Subversives, poppig verpackt - half past selber schuld

von Andreas Meyer

 

Grelle Kostüme, Quietschgeräusche, knackige Songs, sprechende Ampeln oder Pflastersteine: die Welt des deutsch-israelischen Künstlerduos „half past selber schuld“ ist bunt – und auch ziemlich durchgeknallt.

 

Seit 1998 arbeiten die israelische Musikerin und Komponisten Ilanit Magarshak-Riegg und der deutsche Comiczeichner und Autor Sir ladybug beetle (bürgerlich: Frank Römmele) zusammen in Düsseldorf.

Aus ihren Performances, Zeichnungen und Hörspielen entwickelten sie schließlich ihre ganz eigene Theatergattung: den „Bühnencomic“, die sie seit 2002 mit und im Forum Freies Theater produzieren. „Die Weltmenschen erobern die Welt“ heißt die jüngste dieser Produktionen, und die kombiniert Puppenspiel und Musikrevue ...

Im Zentrum steht Hänsel, „der kleine Mann“, der so gern die Welt verändern möchte, aber dafür doch ein bisschen zu bequem ist und sich vom „Kapitalismus“, dem sogenannten Meister Metzger, nur allzu schnell in Schach halten lässt. Um die beiden gruppieren sich die „Dritte Welt“ in Form eines sprechenden Schweinekopfs, die anonyme Masse namens Gretel und ein radelndes Totenkopfmännchen, das den Conférencier gibt.

 

Ausgerechnet der „Kapitalismus“ ist in der rasanten Satire der einzige „echte“ Schauspieler, freilich einer mit grellgelber Comic-Betonfrisur. Hänsel sitzt bereits als eine verblüffende Mischung aus Mensch und feister Puppe in einem leise und melancholisch vor sich hin quietschenden Käfig. Die restlichen Charaktere und Gegenstände kommen als detailverliebt gestaltete Puppen daher, die von schwarz gekleideten Schauspielern derart verblüffend zum Leben erweckt werden, dass man die Schauspieler schon nach kurzer Zeit nicht mehr wahrnimmt. Da wären die beiden fliegenden Demo-Pflastersteine etwa, der eine frohgelaunt – „Yeah, Rock’nRoll!“ –, der andere griesgrämig mit Merkel-Mundwinkeln, der seinen munteren Kollegen über die Ernsthaftigkeit ihrer Aufgabe informiert. Oder die langbeinige Gretel mit ihrem Minikopf, die sich lieber ein IPhone als ein Buch in ihren Einkaufswagen stopft.

 

Das Puppenspiel, die Interaktion von Puppe und Mensch geraten bei „Half past selber schuld“ so faszinierend spielerisch und leicht, dass man die Texte schnell überhört. Ein Fehler! Denn die sind bissig, lustig, böse – und stehen oft in denkbar krassem wie reizvollem Kontrast zu den bisweilen niedlichen Puppen.

 

Diese Mischung ist einzigartig, außergewöhnlich und preisverdächtig. 2007 erhielt das Duo „half past selber schuld“ den Förderpreis für darstellende Kunst der Landeshauptstadt Düsseldorf und 2013 den George Tabori Förderpreis. Die Bühnencomics für Erwachsene sind zwar das Aushängeschild, aber längst nicht die einzige Darstellungsform von „half past selber schuld“. Ihr facettenreicher Kosmos besteht aus Hörspielen, einer „Glamour-Game-Show“ mit Publikumsbeteiligung, Kindertheaterstücken, Videoclips und inzwischen auch einem eigenen Album („Kinderlieder für Erwachsene“, 2012). Wer das Ensemble nicht live erleben kann, für den verbreiten Ilanit Magarshak-Riegg und Sir ladybug beetle Kostproben und Clips auch auf Youtube, Facebook und der hauseigenen Homepage.

 

„Weißt du schon, morgen ist nämlich Revolution. Wir brauchen alle dazu, bitte komm dann auch du, schubiduuu“, singen die Weltmenschen am Ende und schlenkern lässig mit Holzbein, Käfig, Schweineohr und Wurstpelle. Die Shows von „half past selber schuld“ sind ein runder Spaß für alle, die das Kind in sich noch nicht verloren haben. Das Duo steht für die Lust, subversive Botschaften in poppige Songs und raffiniertes Puppenspiel skurril zu verpacken. Vielleicht bleiben sie gerade deshalb so lange im Gedächtnis haften.

Infos:

www.halfpastselberschuld.de

www.youtube.com/user/halfpastselberschuld