Fritz-Wortelmann-Preis

Fritz-Wortelmann-Preis 2009

41. Fritz-Wortelmann-Preis der Stadt Bochum ging an Solistin und Studentengruppe


Am Sonntag, 29. November 2009,  ist der 41. Fritz-Wortelmann-Wettbewerb der Stadt Bochum mit einer feierlichen Verleihung im Rathaus zu Ende gegangen. Der mit 4000 Euro dotierte Preis wurde von der Bochumer Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz überreicht und ehrt in diesem Jahr ein herausragendes Solospiel sowie die überzeugendste Ensembleleistung.

In der Inszenierung „Üben! Üben! Üben!“ gelang der Hamburgerin Anne von Hartmann mit der Animation ihres „Pappkopppuppentrupp“ eine mitreißende Geschichte rund um eine Laientheatergruppe. Mit selbst gestalteten Fingerpuppen und vielfältigem Stimmeinsatz entwickelte die Spielerin eigenständige Charaktertypen, die das Publikum sofort in ihren Bann zogen.

Die Jury lobte die genaue Beobachtungsgabe von Anne von Hartmann und die Umsetzung in ein kraftvoll-lebendiges, durchgängig authentisches Spiel mit geistvollem Witz.

Über den Preis für die beste Ensembleleistung darf sich die Studentengruppe der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen freuen. Die drei Studentinnen und zwei Studenten begaben sich in „Das Wesen der Dinge oder: Die Hasenhölle des Don Juan“ auf die Suche nach dem Wesen der Schokoladenhasen. In einer losen Szenenfolge wurden die Hohlkörpern zum Leben erweckt und zum Tanzen und Schmelzen gebracht. Die Jury betont in ihrer Begründung die hervorragende Objektanimation, die in Kombination mit unkonventionellen Brüchen und absurden Bildern der Aufführung einen Performance-Charakter verlieh und einen intelligenten, bissigen Humor zeigte. Nach Meinung der Jury wird dadurch das Figurentheater jung, attraktiv und zukunftsfähig.

Ebenfalls geehrt wurde Maria Benkendorf, die das Motiv des diesjährigen Fritz-Plakat entwickelte.
Im Vorfeld des Wettbewerbs gestalteten Folkwang-Studenten des Studiengangs Kommunikationsdesign Plakatentwürfe, die während der Wettbewerbszeit ausgestellt waren.

Sieben Theaterprojekte mit insgesamt 30 Teilnehmern aus dem ganzen Bundesgebiet waren seit Donnerstag in Bochum zu sehen. Die Bandbreite der Wettbewerbsbeiträge reichte von traditionellem Marionetten- und Puppentheater über Masken- und Schattenspiel bis hin zu Schauspiel und Objekttheater. Neben drei solistischen Beiträgen präsentierten vier Amateurgruppen ihre Inszenierungen im gut besuchten Melanchthonsaal des Jungen Schauspielhauses Bochum.

Gemäß der Intention des Fritz-Wortelmann-Preises fand ein inspirierender Austausch zwischen den teilnehmenden Spielerinnen und Spielern statt. In den inszenierungsbezogenen Diskussionen sowie in vielen Gesprächsrunden am Rande des Wettbewerbs sprachen die Amateurkünstler über ihre Arbeit und gaben sich gegenseitige Anregungen.



Die Begründungen der Jury zu den Sieger-Inszenierungen

Anne von Hartmann und ihre „Pappkopppuppentruppe“ ziehen das Publikum sofort in ihren Bann. Im Stück finden sich sechs ebenso liebenswerte wie schwierige Charaktertypen zusammen, um Laientheater zu spielen. Die menschlich-allzumenschliche Geschichte entfaltet sich äußerst amüsant und kurzweilig und gipfelt in einem kuriosen Durcheinander. Eine der Qualitäten Anne von Hartmanns ist die genaue Beobachtungsgabe, so dass dieses Aufeinandertreffen der guten Absichten in all seinen Eigenheiten pointiert und mit geistvollem Witz in Szene gesetzt wird. Die Puppenköpfe bilden eine ästhetische Einheit, wobei jeder einzelne auch in seiner Führungsart dem spezifischen Charakter der Figur genau entspricht. Der Einsatz der Stimme ist souverän und vielfältig ohne zu karikieren, Stimmwechsel werden stringent durchgehalten. Der dem Alltag abgeschaute Text wurde intelligent zugespitzt und steckt voll überraschender kleiner Abwandlungen. Anne von Hartmann setzt gezielt auf einfachste Mittel und schafft ein kraftvoll-lebendiges und durchgängig authentisches Spiel.

Das Stück „Hasenhölle“ überzeugt durch seine kunstfertige Entwicklung, die nicht selten einherging mit der „Ent-Wicklung“ der Osterhasen. Zu sehen ist eine anregende Wechselwirkung zwischen fünf Darstellern, die virtuos auf der Klaviatur der Sinnlichkeit eines Schokohasen spielen. Das Ensemble hat die Herausforderung gesucht und bewältigt, konventionellen Hohlkörpern in Form von Schokoladenhasen in Stanniolpapier Leben einzuhauchen. In einer losen Szenenfolge wird mit großem Humor und Ernsthaftigkeit das Wesen der Schokohasen untersucht. Es zeigt sich rasch, dass kein Mensch die Würde eines Osterhasen nachstellen kann. Schon in diesem Bemühen, wie in jedem Schritt und jeder Geste zeigt das Ensemble ein hohes Körperbewusstsein. Durch die unkonventionellen Brüche und die hervorragende Objektanimation bekommt die Aufführung den Charakter einer Performance. Die Osterhasen werden durch Lichttechnik zum Tanzen gebracht, durch Wärme zum Schmelzen oder sie werden auf gespenstische Art heimtückisch erschossen. In absurden Bildern entfaltet sich ein intelligenter, bissiger Humor, der aus der Lebenswelt der Studierenden hervorgegangen ist. Dadurch wird Figurentheater jung, attraktiv und zukunftsfähig.

Bochum, 28.11.2009

Die Jury 2009:
Birgit Hollack, Martina van Boxen, Hans H. Hanke, Christoph Schlierkamp, Annette Dabs