Die aktuelle Kritik

Theater des Lachens: „Hermanns Schlacht“

Von Tom Mustroph

Frank Alexander Engel inszeniert „Hermanns Schlacht“ nach Kleist.

Der Raum ist konzentriert. Ein übermannsgroßer Kasten steht auf der Bühne. Er ist braun gefärbt, der Rost der Zeit hat offenbar an ihm genagt. Kein Wunder, das Stück, dem er Struktur geben soll, ist bereits 211 Jahre alt. 1808 schrieb Heinrich von Kleist, gebürtiger Frankfurter und damit Lokalmatador für das Frankfurter Theater des Lachens, die „Hermannsschlacht“. Er grub dabei noch tiefer die deutsche Geschichte, ins Jahr 9, als germanische Krieger den römischen Legionen eine vernichtende Niederlage im Teutoburger Wald beibrachten. Aber trotz des Ausflugs in die Historie, gerade wegen des Ausflugs in die Historie, war es ein Zeitstück, damals, im frühen 19. Jahrhundert. Es war sogar ein Zeitgeiststück, gedacht zur Mobilisierung patriotischer Gefühle im Zuge der napoleonischen Besetzung der vielen deutschen Fürstentümer und Königreiche. Was es heute sein kann, ist nicht ganz so klar. Die „Hermannsschlacht“ gehört zu den weniger gespielten großen Stücken.

Man erfährt auch recht schnell, warum dies so ist. Zahlreiche Passagen tauchen auf, in denen ein größeres und stärkeres Deutschland herbeigesehnt wird. Und Fremdlinge, also Ausländer, also hier nicht Geborene, werden ziemlich direkt angefeindet. Der Ausländer ist hier der Besatzer, und der muss vertrieben werden.

Das klingt seltsam vertraut heute. Vertraut, weil die nationalistischen Gefühle hierzulande auch ohne den Kleist-Trigger am Wachsen sind. Seltsam, weil von Besatzung, Besetzung und Unterjochung aktuell gar nicht die Rede sein kann – und das nationalistische Gedankengut, also das sich zur Elite stempeln ohne Verdienst, nur Kraft der Geburt – dennoch fröhliche Urständ feiert. Nicht nur in Frankfurt, der Kleist-Stadt, aber da auch. Etwas um die Ecke gedacht ist diese „Hermannsschlacht“ also ein Zeitgeiststück auch heute. Man muss allerdings um die Ecke denken.

Regisseur Frank Alexander Engel, in den 1990er Jahren Absolvent der Hochschule „Ernst Busch“, später Regisseur in Meiningen und Dresden, Magdeburg und Erfurt, beherrscht das offenbar. Er streicht bei seiner Inszenierung freilich nicht die nationalistische Note heraus, sondern eher den Zwist im Nationalen. Beinhart bekämpfen sich da die Germanenfürsten, jeder auf seinen eigenen Vorteil bedacht, obwohl er im Munde die hehren Worte vom Großen, Ganzen und Gemeinsamen führt. Das passt. Engels „Hermanns Schlacht“ könnte glattweg als künstlerischer Kommentar zu den Grabenkriegen der AfD firmieren. Ob der Regisseur es so intendiert hat, ist indes nicht klar ersichtlich.

Klipp-Klapp-Modus

Was man sieht, ist eine Clownsebene. Die drei Darsteller und Puppenspieler - Anna Menzel, Torsten Gesser und Björn Langhans – tragen Clownsmasken. Mit diesen treten sie zuweilen aus dem rostroten Kasten heraus, in dem sie sich sonst aufhalten, um die Puppen, die Hermann und dessen Gattin Thusnelda, diverse germanische Fürsten und auch die Römer Varus und Ventidius darstellen, zu animieren. Warum sie die Clownsmasken tragen, warum sie als Clowns die Handpuppen bedienen, erschließt sich allerdings nicht. Immerhin sorgen sie akustisch für Atmosphäre, wenn sie an die Mikrofone links und rechts des Kastens treten und lautmalerisch die Legionen marschieren und die Bäume des Waldes rauschen lassen. Das ist ein schöner Effekt; Clowns müssen sie dafür jedoch nicht sein.

Enttäuschend ist schließlich das Spiel mit den Puppen selbst. Die germanischen Männerpuppen tragen Halbglatze mit Haarzotteln und wirken dumm. Thusnelda ist größer als alle anderen und wirkt angestrengt herrisch. Römerchef Varus ist vor allem bombastisch, sein Adlatus winzig. Genau diese Attribute werden dann auch im Spiel bedient – keine Reibung, keine Brechung, so gut wie keine Entwicklung. Im Klipp-Klapp-Modus tauchen sie auf, klipp klapp verschwinden sie wieder. Und die Stimmung, die akustisch erzeugt wurde, fällt in sich zusammen. Schade.

Vollends ärgerlich ist, dass Kleists klingende Sprache, die eine gute Intonation der Sprechenden braucht, in den Mündern hinter den Masken vor allem dumpf wird und nur selten poetische Qualität erreicht.

All das erstaunt bei diesem Theater, das für seine handwerkliche Güte und Spielfreude bekannt ist. Möglicherweise muss sich hier noch etwas einspielen. Gut möglich aber auch, dass „Hermanns Schlacht“ nur um eine inszenatorische Kopfgeburt ist, der auf den Proben nicht genug Lebensenergie zuteil wurde.

 

Premiere:

weitere Vorstellungen: 16.5., 20 Uhr, 21.5., 17 Uhr

https://www.theaterdeslachens.de/de/detail-repertoir/hermanns-schlacht

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