Ihjeij, Björn Lukas und Anne Schröder spielen und singen die Puppen und Rollen mit Elan und viel Energie. Die katzenhafte Körpersprache, wann immer Ihjeij oder Schröder den Hut tragen und sich zum Beispiel strecken oder mit der Pfote an klimpernden Schlüsseln spielen, ist ausgezeichnet. Alle Charaktere haben ihre eigene Art und Weise, sich zu bewegen, was die Geschichte über die Unterschiede im Spiel nachdrücklich einprägt, aber auch einen hohen Wiedererkennungswert ermöglicht. Und: Auch wenn einzelne Personen gerade nicht aktiv Teil der Handlung sind, werden sie trotzdem durch Accessoires wie den Hut oder als unbespielte Puppen auf der Bühne markiert. Die Bühne ist so, genau wie das Haus, immer lebendig und voller Gestalten, selbst wenn etwa nur zwei Personen gerade miteinander sprechen.
"Katze mit Hut": Björn Lukas, Nadia Ihjeij, Anne Schröder © Leszek Januszewski
Das ebenfalls von Kreiter gestaltete Bühnenbild aus beweglichen Teilen formiert sich im Laufe der Inszenierung zu festen „Zonen“, wie zum Beispiel dem Wohnzimmer, in dem leise gesprochen werden muss, damit der empfindliche, dort hausende Hundertfuß nicht gestört wird. So steht am Ende ein ganzes und dem Publikum wohl bekanntes „Zuhause für alle“ auf der Bühne. Besonders stechen die bunten Häkelarbeiten hervor, die auf verschiebbaren Rahmen und von einem Dachstuhl hängend als Bühnenbild und Lager für alle Requisiten, Kostüme und Puppen dienen, aber auch metaphorisch die Botschaft des Stücks über den Zusammenhalt verbildlichen.
Denn was ist das Haus Katze, wenn nicht eine Häkelarbeit? Es besteht aus vielen verschiedenen Maschen, vielleicht nicht alle gleich ordentlich, aber doch eine Gemeinschaft, von der Katze, die als „Kunsthäklerin“ arbeitet, zusammengefunden und zusammengefügt. Das Programmheft gibt mit den „Häkelgedanken“ der Katze Einblick in diese Dimension der Geschichte über eine Hausbesetzung: „Wenn bei den einen das Geld nie reicht und die anderen mehr als genug haben, sollten dann nicht die, die viel haben, die anderen unterstützen?“, oder „Wenn ein Haus leer steht, dann sollte es denen gegeben werden, die kein Dach über dem Kopf haben.“ Diese linken und anarchistischen Positionen fallen in der Inszenierung selbst leider etwas zu sehr in den Subtext, um in dieser vollen Breite beim jungen Publikum anzukommen.
Was allerdings sicherlich mitgenommen wird, ist, dass Verschiedensein gut ist. Und, dass ein Zusammenleben trotz dieser Verschiedenheiten gut ist. Denn, ob nun Sonderling oder Teil der „Übrigen“, wir alle haben ein Recht auf ein glückliches Dasein mit einer glücklichen Familie (wie auch immer diese aussehen mag) in einem glücklichen Haus. Eine Botschaft, die angesichts immer verbreiteter rechtspopulistischer Rhetorik, die genau diese eigentlich simplen Ideen durch Hass ersetzen will, wichtiger ist denn je.
Theater Hagen: „Katze mit Hut oder Ein Zuhause für alle“
Ein Theatermärchen über das Zusammenleben von Desi und Simon Ruge
Inszenierung Anja Schöne | Choreografie Jozsef Hajzer | Bühne, Puppen und Kostüme Sabine Kreiter | Puppen-Coaching Nadia Ihjeij | Musik Dominique Paschen | Dramaturgie Anne Schröder | Assistenz Quinn Peipert | Hospitanz Enya Reiner | Theaterpädagogik Elisabeth Emmanouil-Maß | Es spielen Nadia Ihjeij, Björn Lukas und Anne Schröder
Premiere: 16. Februar 2025
Dauer: ca. 65 Minuten
Für alle ab 5 Jahren
Infos und Termine auf der Website vom Theater Hagen