Die aktuelle Kritik

Ambrella Figurentheater & Theatrium Steinau : „Oskar und die Dame in Rosa“

Von Falk Schreiber

Ein Dialog zwischen Vorder- und Hinterbühne, zwischen Animation und Puppenspiel: Renat Saffiullin entdeckt mit „Oskar und die Dame in Rosa“ am Hamburger Fundus Theater vielschichtige Figuren hinter den Konvention.

Der Einstieg ist filmisch. Pianoklänge perlen, auf der Leinwand erscheint der Schriftzug „Oskar und die Dame in Rosa“, Blätter fallen – ein Vorspann. Bis die Leinwand durch ein ausgeklügeltes Lichtkonzept durchscheinend wird und im Hintergrund eine Puppe erscheint. So entwickelt sich für kurze Zeit ein reizvoller Dialog zwischen Vorder- und Hinterbühne, zwischen Omani Freis Animationen und Detlef Heinichens Puppenspiel. Die gezeichneten Blätter verwandeln sich, von der Decke flattert echtes Papier und wird von der Puppe gefangen: ein Brief.

Eric-Emmanuel Schmitts 2002 erschienene Erzählung „Oskar und die Dame in Rosa“ wird immer wieder als Figurentheater adaptiert, in jüngerer Zeit unter anderem vom Theatrium Bremen und vom Theater Koblenz. Die von Renat Safiullin inszenierte Koproduktion vom Hamburger Ambrella Figurentheater und vom Theatrium Steinau am Hamburger Fundus Theater kann entsprechend schon auf eine gewisse Tradition zurückblicken – und Safiullin entscheidet sich erstmal dafür, den schwer erträglichen Stoff in eine gewisse ästhetische Sanftheit zu verpacken. Titelfigur Oskar nämlich hat Krebs im Endstadium, die Eltern sind verzweifelt, die Ärzte hilflos, und die ihn regelmäßig besuchende „Dame in Rosa“ weiß auch nicht weiter, als dem Jungen zu raten, die verbleibende Zeit möglichst intensiv zu nutzen und ansonsten Briefe an Gott zu schreiben. Ein Kind stirbt, das ist harter Tobak, der durch die wenig verstörende Einrichtung wenn auch nicht erträglich so doch zumindest verstehbar gemacht wird.

Das bedeutet, dass die Inszenierung sehr rund daherkommt: Alles bleibt hier im Rahmen des Puppentheater-Mainstreams, alles ist auserzählt, für die Phantasie des Publikums ist wenig Platz. Dem arbeiten auch Pauline Spätes Puppen zu: ungefähr halb lebensgroße, realistisch gestaltete Figuren, deren detailgetreu ausgestattete Gesichter wenig eigene Mimik erlauben, bei denen allerdings die Hände fehlen und durch die Hände der Spieler ersetzt werden. Der Effekt ist faszinierend: Reden können diese Puppen nicht, da die Münder unbeweglich bleiben, dafür reden sie mit den Händen. Die Figuren können gestikulieren, sie können greifen, sie sind deutlich beweglicher als die meisten Theaterpuppen. Was auch dem realistischen Anspruch der Inszenierung entspricht: Auf der Bühne stehen keine Puppen, auf der Bühne stehen Figuren, die eine bedrückende Geschichte lebensfroh gestalten.

Nicht alles an dieser Gestaltung ist gelungen: Der religiöse Subtext von Schmitts Vorlage irritiert den glaubensfernen Zuschauer. Und dass Heike Klockmeier und Detlef Heinichen die traurige Geschichte immer wieder mit krachledernem Humor aufladen, macht den Stoff zwar auch für ein jugendliches Publikum zugänglich (im Programm des Fundus Theaters wird die Zielgruppe mit zwölf Jahren und älter angegeben), sorgt allerdings für eine gewisse Trivialisierung. Oskars Mitpatient Popcorn etwa ist auch in der Vorlage ein fettleibiger Grobian; dass er allerdings in Heinichens Spiel zum rülpsenden, nasepopelnden Vielfraß wird, tut dem Stück nicht nur gut. Schön hingegen, wie Heinichen die „Dame in Rosa“ zeigt: Als sanfte Ironikerin, deren angebliche Vergangenheit als Profi-Catcherin schon durch die dünne, fragile Puppe in Frage gestellt wird, die aber gleichzeitig alle Verkehrsregeln missachtend Auto fährt (was Gelegenheit zu einer mitreißenden Comic-Autofahrt in Freis Animationsfilm bietet und so wieder eine Überblendung der Bühnenästhetiken zur Folge hat).

Spätestens aber als die Fahrt unterbrochen wird, um ein kleines Kätzchen über die Straße zu lassen, wird klar, dass dieses Theater mehr zu bieten hat als Religionskitsch und derbe Witze. Nämlich: Figuren, die weit vielschichtiger sind als man es angesichts des doch recht konventionellen Puppenspiels erwarten würde.

 

Oskar und die Dame in Rosa
nach Eric-Emmanuel Schmitt

Foto: Omani Frei

Regie: Renat Safiullin
Spiel: Heike Klockmeier, Detlef Heinichen
Figuren: Pauline Späte
Trick, Animation: Omani Frei
Bühne, Kostüme: Ella Späte

www.ambrella.de
www.theatrium-steinau.de

www.fundus-theater.de

 

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