Die aktuelle Kritik

Schaubude Berlin: "Georg & Fred - Ein letztes Mal Shakespeare"

von Tom Mustroph

Alexandra und Eva Kaufmann lassen sich von der Altersträgheit ihrer Figuren einlullen.

 

Spiel im Pensionärsmodus

Kultursozialpolitisch ist "Georg & Fred - Ein letztes Mal Shakespeare" ein echtes Avantgardestück. Ästhetisch leider nicht. Das trübt die Freude am neuesten Werk von Kaufmann & Co., das in der Schaubude Berlin Premiere hatte.

Alexandra und Eva Kaufmann siedeln "Georg & Fred" in einem Altenheim für verdiente Schauspieler an. Das kann man als zarten Hinweis auf die mangelnde Altersabsicherung für Künstler werten. Denn für die Dramafraktion gibt es eine solche Lebensabend-Verschönerungseinrichtung bisher nicht. Für Musiker und Sänger ist die Casa Verdi in Mailand das leuchtende Vorbild. Seit 1891 entwickelte Verdi Pläne für ein solches Altenheim. Nach seinem Tod im Jahre 1901 durften die ersten Pensionäre einziehen; der Großkomponist wollte zu Lebzeiten von echten wie von falschen Dankbarkeitsgesten seiner ärmeren Berufskollegen verschont bleiben. Die Marie-Seebach-Stiftung in Weimar, 1895 eröffnet, beherbergt neben früheren Sängern und Musikern auch Schauspieler, seit wenigen Jahren aber auch Nicht-Künstler. Obwohl mehr als 100 Jahre alt, ist die Weimarer Einrichtung weiterhin die einzige im Stadttheaterland Deutschland.

In solch einem, real gerade nicht vorhandenen Altenheim ausschließlich für Schauspieler leben jetzt Georg und Fred, die Kaufmannschen Protagonisten. Ein erstes kleines Zauberstück stellt dar, wie sich die beiden Spielerinnen auf offener Szene in die Bühnenrentner verwandeln: Kaum ist die grünlich schimmernde Ganzkopfmaske über den Schädel gestülpt, verändert sich auch der Körper. Erdenschwere zieht ihn nach unten, der Rücken beugt sich, der Gang wird schwerfälliger. Schauspieltechnik und Vorstellungskraft, die fast zwangsläufig einen alten Kopf mit einem alten Körper in Verbindung bringt, generieren die Figur. Dieser sichtbar gemachte Transformationsprozess hat seinen Reiz.

Reizvoll ist auch noch, wie die alten Herren mit Klebeband das dänische Königsschloss Helsingör in ihrem Altenheim markieren. Was wird dargestellt, was nur vorgestellt - lautet hier die Aufgabe. Realer Wind zieht durch skizzenhaft angedeutete Fenster und Türen - und macht Bühnenkörper frösteln. Weiterhin werden Ausblicke auf diverse Shakespeare-Stücke imaginiert und mit der Beobachtung so profaner Dinge wie der Ankunft eines Postautos auf dem flachen Land verbunden. Dieses Spiel mit den doppelten Realitäten ist amüsant. Es bewegt sich allerdings auch in den vorhersehbaren Bahnen. Ein, zwei Ideen mehr, die eine oder andere zusätzliche Volte hätten dem Abend gut getan.

Regelrecht enttäuschend ist, dass Kaufmann & Co. sich alternde Schauspieler offenbar nur in karierten Sackleinen vorstellen können. So war es - vielleicht - für in Laubenpiepersiedlungen in den 50er-Jahren ihrem Ende entgegendämmernden Weltkriegs- und Kriegsgefangenschaftsveteranen realistisch. Anno 2016 wirken Georg wie Fred so aus der Zeit gefallen, dass man sie nicht ernst nehmen mag.

Und wenn die beiden Figuren schließlich Shakespeare deklamieren, geschieht dies auf eine Art, die denken lässt, dass Georg und Fred auch in der Blüte ihrer Jahre allenfalls zweitklassige Mimen gewesen sein dürften. Keine gute Entscheidung.

Über dieses inszenatorische Mittelmaß trösten dann auch Anleihen bei David Bowie und Stan Laurel & Oliver Hardy nicht hinweg. Kaufmann & Co. markierten damit vielleicht Vorbilder und belegten ihre Lust am Verlassen der Genre-Schneisen. Sie entwickelten aber nicht die Bühnensprache, um wenigstens auf Schulterhöhe mit ihren Idolen zu gelangen.

Die Schauspielszene in "Hamlet", von Georg und Fred mit Handpuppen umgesetzt, ließ allerdings erahnen, wozu die Spielerinnen in der Lage sind, wenn sie zu Puppen und Objekten greifen. Auch Shakespearesche Folgeszenen, etwa die der Polonius-Ermordung durch Hamlet, werden mit den Puppen ausgedrückt. Mehr solcher Wechsel hätten dem Abend gut getan. Denn der eigene Schauspielkörper gibt, zumindest wenn er in solchen Mottenkugel-Klamotten versteckt ist wie in "Georg & Fred", eben weniger her als Puppen oder solche mit Personalität aufgeladene Objekte wie Gurkengläser, Plastiktüten oder Emaille-Schüsseln - einige der Gegenstände aus früheren Erfolgsinszenierungen der beiden. Mehr Puppen und Objekte fürs Puppen- und Objekttheater, bitte!

 

Premiere: 8. April 2016

Foto: Gyula Molnár

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