Fritz Wortelmann-Puppensammlung

Fritz-Wortelmann-Puppensammlung

Der Theaterwissenschaftler und Verleger Fritz Wortelmann (1902-1976) setzte sich sein Leben lang für die Belange des Figurentheaters in Deutschland ein.

Mit dem Ziel der Dokumentation und Verbreitung sammelte er u.a. Theaterfiguren aus aller Welt. Dabei halfen ihm vermutlich die vielen Kontakte zu Puppenspieler*innen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen während seiner langjährigen Arbeit. Denn eines der Ziele des von ihm gegründeten Deutschen Instituts für Puppenspiel (DIP) war das Sammeln und Ausstellen von Theaterfiguren, „um auf diesem Wege Kenntnis über das Puppenspiel zu verbreiten und ganz allgemein für den Gedanken des Puppenspiels zu werben.“ (Wortelmann im Entwurf des Instituts, ca. 1948)

Die Sammlung vergrößerte sich seit der Eröffnung des Deutschen Forums für Figurentheater und Puppenspielkunst als Nachfolgeorganisation des DIP um Ankäufe und Bestände privater Sammler*innen.

So entstand die Fritz-Wortelmann-Puppensammlung, deren wunderbare Vielfalt wir im imaginären Museum Puppets 4.0 und hier durch eine exemplarische Auswahl präsentieren möchten.

 

Fotografien: Simon Baucks

Vom Aussterben bedroht - Marionette aus (ehemals) Burma

In der Fritz Wortelmann Sammlung befindet sich der "grüne Dämon", eine burmesische Marionette. Sie ist ein Zeugnis einer leider vom Aussterben bedrohten Figurentheaterform. Die Figur ist Teil von Puppets 4.0 - Ein imaginäres Museum, um mehr zu erfahren besuchen Sie unser Museum! Informationen sind hier zu finden.

Yoke thé bezeichnet das traditionelle Marionettentheater in Myanmar bzw. Burma. Es ist das einzige Marionettentheater Südostasiens und wurde vor der Kolonialzeit vom Königshaus gefördert. Seine Wurzeln gehen bis ins 15. Jahrhundert zurück. Der Hauptzweck des Yoke thé-Theaters bestand in der Vermittlung buddhistischer Ethik an ein erwachsenes Publikum. Dabei wurde das Marionettentheater für lange Zeit besonders hoch angesehen, da die Marionetten im Gegensatz zu Menschen Götter verkörpern konnten, ohne dem Vorwurf der Blasphemie ausgesetzt zu werden.

Begleitet wurden die Aufführungen des Yoke thé-Theaters von einem hsaing-waing-Orchester.  Die aufgeführten Stücke bestanden aus zwei voneinander unabhängigen Teilen. Im ersten Teil wird die mehrmalige Wiedererrichtung und Zerstörung der Welt durch Musik vermittelt, anschließend wird mit einer Palastszene die Einführung der Monarchie symbolisiert. Im Zweiten Teil treten Prinz Mintah und Prinzessin Minthami auf. Die erste Hälfte ist für die gesamte Familie geeignet, während die zweite Hälfte ausschließlich erwachsenen Zuschauern vorbehalten ist. Wichtig war auch, dass der Held bzw. die Heldin niemals sterben durfte, ansonsten mussten die Truppen um ihre Gage bangen. Der Tod der Hauptperson wurde nur akzeptiert, wenn diese hinterher wieder auferstand.

Ein Marionettenensemble besteht aus 28 Figuren, darunter tierische, menschliche und mythologische Figuren. Die Stücke basieren auf buddhistischen Legenden und Volkssagen, welche vom Aufeinandertreffen eines Heldenpaares und Waldgeistern sowie Wildtieren erzählen. Seit dem 19. Jahrhundert trägt das Heldenpaar die Namen des Prinzen Mintah und der Prinzessin Minthami. Die menschlichen Figuren werden beim Spiel durch 18 Fäden bewegt, allerdings variiert die Anzahl der Fäden, je nach Figur und Herstellungszeitraum. Eine Theatergruppe besteht aus einem Spielleiter, drei Sänger*innen bzw. Sprecher*innen und sieben Puppenspieler*innen, von denen zwei für die Hauptcharaktere verantwortlich sind und der Rest die übrigen Figuren spielt. Je nach Stück wurden mehr Spieler*innen hinzugefügt. Bis ins 20. Jahrhundert wurden Frauenrollen von Männern gespielt. Das Marionettenspiel war den Männern vorbehalten. 

Puppenspieltruppen wurden in ein System von sechs Rangstufen eingegliedert. An der Spitze aller Ensembles stand die maha-sin-da-gyi („große Königliche Bühne“). Sie genoss das meiste Ansehen, durfte in ausgewählten Teilen des Palastes wohnen und in einem mit Gold verzierten Pavillon auftreten. Darunter standen die sin-daw-law („königliche mittlere Bühne“) und das tha-mi-daw-mya-sin („Puppentheater der Prinzessinnen“). Beide Ränge verschwanden mit der Zeit vom burmesischen Königshof. Weiterhin gab es das sin-daw-galay („königliche Jugendbühne“), welches vor allem für die Kinder und Senioren des Hofes auftrat. Für offizielle Mitarbeiter des Hofes gab es die win-sin („Gemischte Bühne“) und die letzte Stufe bildeten die ah-yat-sin, die Wanderpuppenspieler. Das ganze System starb 1885 mit dem Ende der Monarchie aus.

Nachdem Burma die Unabhängigkeit erreicht hatte und zu Myanmar wurde, starb das Marionettentheater langsam aus, da die Truppen sich durch den Konkurrenzkampf nach Wegfall der königlichen Unterstützung gegenseitig schadeten. Erst in den 1980er Jahren begann man wieder damit, die alten Traditionen aufzuarbeiten. Heute besteht das burmesische Marionettentheater vornehmlich aus für Touristen aufgeführte und an diese angepasste Stücke. Der Einsatz und Initiativen für das burmesische Marionettentheater sind sehr gefragt, um das Aussterben dieser wundervollen Gattung, bei der Marionettenspiel mit Tanz zu einem interdisziplinären Spektakel verschmilzt, zu verhindern.

 

 

Victoria Wehrmann 

 

 

Quellen:

Axel Bruns: Burmesische Marionettenkunst. Entwicklung und soziale Funktion des Marionettentheaters unter besonderer Berücksichtigung der letzten zweihundert Jahre, Frankfurt am Main 2006. 

Dominik Müller: "Cultural Politics of National Identity and Impacts of Tourism in Contemporary Myanmar – The Case of yokthe Puppet Theater“, 2007, unter: https://pdfhall.com/ip-seas-page-de-test_5b6c8d96097c4785628b45ed.html (Letzter Zugriff: 05.05.2019).

Ni Ni Yin Pleyer: „Das birmanische Marionettentheater“, in: About Africa & the Rest of the World, 24.11.2011, unter: https://www.about-africa.de/kunst-und-kontext/ausgabe-02-2011/300-birmanisches-marionettentheater (letzter Zugriff: 11.03.2019).

Kimberley Pallenschat: „Myanmars Marionetten im Wandel. Ein Kaleidoskop aus Puppen und Figuren“, Goethe Institut Myanmar, Januar 2018, unter: https://www.goethe.de/ins/mm/de/kul/mag/21146636.html (letzter Zugriff: 11.03.2019).

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