Ausbildung

Puppenspielkunst studieren in Berlin

Zum diplomierten Puppenspieler wird man in Deutschland entweder am Studiengang Figurentheater der Hochschule für Darstellende Kunst und Musik in Stuttgart oder an der Abteilung Puppenspielkunst der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin.

Prof. Markus Joss gibt im Gespräch mit Silvia Brendenal Auskunft über Möglichkeiten und Chancen eines Puppenspielstudiums in Berlin.
Silvia Brendenal: Die Abteilung Puppenspielkunst ist in Berlin an die Hochschule für Schauspielkunst angebunden. Das bedeutet sicher auch eine Verknüpfung von Studieninhalten und -formen?
Markus Joss: Der Studierende wird bei uns verstanden als ein auszubildender darstellender Künstler, erweitert um das künstlerische Ausdrucksmittel Puppe. Das Studium in der Abteilung Puppenspielkunst währt vier Jahre. Das Grundstudium wird charakterisiert durch wöchentlich wiederkehrende Unterrichte in Grundlagenfächern, das Hauptstudium ist eher projektorientiert. Wir versuchen immer zu starten mit einer ersten Begegnung, einer Einführungswoche, zwischen Regie- und Puppenspielstudierenden, natürlich mit dem Hintergedanken, dass daraus gemeinsame Projekte entstehen. Mit Grundlagen des Schauspiels beginnt dann das Studium. Das erste Studienjahr umfasst: Szenenstudium Schauspiel, Grundlagen der Animation, des Maskenspiels, danach erst schließt sich das an, was man als traditionelle Ausdrucksform bezeichnen könnte: die Handpuppe. Das zweite Jahr umfasst ein Szenenstudium Schauspiel, eines mit Marionetten und ein großes Zeitfenster, das den ersten freien Projekten vorbehalten ist. Und das letzte Szenenstudium findet dann zu Beginn des dritten Studienjahres statt und steht unter dem konzeptionellen Gedanken „Andere Formen“. Die Studierenden wählen hier die künstlerische Art und Weise, in der sie sich ausdrücken wollen. Daneben haben natürlich noch die kontinuierlich stattfindenden Fächer wie Sprechen, Gesang, Akrobatik, Pantomime, Puppentheatergeschichte, Zeichenlehre, Theorie der Puppenspielkunst etc. ihren Raum.

SB: Man sieht, der Studienplan ist in den ersten zwei Jahren unheimlich dicht, scheint geprägt von dem Gedanken einer wirklich umfassenden künstlerischen Ausbildung.
MJ: So ist es. Zudem gilt das Freie Projekt, welches das zweite Studienjahr abschließt, als Vordiplom, es wird auch entsprechend vorbereitet und begleitet – sowohl die Dramaturgie als auch die technische Realisierung betreffend. Und in die Planung fließen ziemlich oft auch strukturelle Überlegungen ein. So entstehen schon erste Koproduktionen mit festen Häusern, mit Studierenden der anderen Abteilungen bzw. anderer Hochschulen – beispielsweise der Kunsthochschule Weißensee. Die Studierenden sind zudem aufgerufen Markt- und Produktionsstrukturen für sich zu entdecken. Die Wenigsten von denen, die heute die Schule verlassen, gehen an ein Ensembletheater. Sie müssen sich auf dem freien Markt behaupten.
Die zwei Jahre Hauptstudium, die sich dann an das Grundstudium anschließen und in denen die Studenten die Möglichkeit haben,, sich künstlerisch zu profilieren, konzentrieren sich hauptsächlich auf Projekte: auf Studioinszenierungen, auf Projekte mit Gastdozenten, neuerdings auf das Drehen von Animationsfilmen. Wichtiger Unterrichtsblock ist im dritten Studienjahr noch die Gestaltungslehre. Darin geht es ums Zeichnen, Modellieren, ums künstlerisch-technische Handwerk – allerdings bilden wir keine Puppenbauer aus. Wir verfügen über eine Werkstatt mit entsprechendem Know-how und entsprechenden Lehrkräften, die begleiten und anleiten, aber Ausbildungsziel ist Puppenbau nicht.

SB: Ihr geht also davon aus, dass sich während des Studiums deutlich Begabungen und Talente herauskristallisieren?
MJ: Hier werden pro Studienjahr zehn bis elf Studenten ausgebildet, das heißt, wir sprechen wie bei allen anderen künstlerischen Ausbildungen auch von einer Eliteausbildung. Während des vierten Studienjahres spürt man, wie unterschiedlich sich die Studenten entwickelt haben. Da gibt es jene, die im Schoße der Hochschule verharren, andere wiederum sind schon mit eigenwilligen Inszenierungen in der Praxis unterwegs und kommen nur zurück, um noch das eine oder andere Studienfach abzuschließen. Letztlich haben das dritte und vierte Studienjahr sehr viel mit Eigeninitiative zu tun. Und verlassen wird die Hochschule mit einem Papier, auf dem als Profession zu lesen ist: „DiplompuppenspielerIn / Darstellende/r KünstlerIn“.

SB: Das ist eine gewichtige Berufsbezeichnung, sie impliziert letztlich den jahrelangen Kampf um die Anerkennung des Puppenspiels als darstellende Kunst.
MJ: Das ist ja das große Verdienst von Prof. Konstanza Kavrakova-Lorenz und Prof. Hartmut Lorenz, die nicht nur lange Zeit an unserer Abteilung lehrten, sie schufen auch die Grundlagen für die Ausbildung zum Puppenspieler an dieser Hochschule.
Konstanza Kavrakova-Lorenz schrieb in ihrer Definition unseres Lehrprogramms:

„Die innere Qualität der Animation wurzelt in der besonderen Aufmerksamkeit der Spielerpersönlichkeiten, mit der sie die Dingwelt, ihre Formen und ihre Botschaften wahrnehmen und für die Zuschauer übersetzen können. Für diejenigen, die diese innere Einstellung als Begabung im Keim besitzen, ist die ‚äußere Befähigung’ erlernbar. Das Studienprogramm und die Didaktik der Abteilung Puppenspielkunst ermöglichen während des vierjährigen Studiums eine kontinuierliche Entwicklung in dieser Richtung. Der Weg zur Herausbildung der ‚inneren Einstellung’ zur Dingwelt als unabdingbarem Material des eigenen Gestaltens ist sehr individuell und didaktisch nicht definierbar. Es ist der individuelle Weg eines jeden zu sich und zur Kunst.“


Kosten für die Aufnahmeprüfung 30,- Euro, Gebühren pro Semester: 231,68 Euro, für ausländische Bewerber ist ein Nachweis über die angemessene Beherrschung der deutschen Sprache erforderlich (z.B. über das Goethe-Institut), Bewerbungsfrist ist jeweils der 30.11. für das darauffolgende Wintersemester.