Die aktuelle Kritik

Josephine Hock, Berlin: "und samstags staubsaugen"

Von Falk Schreiber

Josephine Hock macht mit „und samstags staubsaugen“ an der Berliner Schaubude den Komplex Hausarbeit zur Objekttheater-Revue. Originell, charmant, aber nicht immer ganz im Rhythmus.

Haushaltsarbeit ist häufig unbezahlte Arbeit. Und wenn sie bezahlt ist, dann schlecht. Zudem wird sie oft von weniger privilegierten Menschen übernommen, berichtet Josephine Hock in der Berliner Schaubude. Sie spricht diese eher soziologische als künstlerische Erkenntnis nüchtern ins Publikum, auf der Bühne passiert in diesem Moment praktisch nichts, und dass diese Mischung aus Zustandsbeschreibung und Statistik trotzdem als Objekttheater funktioniert, zumindest streckenweise, das ist der ästhetische Mehrwert ihres Stücks „und samstags staubsaugen“.

Hock, Absolventin des Studiengangs Zeitgenössisches Puppenspiel an der HfS Ernst Busch und seither sowohl in der freien Szene als auch im Stadttheater unterwegs, hat sich für „und samstags staubsaugen“ ein vom Theater bislang weitgehend links liegengelassenes Thema ausgesucht: den öden Alltag aus staubigen Regalböden und blinden Fenstern. Sowie die Menschen, die diesen Alltag wieder zum Glänzen bringen – mehrheitlich Frauen, mehrheitlich marginalisierte Menschen, Migrantinnen, Arbeitslose. Performt wird das im Stil einer Revue mit Spiel, Spaß und Gesang, bei der Hock ihr Publikum begeistert zum fröhlichen Feudeln animiert.

"und samstags staubsaugen" © Moritz Schaller

Die Spielerin also befindet sich ununterbrochen sichtbar auf der Bühne und verwandelt ihre Putzutensilien bei Bedarf zu belebten Objekten: Aus einer Kette Spülschwämme werden Putzsklaven, die mit der Spüliflasche über die Frage diskutieren, was man eigentlich genau unter Haushaltsarbeiten versteht, mehrere Gummihandschuhe werden zum Marionetten-Chor. Und wo man schon bei Handschuhen ist – die lassen sich auch als Handpuppen spielen und verwandeln sich so in ein junges Paar, dem der Haushalt nach und nach über den Kopf wächst und das dadurch in ganz traditionelle Geschlechterrollen verfällt, sie die Ordentliche, er der Hänger. Hock beweist mit ihrem Zugriff auf die Requisiten große Objekttheaterphantasie, zumal das Bühnenarrangement – kleine Kästen, die einerseits Kasperltheaterbuden andeuten, andererseits als Tafeln für die immer wieder aufgerufenen Statistiken dienen, vor allem aber an zu putzende Fensterscheiben erinnern – geschickt aufgebaut ist.

"und samstags staubsaugen" © Moritz Schaller

Dabei überrascht ein wenig, dass zwischendurch eine ganz traditionelle, mehr oder weniger realistische Puppe auftaucht: Frau Burckhardt, die große Ausnahme im Spiel mit den Objekten. Frau Burckhardt ist der echte Mensch, der am Ende den Boden fegt. Sie bekommt Hartz IV und jobbt nebenbei schwarz, sie braucht das Geld, aber sie scheint die Arbeit auch gerne zu machen, mit dem Stolz der verantwortungsbewussten Proletarierin, die weiß, dass sie hier eine Aufgabe erfüllt, die ihre Auftraggeber mit gutem Grund delegieren. Es ist ein Vergnügen, diese (wahrscheinlich per Interview recherchierten) Passagen zu hören, es ist eine melancholische Freude, die gesichtslose, aber ansonsten individuell gestaltete Puppe zu beobachten, wie sie sich an eine als winziges Modell nachgebaute Waschmaschine schmiegt, wie sie auf einem Putztuch surft, wie sie zärtlich mit den Gegenständen ihrer Arbeit agiert. Aber Frau Burckhardt ist auch ein ästhetischer Ausreißer aus dem Objekttheater, das Hock ansonsten konsequent kreiert, als Puppenspiel, das einen Fremdkörper zwischen all den belebten Flaschen, Lappen und Schwämmen darstellt.

Mit der Burckhardt-Puppe gerät die Konstruktion des Stücks in Schieflage, weil nicht klar ist, weswegen hier das experimentelle Objekt- plötzlich zum traditionellen Puppentheater wird. Ein anderes Problem ist die Grundkonstruktion des Abends als Revue: Hock mag eine hochtalentierte Puppenspielerin sein, eine Entertainerin, die sich mit Haut und Haar auf das Spiel mit dem Publikum und auf die Formvorgabe „Show“ einlassen kann, ist sie nicht, für so etwas ist ihre Performance zu wenig spielerisch, und das bezieht sich nicht nur auf den ziemlich schräg gesungenen Titelsong. Immer wenn die Objekte in den Hintergrund treten und das Entertainment übernimmt, wenn Hock das Publikum anspielt oder funkelnden Glamour markiert, verliert der Abend seinen Rhythmus, auch wenn die einzelnen Ideen für sich funktionieren. Die Hitliste der „fünf Haushaltsgegenstände, die sich aus gutem Grund nicht durchgesetzt haben“: ein großer Spaß. Die Statistik, in welcher Altersgruppe Männer und Frauen wie viel Arbeit im Haushalt übernehmen: trocken, aber im Vortrag charmant. Soviel Selbstironie, die Statistik mit „Weil jetzt gleich viele Zahlen kommen, geben wir den einzelnen Gruppen lustige Tiernamen“ aufzulockern, muss man sich erst einmal trauen, und dass Erpel im Haushalt weniger arbeiten als Häsinnen, das ist eine interessante Info, auch wenn man schon wieder vergessen hat, was sie eigentlich sagen will. Sie steht nur ein wenig unverbunden im Gesamtkontext des Abends, der immer wieder ins Stolpern gerät zwischen für sich genommen guten Ideen.

Aber: Das sind Kinderkrankheiten eines an sich originellen, als Objekttheater stimmigen Projekts, Kinderkrankheiten, die sich nach den ersten Aufführungen ausgewachsen haben dürften. Und wie sich im Wohnungsputz nach und nach eine professionelle Routine einfindet, dürfte auch dieser Abend bald in seinen Rhythmus finden, in den Rhythmus des quietschenden Fenstertuchs auf der spiegelnden Scheibe.

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und samstags staubsaugen

Von Josephine Hock

 

Idee, Spiel: Josephine Hock

Dramaturgie: Clara Fritsche, Leonie Jasper

Outside Eye: Karoline Hoffmann

Kostüm: Luise Ehrenwerth

Musik: Moritz Schaller

Nachgesprächsformat: Geheime Dramaturgische Gesellschaft

Audiodeskription: Nicolai Audiodeskription

Fotos: Moritz Schaller

www.josephinehock.de

 

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