Künstler / Akteure

Na, n' bisschen Fantasie müssta schon mitbringen! - Daniel Wagner

Fragen, Antworten und ein ungeschminkter Blick auf den Berliner Puppenspieler und Musiker Daniel Wagner

Wenn Daniel Wagner mit temperamentvollen Schritten und blitzenden Augen die Bühne betritt, dann ist sie da: Die unglaublich mitreißende, energiegeladene Spielfreude, die alle Anwesenden, Kinder und Erwachsene gleichermaßen, in den Bann zieht. Und wenn Wagner spielt, dann folgen ihm die kleinen und großen Zuschauer auf Schritt und Tritt, verfolgen fasziniert den Wechsel der Spielarten, amüsieren sich über Pointen und freuen sich an dem charismatischen Mann, der offensichtlich mindestens genauso viel Spaß an seinem Spiel hat wie das Publikum. Und wenn im scheinbaren Überschwang ein Puppenkopf fliegt und Daniel Wagner zur größten Freude der Zuschauer selber lachen muss, rückt er noch ein Stück näher. Und das, obwohl bei jeder Vorstellung der Kopf fliegt, und jedes Mal ein vermeintlicher Lachanfall unterdrückt wird.
Daniel Wagner, Jahrgang 1977, ist als ausgebildeter Puppenspieler ein Profi, der genau weiß, was er da auf der Bühne treibt. Und obwohl man als Zuschauer den Eindruck bekommt, er und seine Mitwirkenden hätten bestimmt einen Riesenspaß bei den Proben, ist es sicher Teil seiner Professionalität, dass sich diese Leichtigkeit so wirkungsvoll und sympathisch vermittelt. Und er ist ganz einfach authentisch. Auf die Frage, ob er gerne improvisiere, antwortet er mit einem klaren „Nö!“ - um direkt zu ergänzen: „Aber wenn ich's tun muss, bin ich gut“.

Daniel Wagner ist ein waschechter Berliner, was in seinen Inszenierungen wirkungsvoll eingesetzt wird. Denn „ein bisschen Berliner Schnauze und Dialekt darf schon sein. Finden die in Bayern auch lustig, nur in Frankfurt nicht“, so seine Einschätzung.

Geboren im Ostteil der Stadt, in DDR-Kinderjahren oft umgezogen (Potsdam, Frankfurt/Oder), reiste seine Familie 1986 mit ihm nach West-Berlin aus, wo er in Spandau eine schöne Jugend hatte. „Prägend“ sei die Zeit gewesen, aus der die besten Freunde stammen. Und, so sagt er, das Allerwichtigste – das Skateboardfahren. „Vieles von dem, was ich heute auf der Bühne mache oder nicht, habe ich vom Skateboardfahren gelernt. Man lernt nicht, wie man eine Puppe gut bewegt, aber man lernt, dass es wichtig ist, eine Puppe gut zu bewegen. Es kommt auf den Style an, haben wir beim Skaten immer gesagt.“ Denn „die ganze Stadt ist eine Bühne und die Leute gucken, und wenn man etwas Interessantes macht, bleiben sie länger stehen. Man lernt ganz einfach, sich in Szene zu setzen.“
So der bekennende Klassenkasper, der seine ersten Bühnenerfahrungen als Komiker in seine Kindergartenzeit datiert.

Doch stand das Berufsbild Puppenspieler zunächst gar nicht auf seinem Wunschzettel: „Erst wollte ich Goldschmied werden, bin aber nicht genommen worden. Dann wollte ich Zahntechniker werden, bin aber nicht genommen worden. Dann wollte ich Tischler werden (die Idee hatte meine Tante), dort wurde ich genommen, aber nicht übernommen. Also musste ich Puppenspieler werden.“ So studierte er nach seiner Theatertischler-Ausbildung an der Berliner Staatsoper von 1999 bis 2003 Puppenspielkunst an der Berliner Hochschule „Ernst Busch“, wo auch schon seine Mutter knapp zwanzig Jahre zuvor (mit ihm als Kleinkind im Schlepptau) ihr Wesen trieb – „also habe ich die Ausbildung eigentlich zweimal gemacht“.

Seit 1996 betreiben Mutter Regina Wagner und sein Vater, der bildende Künstler und Ausstatter Ralf Wagner, das Theater auf der Zitadelle. Das Puppentheater hat seinen festen Spielsitz in der namensgebenden Spandauer Zitadelle in Berlin und entwickelt seine Inszenierungen teilweise in Koproduktion mit anderen Theatern und in enger Zusammenarbeit mit verschiedenen Regisseuren, Schauspielern und Musikern.
Daniel Wagner ist eng mit der Zitadelle verbunden, seine dortige Position umschreibt er mit „Sohn des Hauses, Ensemblemitglied und manchmal Regisseur. Und die unangenehme Arbeit wie Werbung und Spielpläne verschicken machen meine Eltern.“

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach Daniel Wagners Verhältnis zu seinen Eltern in künstlerischer Hinsicht. Die Antwort ist so simpel wie ungewöhnlich: „Ihr werdet es nich' glauben, aber ich hab' mich noch nie mit meiner Mutter gestritten. Wenn sie was sagt, dann wird dit jemacht. Und wenn ich was sage, wird dit och jemacht und wenn mein Vater was sagt dann.....ähäh.......wird dit och jemacht. Ich und meine Mutter haben einen ähnlichen Geschmack. Wir können über die gleichen Sachen lachen. Wir hören die selben Filme und gucken ähnliche Musik. Das ist ganz gut, um zusammen Theater zu machen. Und dann ist da noch mein Vater. Der baut die schönsten Puppen, die in all unseren Stücken vorkommen.“

Neben der Arbeit an der festen Spielstätte geht Daniel Wagner unter Theater Zitadelle mit zwei Solostücken („Das tapfere Schneiderlein“, „Das Rotkäppchen“, Regie bei beiden: Pierre Schäfer) regelmäßig auf Tournee. Wie erfolgreich, zeigt sich an den vielen Abstechern, unter anderem bei der FIDENA (2007 mit dem Schneiderlein, 2010 mit seiner Rotkäppchen-Version). Bei dem jüngst erfolgten Wagner-Schäfer-Wochenende an der Berliner Schaubude im November 2010 spielte er neben den obigen Inszenierungen noch weitere Produktionen – allesamt vor vollem Haus und begeisterten Zuschauern.
„Das Rotkäppchen“ wurde kürzlich mit dem IKARUS 2010 – Auszeichnung für eine herausragende Inszenierung eines Kinder- und Jugendtheaters in Berlin — gekürt.

Zu seinem Repertoire gehören sowohl Kinder- als auch ausgewiesene Erwachsenenvorstellungen. Was macht mehr Spaß?
 „Ich spiele vor beiden gleich gerne. Vielleicht vor Erwachsenen ein bisschen gerner. Weil bei Erwachsenenvorstellungen bei meinen Stücken etwas mehr gelacht wird, da fühl' ich mich gleich ein bisschen toller. Aber wenn der Riese pupst, der Wolf rülpst oder die Prinzessin stolpert und die Kinder sich totlachen, dann freu ick mir och en Loch in Bauch. Von meiner Spielweise mache ich keinen Unterschied. Das rechnen mir beide Spezies auch hoch an. Der einzige Unterschied ist, dass ich in einer Erwachsenenvorstellung im Schnitt einmal mehr Scheiße sage und manchmal auch Pillemann. Das einzige, was wirklich nervt an Kindervorstellungen sind doofe Erzieher. Und bei Erwachsenenvorstellungen doofe Kinder.“

Und wie verhält es sich mit dem Spaßfaktor bei den Entwicklungen der Stücke und bei den Proben? Und wie ist die Vorgehensweise?
„Bei meinen Solostücken bin ich bis jetzt so vorgegangen: Erst mal ab zum Trödel, sinnlos schöne Sachen kaufen. Dann alles auf die Bühne schmeißen und erst mal einen Kaffee trinken. Dann Pause machen. Am nächsten Tag dann improvisieren, albern sein,
gucken, was in den Dingen steckt und alle guten Sachen aufschreiben. Das mach' ich dann etwa vier Wochen. Ich kann nur die letzte Woche nicht leiden, da muss man dann wirklich proben. Bei den Stücken, die ich mit anderen mache, da läuft es zivilisierter ab. Da gibt es sowas wie einen Text schon vorher.“

Daniel Wagner ist auch als Musiker unterwegs, sogar in nicht zu unterschätzendem Maße. Mit seiner aktuellen Band Kaeptn Karacho, gegründet 2005, spielen er und sein Bandkollege Stefan Frischbutter auf verschiedenen Festivals und Events, und das vor eher überschaubaren Menschenmengen. Was nicht heißen soll, dass die originellen Songs keine Fans hätten. Mitunter baut Daniel Wagner einzelne Songs in seine Aufführungen ein, sehr zur Freude der Zuschauer, die nicht böse sind, dass eher selten ein thematischer Zusammenhang zwischen Stückinhalt und Songtext auszumachen ist.
„Mit links bin ich Puppenspieler und mit rechts Musiker. Aber gehört das nicht alles zusammen.? Ich bin halt Spieler. Aber am liebsten wär' ich ein Rockstar. Aber wenn ich ein Rockstar wäre, würde ich die Theater und die vielen lustigen Vorstellungen vermissen.“ Und eigentlich hofft er auch, dass Kaeptn Karacho nicht entdeckt wird, denn „dann hätte ich keine Zeit mehr für Theater.“

Was sicher ein herber Verlust für die gesamte Figurentheater-Szene wäre. Und apropos Szene... „Ich fühl mich natürlich als Teil der Szene und finde auch alle Kollegen, die ich bis jetzt getroffen habe, total nett.“ Zu ehemaligen Studienkollegen gebe es wenig Kontakt, „aber wenn wir uns treffen, ist es sehr herzlich. Jeder macht so sein Ding. Wir respektieren unsere Arbeiten. Glaub' ich zumindest.“

Aber Wünsche zur Zusammenarbeit gibt es schon... Ein erklärter Favorit, weil Vorbild und „sein Held“, ist Helge Schneider. Weitere Vorbilder sind Heinz Erhardt, Ringelnatz, Loriot, Monthy Python und Johnny Knoxville von Jackass, bei denen gemeinsame Produktionen aus unterschiedlichen Gründen ebenso unwahrscheinlich, wenn nicht sogar unmöglich, sind.

Somit steht zunächst der feste Plan, weiterhin Musik zu machen, Theater zu spielen und für 2012 ein Solostück über den gestiefelten Kater als Abschluss der Märchen-Trilogie zu inszenieren, „danach hab' ich Lust, mal Theater wie Gyula Molnár es macht zu machen.“

Und sonst? Was wünscht sich Daniel Wagner für die Zukunft? Was sind seine Ziele?
„Gesund bleiben“. Das klingt bescheiden!
Und was möchte Daniel Wagner sonst noch so in einem Portrait über ihn lesen?
„Daniel Wagner, der berühmte Sohn der ältesten Menschen aller Zeiten, starb im Alter von 106 Jahren in seinem Haus auf Hawaii. An seinem Sterbebett waren seine Freunde, seine ganze Familie, seine beiden Schwestern und seine Eltern versammelt.“
Bescheiden? Vielleicht nicht. Aber authentisch.

Und so überrascht es nicht, dass sich Daniel Wagner am ehesten mit der Figur des tapferen Schneiderlein identifizieren kann. Warum?
„Weil er so gut gelaunt ist und am Ende eine Prinzessin und ein Königreich bekommt und trotzdem gut gelaunt bleibt. Vastehste?“

Kerstin Turley