Die aktuelle Kritik

Landesbühnen Sachsen: „König sein“

Von Andreas Herrmann

Figurentheater nach dem Kinderbuch „Le petit Guili“ von Mario Ramos.

Das Stadtmuseum Riesa als Veranstaltungsort verdeutlicht den Spagat, den die Landesbühnen Sachsen als Mischform von Stadttheater und Wanderbühne aus ihrer Residenzstadt Radebeul heraus per Auftrag zu wagen haben. Nicht nur, dass hier, rund dreißig Kilometer elbabwärts, das kooptierte Hausorchester, die Elblandphilharmonie, sitzt und probt. Nein, Riesa, einst stolzes Stahl- und Nudelzentrum Sachsens, gehört heute zum Kerngebiet sächsischer Industrietristesse – ähnlich wie Freital und Böhlen, wo das Stück als nächstes gastiert.

Geboten wird „König sein“ als Figurentheater nach dem Kinderbuch „Le petit Guili“ von Mario Ramos, angepriesen für Schüler ab neun Jahre. Regisseur Heiki Ikkola, der mit Sabine Köhler das Kopfduett der freien Compagnie Freaks und Fremde bildet, die immer noch mit dem Erwachsenenstück „Carbon“ durch die ganze Republik tourt, hat dafür acht verschiedene Leofiguren aus Sperrholz geschaffen: Vom niedlich grinsend-winkenden Kleinlöwen, der anfangs übers Theatrum mundi rast und sich auf seinen Traumjob freut – bis hin zur kopfgroßen, echt fiesen Zahnfletschmaske. Fast alle haben ein passendes Fahrwerk und einen inneren Rotationsmechanismus.

Zuvor wird als Intro jedoch gerockt: Multiinstrumentalist Frieder Zimmermann und die beiden Spieler Sabine Köhler und Tom Hantschel (im Brotberuf Schauspieler an den Landesbühnen) alle im klassisch-edlem Zirkusoutfit, servieren Rio Reisers „König von Deutschland“ in einer neuen Version. Danach rückt die wunderbare Welttheatermaschine, auf der die Figuren auf mehreren Seilzügen variabel hin- und hergekurbelt werden können, in den Hintergrund, denn Köhler und Hantschel, von Zimmermann immer wieder von der Seite intervenierend mit verschiedenen Instrumenten von Minigitarre bis Schlagwerk und besonders gut als lustig bellender Hund unterstützt, erzählen weitestgehend vor der Bühne, die Figuren in der Hand oder selbst symbolisierend.

Sie schildern die Geschichte vom jungen, lustigen Löwen Leo, der nun endlich regieren darf, sich dabei rasch der überbordenden Komplexität der arg divergierenden Einzelinteressen seiner einstigen Tierfreunde wegen zum Tyrannen entwickelt und sogar ein Gesetz erlässt, welches allen Vögeln das Fliegen verbietet, indem die Eltern ihnen nach der Geburt die Flügel zu brechen haben. Er macht die Gorillas zu seiner Leibgarde, und um den inneren Frieden zu konstruieren, führt er gar bald eine Art Phantomkrieg gegen den bedrohlichen Tiger und dessen Wildschweine aus dem Nachbarreich.

Die Entwicklung von Leo, dem VIII. zeigt als eine Art Parabel den alten politischen Lehrsatz, dass das Amt den Menschen immer mehr formt als der Mensch das Amt.

Doch hier kommt nun, als es nach einer halben Stunde echt düster zu werden droht, der kleine Guili, ein frecher Vogel, dessen Eltern „einfach vergessen“ haben, ihm die Flügel zu brechen, zu Hilfe. Er findet das ganze Königgetue und die blindgehorsame Gefolgschaft einfach „lächerlich“. Und er raubt flugs dem König die Krone, nachdem der behauptet hatte, dass sein Königsein nur auf dem Kronetragen beruhe. 

Diese steile These testet der kleine Witzbold recht rasch beim restlichen Fußvolk durch. Doch keiner der Untertanen, hat, sobald gekrönt, irgendeine Erleuchtung, die dem gesellschaftlichen Zusammenhalt oder gar einer Problemlösung dient. So will der afrikanische Elefant 36 warme Mahlzeiten am Tag und der Esel das Lesen und Denken abschaffen. Nur die Schweine, die sich nicht mehr putzen und gern Vegetarier werden wollen, sind einigermaßen grün-sympathisch – aber dafür im Achterpack des Krokodils Wunschnahrung.

Das 40-seitige Bilderbuch von Ramos, als Sohn einer Belgierin und eines Portugiesen gebürtiger Brüsseler des Jahrgangs 1958, zählte Tomi Ungerer zu seinen Vorbildern und schrieb und illustrierte seit 1992 etliche Kinderbücher, die neben seiner Heimat vor allem in Holland, Dänemark, Japan und den USA erfolgreich sind, lässt viel Freiraum, der sehr prägnant, phantasievoll – und immer mit dem Blickkontakt zum jungen Zuschauervolk geboten wird. Und auch auf den Teilzeittyrannen wartet eine zum Schluss noch warme integrative Pointe ...

    

Nächste Vorstellungen: am 18. März im Kulturhaus Freital, am 20. März Kulturhaus Böhlen, am 22. & 27. Studiobühne Radebeul (je 10 Uhr).

Netzinfos: www.landesbuehnen-sachsen.de

 

Bildtext:

Lächerlich findet der fliegende Vogel die Krönung von Leo, dem Achten – und klaut ihm das Machtteil vom Haupte (Szene mit Sabine Köhler und Tom Hantschel).  

Foto: René Jungnickel

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