Fritz Wortelmann-Puppensammlung

Fritz-Wortelmann-Puppensammlung

Der Theaterwissenschaftler und Verleger Fritz Wortelmann (1902-1976) setzte sich sein Leben lang für die Belange des Figurentheaters in Deutschland ein.

Mit dem Ziel der Dokumentation und Verbreitung sammelte er u.a. Theaterfiguren aus aller Welt. Dabei halfen ihm vermutlich die vielen Kontakte zu Puppenspieler*innen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen während seiner langjährigen Arbeit. Denn eines der Ziele des von ihm gegründeten Deutschen Instituts für Puppenspiel (DIP) war das Sammeln und Ausstellen von Theaterfiguren, „um auf diesem Wege Kenntnis über das Puppenspiel zu verbreiten und ganz allgemein für den Gedanken des Puppenspiels zu werben.“ (Wortelmann im Entwurf des Instituts, ca. 1948)

Die Sammlung vergrößerte sich seit der Eröffnung des Deutschen Forums für Figurentheater und Puppenspielkunst als Nachfolgeorganisation des DIP um Ankäufe und Bestände privater Sammler*innen.

So entstand die Fritz-Wortelmann-Puppensammlung, deren wunderbare Vielfalt wir im imaginären Museum Puppets 4.0 und hier durch eine exemplarische Auswahl präsentieren möchten.

 

Fotografien: Simon Baucks

Punch: Der englische Rüpel

In der Sammlung Fritz Wortelmanns befindet sich eine klassische komische Figur: ein englischer Punch, leider ohne seinen "Stick". Die Figur ist Teil von Puppets 4.0 - Ein imaginäres Museum, um mehr zu erfahren besuchen Sie unser Museum! Informationen sind hier zu finden.

Der Punch ist die Hauptfigur des englischen Handpuppentheaters Punch & Judy. Er ist eng verwandt mit dem deutschen Kasper und zeichnet sich ebenfalls durch seine Komik und seine Gewaltbereitschaft aus. Ingrid Ramm-Bonwitt schreibt in ihrer Untersuchung zu komischen Figuren hierzu: „Bei den Handpuppenspielen, die von dem typischen englischen Humor geprägt sind, handelt es sich um aneinandergereihte Szenen, die den Wüterich stets in Konflikt mit seinen Gegnern zeigt. In diesen Szenen schlägt Punch so lange auf seine Widersacher ein, bis sie alle tot umfallen.“[1]. Die Hauptcharaktere Punch und Judy kommen in jeder Aufführung vor, je nach Geschichte werden sie um weitere Figuren ergänzt. Wie auch beim deutschen Kasper gesellen sich zu Punch und Judy oft das Gespenst, der Polizist, das Baby, der Doktor sowie der Hund Toby. Punch und Judy sind in Großbritannien eng mit der nationalen Kultur und den Jahrmärkten in den Seebädern der Küsten verbunden, wo ihre Karriere begann: Schon 1662 wurde der italienische Pulcinella in England eingeführt, dessen Name im Laufe seiner Zeit zu Punchinello und später zu Punch angepasst wurde. In seinen Anfängen war die Punch-Figur noch in klassischer Marionettenform. Nach und nach etablierten sich Punch, Kasper und ihre Verwandten im 19. Jahrhundert in der uns bis  heute vertrauten Form: als Handpuppen in kleinen, fahrenden Bühnen.

Übrigens sind Punch & Judy Komödien Grundlage und Inspirationsquelle des „Slapstick“. Slapstick-Komödien sind schon seit Stummfilmzeiten den wichtigsten Komödiengattungen zuzuordnen. Kurze Szenen von Verfolgungsjagden, Prügeleien, Tortenschlachten etc. lösen durch körperbezogene, wortlose Darstellung jede Ordnung auf. Sie nehmen dadurch starke anarchistische Züge an.  Schließlich ist wichtigstes Merkmal eines jeden Punch sein „Stick“, also sein Prügel, der lautes aber nicht sehr schmerzhaftes Knallen verursacht und viele komische Szenen hervorgebracht hat, die in den Film adaptiert wurden. Von der Puppenbühne in den Film steht Punches Stick für einen medialen Wandel der komischen Figur. Für diesen Wandel lassen sich vielfältige Indizien finden, eine dezidierte Erforschung des Phänomens steht jedoch noch aus.

 

Victoria Wehrmann und Mareike Gaubitz

 

 

Quellen:

Ingrid Ramm-Bonwitt: Possenreißer im Puppentheater. Die Tradition der komischen Theaterfiguren, Frankfurt a.M. 1999.

Edie Kraska: Toys and Tales from Grandmother’s Attic. A Workbook and history of fifteen folk-art toys, crafts, plays and the stories from the Collection of the Boston Children’s Museum, Massachusetts 1979.

 

 

[1] Ingrid Ramm-Bonwitt, Possenreißer im Puppentheater. Die Tradition der komischen Theaterfiguren, Frankfurt a.M. 1999. S. 107.