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Theater Erfurt, Theater Waidspeicher Erfurt, Tanztheater Erfurt, Ulrike Quade Company Amsterdam: "The Fairy Queen – Ein Sommernachtstraum"

Von Michael Plote

Heimliche Stars und verführte Verführer.

Die Handwerker schleichen von hinten auf die weite, noch kahle Bühne. Das sind dunkle Gestalten. Die sechs Totengräber führen Gerippe wie Puppen. Sie sollen am Hof von Athen ein Schauspiel geben.

Henry Purcells Semi-Opera „THE FAIRY QUEEN - Ein Sommernachtstraum“ adaptiert Shakespeares Schauspiel. Die Inszenierung von Ulrike Quade auf der großen Bühne des Theaters Erfurt, im Kern ein Opernhaus, bedient sich im Prolog bei „Hamlet“. Sterben beendet Leben, schwebt über diesem großartigen, emotionalen, kunterbunten Theaterabend. Purcell und das Inszenierungsteam erzählen eine Geschichte über das Träumen im Leben, über das Leben als Traum.

Regisseurin Ulrike Quade sucht immer wieder große künstlerische Herausforderungen. Sie inszeniert Purcells „Fairy Queen“ als schlüssiges Gesamtkunstwerk aus Gesang, Tanz, Puppen- und Schauspiel, mit Orchester und Chor auf der weitläufigen Theaterbühne. Sie schafft es sehr überzeugend, ein zahlenmäßig großes Ensemble unterschiedlicher Künstler und Künste zusammenzuführen: sieben Gesangssolisten und Schauspieler, sechs Puppen- und Schauspieler, 12 Tänzerinnen und Tänzer, einen großen Opernchor und das auf ein Barockensemble fokussierte Philharmonische Orchester Erfurt unter Leitung des Ersten Kapellmeisters Samul Bächli .

Ulrike Quade interpretiert die Geschichte als die von starken Frauen mit großen Gefühlen. Sie stiftet mit ihrem Hausdramaturgen Thomas Lamers noch mehr Verwirrung, als bei Shakespeare und Purcell ohnehin schon angelegt ist. Bühnenbildner Marc Warning kreiert skulpturale Kunstwerke und einen quietschbunten Zauberwald mit abgehängtem Wohlstandsmüll. Kostümbildnerin Carly Everaert steckt die Protagonisten in edle Anzüge und Kleider, in schwarzes Tuch, in flirrende, zauberhafte Kostüme und Masken.

Zwei besondere Puppen übernehmen temporär Hauptrollen, die in der opulenten Inszenierung aufleuchten und untergehen. Der indische Junge ist das Subjekt der Begierde von Feenkönig Oberon und Feenkönigin Titania. Wer bekommt ihn? Die Knabenpuppe, wie auch die zweite, die Titania-Puppe, sind wie japanische Bunraku-Puppen konstruiert. Watanabe Kazunori hat das komplizierte Innenleben geschaffen. Die fast lebensgroßen Puppen sind sehr beweglich. Der Knabe strahlt im Gesicht und mit seinen Bewegungen eine fast menschlich wirkende Anmut aus. Da gibt es eine Szene, da necken und spielen Oberon und der Junge miteinander. Steht der Feenkönig etwa auf das Kind? Sind das nur eine Assoziation, ein Traum?

Titania verwandelt sich in eine Puppe in der berühmten Nacht, nachdem sie den Zaubersaft trinkt und träumt, halluziniert und verführt wird. Die Szene verstört. Puck ist ein hybrides Wesen. Der Totengräber und Esel führt ein orgiastisches Liebespiel mit der Puppe Titania auf. Oder vergewaltigt er sie? Drei Puppenspieler des Theaters Waidspeicher führen immer eine der beiden Puppen, hier Titania, die im Traum tanzt, lacht und stöhnt vor Liebestollheit. Der indische Junge und Titania sind die heimlichen Stars der Inszenierung, die verführten Verführer. Sie werden filigran geführt von den Puppenspielern des Theaters Waidspeicher Kathrin Blüchert, Karoline Vogel und Tomas Mielentz (indischer Junge) sowie Steffi König, Martin Vogel und Paul Günther. Sie spielen auch die Totengräber.

Die Premiere von „Fairy Queen“ im mit 850 Besuchern ausverkauften Theater Erfurt ist ein nachdenkliches, buntes, hinreißendes Spektakel. Das ist ein Macht-, Traum-, Liebes- und Verwirrspiel mit großartigen Gesangsolisten und Chor, mit Tänzern, Puppen- und Schauspielern sowie einem bestens aufgelegten Orchester. Beim verdienten Schlussapplaus für das große Ensemble fehlten nur der indische Junge und Titania, die Puppen.

 

Premiere am 18. Mai 2019 im Theater Erfurt, Großes Haus

Nächste Vorstellungen: 25.05. | 05.06. | 08.06. | 10.06. | 14.06. | 16.06.2019

www.theater-erfurt.de

Szenenfotos: Lutz Edelhoff

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