Die aktuelle Kritik

Anhaltisches Theater Dessau: "Der gestiefelte Kater"

Von Jessica Hölzl

Eine bekannte Geschichte im Zirkusgewand.

Wie ein fröhlicher Rummelplatz wirkt die Puppenbühne des Anhaltischen Theaters Dessau an diesem sonnigen Sonntagnachmittag. In der Mitte der Bühne eine riesige bunte Drehscheibe, darüber Lichterketten, im Eck hängt ein Lampion, breit lächelt das Mondgesicht. Farbiges Licht tanzt über die mit weißen Vorhängen bespannten Wände, turbulente Musik setzt ein und ein winziges Männchen saust über das von rechts nach links gespannte Seil. Es verschwindet im Off und mit lautem Getös treten zwei Zirkusakteurinnen (Maria Dietze und Uta Krieg) mit Zylinder und Frack auf. Mit großen Gesten und geheimnisvollen Mienen laden sie zur heutigen Vorstellung ein, versprechen nie dagewesene Spannung, ungeheuerliche Ereignisse und eine ganz besondere Show.

Unter Applaus entschwinden die beiden, um im nächsten Moment als Spielerinnen am Hals geführter und mittels Bohrungen auf die Drehscheibe aufsteckbarer Stabpuppen wiederzukehren. Die einfache Konstruktion der Puppen bedingt eine interessante Spielweise, bilden sich nämlich zwischen Puppe und Spielerin immer wieder Schnittstellen aus, wenn die menschlichen Hände als Teil des Puppenkörpers gestikulieren. Dem kleinen Heini, eine Lumpenpuppe mit strubbeligem Flauschhaar und freundlichen Augen, bleibt nach dem Tode des Vaters nichts als der Kater, während seine garstigen Brüder, grobe gesichtslose Pappfiguren, Mühle und Pferd erben, doch für ihn nur hämisches Gelächter übrig haben – was nun? Die bekannte Geschichte nimmt ihren Lauf, der außergewöhnliche Kater kann sprechen, erhält seine Stiefel und verwandelt den armen Müllersohn mit List und Tücke zum wohlhabenden Grafen, der am Ende gar die Prinzessin heiratet.

Der besondere Kniff dieser Fassung ist die artistische Kontextualisierung der Handlung. So ist die Prinzessin Seiltänzerin im königlichen Zirkus, dem Heini nur zu gern beitreten würde. Anstelle der bekannten Behauptung, von Räubern überfallen worden zu sein, um die ärmlichen Kleider vor dem König zu verbergen, wird sein Aufenthalt im See – ein großes blaues Tuch über der Drehscheibe, dessen Wellen am Ende sogar durch eine Klappe verschwinden können, als der König den Stöpsel zieht – mit einem Fall vom Trapez begründet. Die regelmäßige Unterbrechung der Handlung durch wiederkehrende Musik und Einschübe der Zirkusdirektorinnen, welche den Schuhverkäufer anpreisen, des Königs Appetit auf Rebhühner verkünden oder eine besonders spannende Episode einleiten, sind zum Teil gelungene Wechsel der Erzählform und Adressierung des kleinen Publikums. So wäre die wirklich beeindruckende Szene im Zaubererschloss ohne entsprechende Rahmung möglicherweise nicht nur für die Allerkleinsten vor Aufregung kaum auszuhalten gewesen. Düsteres kaltes Licht überzieht das bislang so fröhliche Geschehen. Die hinteren Bühnenvorhänge heben sich und geben den Blick auf ein schwarzes Loch frei, in dem zwei glühend rote Scheinwerfer als drohendes Augenpaar über einem mit zackigen Zähnen besetzten Hula-Hoop-Maul thronen. Mit verzerrt hallender Stimme, Blitz und Donner verwandelt sich der gefährliche, aber in seiner Eitelkeit leicht zu täuschende Zauberer in Tiger und Elefant, welche als Schattenbilder auf die Bühnenrückwand projiziert werden, um zuletzt als winzige Maus nach wilder Hetzjagd über die Drehscheibe vom klugen Kater verspeist zu werden.

An manchen Stellen schien es wiederum ein wenig schade, Teile des Grimm‘sche Märchenklassikers zugunsten der zusätzlichen Rahmung unerzählt zu lassen. So wurden die roten Stiefel gebührlich präsentiert und die Wandlung vom Haustier zum Gestiefelten Kater durch einen gelungenen Wechsel von kleiner Handpuppe zur stattlichen Gliederpuppe aus Plüsch mit grün leuchtenden Augen trefflich zelebriert, doch fragt man sich, wie der arme Heini die teure Forderung seines Katers so schnell erfüllen konnte – sagte er doch soeben noch, er habe kein Geld.

Andernorts sorgte der kluge Einsatz von Licht und spielerischem Geschick für eine kindgerechte Raffung der Handlung, wenn beispielsweise die Ausfahrt des Königs nacheinander in gelbes, hell- und tannengrünes Licht getaucht wird, um Korn, Weiden und Wald des vermeintlich so reichen Grafen darzustellen. Ebenso gelang die Ansprache der Kinder als Zirkusdirektorin, um ihnen die richtige Antwort auf die königlichen Nachfragen einzubläuen, gar so gut, dass das aufgeregte Publikum sich vor Auskunftsfreude kaum noch halten konnte, was seitens der Spielerinnen geschickt und liebevoll in das Spielgeschehen eingebaut wurde.

Gekrönt wird die Theatervorstellung auf Zirkusart von einem zauberhaften Happy End, zu dem noch einmal alle Figuren auf die Drehscheibe gesteckt und unter leitmotivischer Musik und begeistertem Applaus im Kreis gewirbelt werden.

 

Inszenierung: Helmut Parthier

Textfassung: Uta Krieg

Ausstattung: Moritz Nitsche

Dramaturgie: Almut Fischer

Spiel: Maria Dietze, Uta Krieg

 

Premiere am 16.09.2018 | 15h | Altes Theater Puppenpühne | Anhaltisches Theater Dessau

Foto: Anna Kolata

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