Die aktuelle Kritik

Theater Salz+Pfeffer: „Rita und die Zärtlichkeit der Planierraupe“

von Ulrike Marski

Ein Vergnügen für alle Freunde des Präzisionsplanierens und andere Zuschauergruppen, ausgeführt mit vielen Mitteln der Figurentheaterkunst.

Wer erwartet, dass irgendwo auf der Bühne eine zärtliche Planierraupe herumsteht, wird vorübergehend enttäuscht: Ganz nüchtern befinden sich dort eine Art Film- oder Fotostudio und in der Mitte ein schwarz verhängter Puppentheaterguckkasten (Bühne und Kostüme: Eva Adler). Schnell zeigt sich, dass hier ein kleines Fernsehteam (Marie Kropf, Wally Schmidt, Paul Schmidt), unterstützt von einem Akkordeonisten (für jede Stimmung der richtige Ton: Daniel Zacher) für das Format „Eure Geschichte – Unsere Show“ ein Ereignis aus Ratziesreuth aufzeichnen will. Nachgespielt werden soll es von den dörflichen Protagonist*innen (hübsch treffende Figuren von Marita Bachmaier).

Zugetragen hat sich – so oder ähnlich – offenbar folgendes: Ein begnadeter Planierraupenfahrer aus dem deutschen Süden ist entschlossen, gegen den Willen seines Arbeitgebers an der Deutschen Meisterschaft im Präzisionsplanieren an der Ostsee teilzunehmen. Dazu macht er sich nächtens und heimlich mit seiner Lieblingsplanierraupe auf den Weg. Da sein Chef, der Kiesgrubenbesitzer, mittlerweile Insolvenz anmelden musste, wird die Raupe als Teil der Konkursmasse in Ratziesreuth gebraucht. Deshalb schickt man die weltläufige Disponentin der Firma - gleichzeitig Geliebte des Arbeitgebers – der Planierraupe hinterher, um sie zurückzubeordern. Die jedoch findet allmählich Gefallen an Raupe und Fahrer…  Über das Weitere sind sich Fernsehteam und die Puppendarsteller, die ja dabei gewesen sind,  nicht ganz einig. Die Folge dieser Ausgabe von „Eure Geschichte – Unsere Show“ endet jedenfalls happy.

Ausgedacht hat sich diese kuriose Geschichte der Schauspieler und Kabarettist Jockel Tschiersch. Sie ist eine dörfliche Milieustudie einschließlich Dorfdepp, Jungenstreichen, Provinzunternehmer, Firmenfest, Ehekrise und Büroliebschaft. Doch besonderen Witz entwickelt sie durch den Trick, den Regisseurin Eva Kaufmann hinzugefügt hat. Durch die Rahmenhandlung des Seriendrehs eröffnet sie einerseits den durchaus widerspenstigen Puppen großartige Spielräume. Andererseits kann sie zum Vergnügen und zur Verblüffung der Zuschauer das Making-of  der Aufnahmen vorführen: nämlich eine raffinierte Kameratechnik mit Hintergrundprojektion, kombiniert mit einem breiten Spektrum aus dem Handwerkskasten des Figurentheaters (inklusive  Zeichnungen von Uschi Faltenbacher). Genannt sei hier als ein Beispiel von vielen der Planierraupenwettbewerb, ausgeführt von drei kleinen Spielzeugplanierraupen als Marionetten auf Kieshäufchen, gefilmt und gleichzeitig großformatig projiziert: wow, ein großer Spaß!

Premiere war am 13.7.2018. Als besonderen Clou hat Salz+Pfeffer drei Aufführungen im Streusalzlager des Nürnberger Hafens verabredet  (27.7., 3.+4.8.2018). Da wird dann aus dem fantastischen Planierraupenfahrer der Kiesgrube einer, „der mit dem Salz tanzt“.

 

Foto: Nodari Tschabaschwil

 

0 Kommentare

Neuer Kommentar