FIDENA - Das Festival

4. Internationales Symposium zum Thema "Change - Internationale Festivals in Zeiten der Transformation" im Rahmen der FIDENA

Die Teilnehmer:innen des internationalen Symposiums 2024 © Simon Baucks

Das Deutsche Forum für Figurentheater und Puppenspielkunst hat vom 9. bis 10. Mai im Rahmen der FIDENA Festivalmacher:innen zu einem internationalen Symposium mit dem Thema „Change – Internationale Festivals in Zeiten der Transformation“ eingeladen.

Festivalmacher:innen sind in verschiedener Weise mit großer Verantwortung vertraut: In der Kuration von Programmen stiften sie (politische) Sinnangebote für ihr Publikum und wirken damit auf Diskurse ein. Die Zusammenstellung von Inhalten ist dabei niemals neutral, denn mit jeder Wahl – sei es eines Themas, bestimmter Künstler:innen oder Ästhetiken – gehen zwangsläufig auch Ausschlüsse einher. Wir haben gemeinsam über die Herausforderungen in der Kuration und Organisation von Theaterfestivals diskutiert, um eine bewusste und selbstkritische Befragung der eigenen Praxis anstoßen.

Welche Perspektiven und künstlerische Handschriften sind bisher unterrepräsentiert? Wie kann mehr Inklusion gelingen und nachhaltiger produziert werden? Wie können Codes von Sexismus, Rassismus und Klassismus entlarvt werden? Wie können koloniale Spuren aufgedeckt und Machtstrukturen hinterfragt werden? Und wie kann ein weißer Blick verlernt werden?

In Vorträgen, Diskussionsrunden und Best Practice Beispielen aus dem Bereich Wissenschaft, Aktivismus und Darstellende Kunst konnten neue Herangehensweisen entdeckt werden. Darüber hinaus vertieften kreative Begegnungsformate und Workshops das Netzwerken und das gemeinsame Erleben von Performances. So bot das Symposium eine intensive Möglichkeit der internationalen Vernetzung.
 

FIDENA - Das Festival

Kleine Schritte zu großen Veränderungen

Von Melanie Suchy

Theatermenschen aus aller Welt tummelten sich im Mai 2024 auf dem Gelände der Bochumer Jahrhunderthalle zum internationalen Symposium für Festivalleiter*innen. Seit 2003 hat die FIDENA-Intendantin Annette Dabs vier solcher Symposien initiiert, die jeweils auf einer Sorge gründeten, erklärte sie zur Eröffnung. Bisher sei es um Themen wie Globalisierung, Nachhaltigkeit und die Instrumentalisierung der Künste gegangen. Auch 2024 standen mehrere relevante Themen im Fokus: In vier Panels über zwei Tage wurden Nachhaltigkeit, dekoloniale und antirassistische Ansätze, Barrierefreiheit sowie veränderte Ansprüche an die Festivalkuration diskutiert.

Green Festivals

Die Themen und ihre Dringlichkeit seien offenbar nicht neu gewesen; einige der Anwesenden engagierten sich bereits in diesen Bereichen. Dennoch, so hieß es, hätten die Teilnehmenden einige wertvolle Impulse mitnehmen können. Katharina Weber vom europäischen Verband für Popmusikfestivals YOUROPE riet dazu, Veränderungen in vier nach Schwierigkeitsgrad gestaffelten Stufen anzugehen: Basic (sofortige Maßnahmen), Moderate, Ambitious und Challenging. Dabei müsse „das Rad nicht neu erfunden werden“, vielmehr gehe es darum, von anderen zu lernen, das Erreichte nach zwei und vier Jahren zu evaluieren, Allianzen zu bilden und mit dem „Grünsein“ zu werben. Ihr Guide „3F – Future Fit Festivals“ stelle solche Aktivitäten vor. Zuhörer:innen kommentierten jedoch, dass Geld- und Zeitmangel insbesondere kleine Festivals oft im Engagement ausbremse. Dennoch sei mehr Nachhaltigkeit oder sogar CO₂-Neutralität bald eine Voraussetzung für Kulturförderungen, wie aktuell bereits in Schottland oder Montréal der Fall. Besser jetzt handeln als später nur reagieren, empfahl Annette Dabs. Eine andere Zuhörerin ergänzte, dass Gastspielkooperationen, um lange Reisen von Künstler:innen effizienter zu gestalten, bislang leider kaum funktionierten. Doch Zuhause zu bleiben, sei keine Lösung für Künstler:innen und Publikum, schließlich ermögliche gerade das Reisen die Konfrontation mit dem Unbekannten, was für die Entwicklung und das Erleben der Kunst unabdingbar sei.

Stereotype

Was jedoch häufig übersehen werde, seien Stereotype. Es stellte sich die Frage, wie man mit Puppen umgehen solle, die rassistische Stereotype repräsentierten: zeigen oder verbergen? Mascha Erbelding, Leiterin der Puppentheatersammlung München, präsentierte ihre Überlegungen dazu (vgl. dazu auch double 47 „Puppets of Color“). Sie fragte, wie Institutionen antirassistisch agieren könnten, „ohne dass es Kosmetik bleibt“, und wie „Tokenismus“ vermieden werden könne, etwa bei Einladungen Schwarzer Künstler:innen. Obwohl das Figurentheater selbst eine Außenseiterposition einnehme, sei es ebenfalls anfällig dafür, rassistische Ideologien zu reproduzieren. Neuere diskriminierungskritische Handreichungen und Bücher könnten hier Hilfestellung bieten. Aus dem Publikum wurde ergänzt, dass „Dekolonisierung“ in der Ukraine eine kulturpolitische Maßnahme sei, die sowohl die Sprache als auch das Theaterrepertoire betreffe. Für Yacouba Magassouba und Boucary Ombotimbe aus Bamako, Mali, sei hingegen das Thema Gleichberechtigung besonders virulent. Sie bieten in ihrer Compagnie Nama spezielle Ausbildungen für Frauen an, obwohl diese nach Tradition der Dogon (die im Osten Malis leben) keine Masken tragen durften. Jetzt täten sie es dennoch, und das Puppenspiel ermögliche es ihnen, frei zu sprechen und Machthaber:innen zu kritisieren.

All in

Frei von Barrieren: Der Zugang zum (Figuren-)Theater, die Reduzierung realer und gefühlter Hindernisse, sei Sue Buckmaster von der Company Theatre Rites in London schon lange ein Anliegen. „Relaxed performances“ sollten mehr Publikum willkommen heißen, angepasst an unterschiedliche Wahrnehmungen und physische Möglichkeiten. Theater zu öffnen, Räume und Einstellungen anzupassen, führe zu „smarter, not less art“. Mit ihren Praxistipps ermutige sie zum Fragenstellen und Anpassen. Sie räumte jedoch ein, dass diese Veränderungen Zeit bräuchten. Es gebe bereits gute und hilfreiche Bücher zu dem Thema. Neben weiteren „addierten“ Maßnahmen wie Audiodeskription, Gebärdendolmetschen, Über-/Untertiteln und „Touch tours“ könne Barrierefreiheit bereits in die Stückentwicklungsprozesse integriert werden, ergänzte Nils Rottgardt von Un-Label in Köln. Durch „Aesthetics of Access“ und die Einbindung behinderter Künstler*innen werde die Theaterkunst selbst transformiert.

 

Die ganzen Vorträge und die Diskussion im letzten Panel zur Festivalkuration sind unten nachzuverfolgen.

FIDENA - Das Festival

Dokumentation

Die Videosprache ist Englisch. Die automatisch generierten Untertitel sind auf Englisch und Französisch verfügbar.

 

 

Panel 1: Design or Desaster

Vortrag von Katharina Weber (Projektmanagement YOUROPE)

 

 

Panel 2: Puppets of Color

Vorträge von Mascha Erbelding (Leiterin der Sammlung Puppentheater/Schaustellerei im Münchner Stadtmuseum) und Atif Mohammad Nour Hussein (Regisseur, Autor, Puppenbauer)

 

 

Panel 3: All in!

Vorträge von Sue Buckmaster (Regisseurin, Künstlerische Leiterin von Theatre Rites) und Nils Rottgardt (Leitung Kunst & Kultur bei Un-Label)

 

 

Panel 4: Future of Curating or Where's the Art in all this?

Vortrag von Dawn Taylor (Manipulate Arts Festival Edinburgh) und Blair Thomas (Chicago Puppet Festival),
in anschließender Diskussion mit Tim Sandweg (Schaubude Berlin), Anurupa Roy (Katkatha Puppet Arts Trust), Miguel Angel Gutiérrez (Luna Morena Festival)