Weiter!! Studiengang Figurentheater in Stuttgart

Die neue Leiterin des Studiengangs Figurentheater, Stephanie Rinke, stellt ihr Konzept vor

Am Studiengang Figurentheater der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart wurde, nach längerem Bangen um dessen Erhalt, zum 1. April 2011 die Leitungsprofessur neu besetzt: Berufen wurde Stephanie Rinke, Diplom-Figurenspielerin und Regisseurin, Absolventin des Stuttgarter Studiengangs und langjährige Dozentin am Haus.





Foto: Prof. Stephanie RInke
Stephanie Rinke wurde 1970 in Bremerhaven geboren, arbeitete eine Zeitlang beim Hannoveraner Figurentheater Marmelock und nahm 1992 das Figurentheater-Studium in Stuttgart auf, das sie mit der vielbeachteten, mehrfach ausgezeichneten Diplom-Inszenierung "Bossa Nova" abschloss. Sie arbeitet seit 1997 für Theater und Film (u.a. Stuttgarter Staatsoper, Puppentheater Meiningen, Puppentheater Dessau, KIKA-Kinderkanal von ARD und ZDF), gründete das Figurentheater PARADOX und produziert Inszenierungen für Kinder und Erwachsene, mit denen sie auf Gastspielreisen im In- und Ausland unterwegs ist. Zu ihren bekannten und teils preisgekrönten Stücken gehören unter anderem "Mrs. Ikarus - eine vertikale Reise", "Der Fischer und seine Frau", "Die Muschellauscherin" und "Odin" (Koproduktion mit Theater Fusion).
Stephanie Rinke folgt als Leiterin des vierjährigen Bachelor Studiengangs Figurentheater dem kürzlich emeritierten Professor Werner Knoedgen, der fast 30 Jahre als Hochschullehrer für Figurentheater und lange Jahre auch als Leiter des Studiengangs gewirkt hatte.

Die Puppenspielerin Melanie Sowa, seit 2010 Professorin an der Abteilung Puppenspielkunst der Berliner Schauspielschule"Ernst Busch", befragt die neue Inhaberin der Leitungsprofessur in Stuttgart zu ihren Plänen und Visionen.

Melanie Sowa: Zuerst einmal ganz herzliche Glückwünsche zu deiner Berufung als Leiterin des Studienganges "Figurentheater" in Stuttgart! Auch wir in Berlin sind froh, dass die Schließungspläne, die ja eine Weile kursierten, mit deiner Berufung vom Tisch sind. Denn das Stuttgarter Ausbildungskonzept war ja immer ein wenig anders als das Berliner und gerade aus dieser Differenz ist künstlerisches Kapital zu schlagen. Und du hast nun die Chance – aber auch die Bürde – diesen Studiengang weiter zu führen und weiter zu treiben. Was werden in Zukunft die Schwerpunkte der Ausbildung sein?

Stephanie Rinke: In erster Linie wollen wir hervorragende Figurenspieler ausbilden. Das heißt, zum einen Spieler, die sich in allen gängigen Figurenarten, sowohl traditioneller Form (z. B. Handpuppe, Marionette etc.), als auch moderner, experimenteller Darstellungsart der Theaterfigur im weitesten Sinne auskennen und sie zu beherrschen wissen. Ohne die spezifische Stuttgarter Ausrichtung  ̵̶  die Erarbeitung von „theaterfähigem Material“ (Rollenarbeit) ausgehend vom bildnerischen Gedanken  ̵̶   aufzugeben, werden wir das Bestehende erneuern und erweitern. Das heißt, es wird einige Innovationen geben, in Hinblick auf die Intensität des Grundstudiums zur Erarbeitung der spielerischen und gestalterischen Grundlagen, als auch hinsichtlich der Vielfalt möglicher künstlerischer Ausdrucksmittel im Theater und Filmbereich. Ausbilden werden wir die Bereiche Objekttheater, Puppenspiel, Materialtheater. Grundsätzlich sehe ich den Studiengang in der Verantwortung, den Studierenden eine Struktur vorzugeben, in der sie lernen, ihre in der Studienzeit erworbenen handwerklichen Fähigkeiten künstlerisch umzusetzen. Es ist mir wichtig, ihnen einen Weg aufzuzeigen, wie sie arbeiten können.

Wird es auch strukturelle Änderungen geben? Zum Beispiel im Verhältnis von Grund- und Hauptstudium?

Ja. Hier sei einmal kurz das künftige Studium umrissen: das erste Jahr beinhaltet das Grundstudium zu 100%. Das heißt, die Studenten erlernen die Grundlagen ihrer Theaterform in den Bereichen Körper und Bewegung, Spiel/Darstellung (Grundlagen der Animation), Stimme und Gesang, Bilden und Gestalten, Theorie und Dramaturgie. Die Studenten werden in kurzen Abständen das Erlernte in kleinen Werkstattaufführungen zeigen, damit sie von Beginn an an die Bühnensituation herangeführt werden. Im zweiten Jahr öffnet sich das Grundstudium dahingehend, dass erste Inszenierungsprojekte mit namhaften Künstlern aus der internationalen Figurentheaterszene stattfinden. Es gibt Projekte zu bestimmten Themenschwerpunkten wie z. B. Maskentheater, Straßentheater, Kindertheater, neue Medien etc.. Natürlich bleibt der Regelunterricht nach wie vor wichtiger Bestandteil. Im dritten Jahr beginnen dann die freien Projekte, das Umsetzen eigener künstlerischer Ideen in Vorbereitung auf den Bachelor. Dazu kommt die Teilnahme an Inszenierungen (hochschulintern oder extern an Theatern). Geplant sind z. B. mindestens einmal pro Jahr Aufführungen im hochschuleigenen „Wilhelma Theater“. Es beginnt die Profilbildung, z.B. in den Bereichen Regie, Figurenbau, Performance etc.. Das vierte Jahr ist dann ausschließlich dem Bachelor (Abschlussprüfung) vorbehalten.
Ein großer Wunsch von mir ist es, in der vorlesungsfreien Zeit eine „Sommerakademie“ an der Hochschule einzurichten, eine Art „experimentelles Laboratorium“ mit einem internationalen Gastdozenten, offen für alle Studenten und Dozenten der Hochschule, sowie professionelle Künstler.

Für welches Berufsbild soll in Stuttgart ausgebildet werden? Stehen eher freischaffende Künstler im Zentrum oder wird für Figurentheater-Ensembles ausgebildet? Ist eine Regie-Ausbildung geplant?

Regisseure ausbilden zu können, ist ein schon lang gehegter Traum (ich denke, nicht nur von mir.) Aber das ist leider noch Zukunftsmusik. Ich werde natürlich nichts unversucht lassen, dass man irgendwann in Stuttgart den Master in Regie erwerben kann. Noch beschränkt es sich auf die schon erwähnte Profilbildung für Regie. Da das Berufsbild des Figurenspielers sehr breit gefächert ist, ist es fast unmöglich alle „Kleinstbereiche“ mit der gleichen Intensität auszubilden. Natürlich werden wir auch verschiedene Spezialfälle in den Grundlagen ausbilden, wie z. B. Puppenspiel für die Kamera, oder performative Richtungen (um zwei Beispiele zu nennen). Wichtig aber ist, dass wir Spieler entlassen, die sich sowohl in einem Ensemble (Puppenspiel-, aber auch Schauspiel-Ensemble) behaupten können, als auch in der freien Szene. Das heißt, dass wir zum einen handwerklich hervorragende „Spezialisten“ ausbilden wollen, die sich spielerisch und künstlerisch in einem Ensemble einbringen können, zum anderen Künstlerpersönlichkeiten mit einer eigenen Vision. Ich freue mich sehr darüber, zu beobachten, dass auch immer mehr Abgänger versuchen, nicht als Solokünstler auf dem freien Markt unterwegs zu sein, sondern freie Ensembles zu gründen. Weiter so! Wir werden natürlich als Hochschule versuchen, ihnen den Weg dafür zu ebnen. Eine Idee dazu ist, eine Art Mentorenschaft für Abgänger nach dem Bachelor zu schaffen. Ein Jahr lang bekommen Absolventen einen Profi an die Hand, den sie mit allen Fragen, sowohl künstlerischer, als auch organisatorischer Art, behelligen dürfen. Es geht mir darum die Studenten bestmöglich vorzubereiten, damit sie sich in der bestehenden Theaterlandschaft kreativ entfalten, ökonomisch bestehen und erfolgreich arbeiten können.

Sind neue Fächer geplant? Neue Richtungen anvisiert? Und gibt es dafür neue Stellen?

Ich freue mich sehr darüber, mitteilen zu können, dass wir zwei halbe Professuren im Hauptfach Figurentheater dazu bekommen! Eine mit bildnerischem Schwerpunkt, die andere mit dem Schwerpunkt Bewegung. Die erste Stelle soll schon zum kommenden Wintersemester besetzt werden. Darüber hinaus wird es ab dem Wintersemester eine/n Atelierleiter/in geben. Mit diesen weiteren Professuren und einer festen Atelierleitung wird es möglich sein, die Struktur des Studiums deutlich zu verbessern. Dadurch ist eine Kontinuität in der Wiederholbarkeit des Erlernten endlich machbar.
Natürlich sind auch neue Fächer, bzw. der Ausbau schon bestehender Fächer geplant. Neu wird sein, dass es einen regelmäßigen Theorieunterricht geben wird, in dem Inszenierungen analysiert werden, aber auch ganz praktisches, wie z. B. „Antragslyrik“ behandelt wird. Dabei geht es nicht darum, Theaterwissenschaftler im Bereich Figurentheater auszubilden, sondern dieser Unterricht wird eng verknüpft sein mit den Fächern des Darstellenden Bereichs. Die Intention ist, bei den Studenten ein Bewusstsein für ihre Kunst zu schaffen. Ich möchte auch gern das Schauspiel für Figurentheater stärken. Wobei es wichtig ist, den Begriff „Schauspiel für Figurentheater“ richtig zu verstehen. Es geht mir nicht darum, dass die Studenten mehr Schauspielunterricht bekommen, sondern mehr Rollenarbeit für Figurenspieler, also: wie verstehe ich meine eigene Rolle als Figurenspieler im Dialog mit der Figur/Objekt/Material.
Geplant ist auch den Schwerpunkt Figurengestaltung auszubauen. Durch den Werkstatt- und Atelierleiter können die Studenten in Zukunft täglich beim Herstellen eigener Figuren beraten und unterstützt werden.
Darüber hinaus möchte ich die Vernetzung mit verschiedenen Hochschulen, Theatern und Vertretern der neuen Medien vorantreiben. Aber natürlich auch hochschulintern mit den anderen Abteilungen. Es wird eine engere Zusammenarbeit z.B. mit dem Studiengang Schauspiel geben.

Ich wünsche dir viel Kraft für deine Aufgabe und unseren beiden Studiengängen einen regen Austausch!!

Ich danke Dir. Und was den regen Austausch anbelangt, so startet ja bereits im Juni 2011 das erste hochschulübergreifende Inszenierungsprojekt, geleitet von Christian Carrignon, an der „Ernst Busch“, an dem auch zwei Studenten aus Stuttgart teilnehmen. Ich freu mich auf weitere Koproduktionen!
Last but not least möchte ich noch schnell erwähnen, dass unsere Bewerbungsfrist für das kommende Studienjahr abläuft. Der Countdown ist schon angezählt. Wer noch dieses Jahr bei uns studieren möchte, kann sich noch bis zum 30. April bewerben.

Bewerbungsunterlagen und Informationen unter www.mh-stuttgart.de  // weitere Informationen zum Studiengang unter www.die-wo-spielen.de

Stellenausschreibungen für den Studiengang Figurentheater unter www.mh-stuttgart.de/unsere-hochschule/offene-stellen