Die aktuelle Kritik

half past selber schuld, FFT Düsseldorf: "What Robots need to learn"

Von Sarah Heppekausen

Das deutsch-israelische Künstler*innen Duo half past selber schuld zeigt im FFT Düsseldorf, welche Lektionen die Maschinenwelt noch zu lernen hat.

Allwissend omnipräsent, freundlich analytisch, unbestechlich, attraktiv und digital – ein künstlicher Mensch und menschliche Kunst. Verlockend, diese künstliche Intelligenz. Im Wunderland des Transhumanismus von half past selber schuld hat die KI längst die Verantwortung übernommen, sich selbst programmiert und ist zum Weltpräsidenten aufgestiegen. Zeit, ihr ein Lied zu schenken. Und so tänzeln drei Kartons im Schwarzlicht, schrammeln auf ihren Papp-Instrumenten und verwirren unseren Geist durch Spiralköpfe mit 3D-Effekt. Charmant rauschen Ilanit Magarshak-Riegg und Sir ladybug beetle zusammen mit ihrem Team durch ein simpel-geniales Universum aus Figurentheater und Soundkonzert, Videoclips und Comictrip.

What Robots need to learn (c) Krishan Ahlborn

2017 starteten half past selber schuld mit »Kafka in Wonderland« ihre Trilogie »Wonderland Inc.«, in der sie dem technischen Fortschritt und den dadurch erweiterten menschlichen Möglichkeiten unterhaltsame Szenen schenken. Mit »What Robots need to learn« feierte jetzt der dritte Teil Premiere im Forum Freies Theater (FFT) in Düsseldorf. Es ist ein höchstaktuelles Thema: Die Veröffentlichung des Sprachprogramms ChatGPT mischt das Thema künstliche Intelligenz zurzeit noch mal ordentlich auf. Längst ist klar, dass die KI Abläufe in Unternehmen verändern wird und vermutlich auch die meisten gesellschaftlichen Bereiche. Bei half past selber schuld dürfen wir Menschen immerhin noch unsere Einschätzung abgeben: Utopie oder Dystopie? Dafür gibt es am Einlass Pappfinger zur Abstimmung und eine schwarze Karte, um sich bei Bedarf dank Augenbedeckung zu anonymisieren.

Und dann überrollen uns die Einfälle und Bilder und Anspielungen und Ausführungen. In anrührenden Stop-Motion-Filmen wird anschaulich vorgeführt, was die Roboter noch lernen müssen für die perfekte Lösung. Höflichkeit zum Beispiel. Da lässt ein Knetauto dann eine Entenfamilie über den Zebrastreifen passieren. Eine Art Klappstuhl-Ballett im Format Schwarzes Theater demonstriert die Wonderland-Demokratie: Jeder bekommt ein Haus. Einfach schön anzuschauen ist das. Im feinsten Figurentheater-Forschungsinstitut rennt Maus Jerry im Laborrattenrad für seine Unsterblichkeit und ein Mitspracherecht der Säugetiere. Und die aktuellen Nachrichten gibt es wieder von Johnny Cahmir, einer Klappmaul-Puppe mit Tolle.

What Robots need to learn (c) Krishan Ahlborn

Perfekt abgestimmte, selbstkomponierte und vorproduzierte Musik und Sounds, Puppen aus Pappkartons, Masken, Animationen, Songs, kurze Filmclips und große Gesten – alles ist dabei. Eine Wunderkammer der Ideen, die mal begeistern und mal ins Leere laufen, auch auf Kosten der Geschichte. Der kluge Humor und die mitunter bissigen Gesellschaftskommentare von half past selber schuld verlieren sich da im spleenigen Sammelsurium aus effektvollen Episoden. Es ist ja nett anzuschauen, dieses fröhlich-bunte Wonderland, in dem wir sogar per Bodycam ins Innere der getunten Laborratte schauen können, auf projizierte Bilder in einer Art naiver Malerei.

Gelernt haben wir, was Roboter noch lernen müssen: Höflichkeit, Koordination, Empathie, Verantwortung und Selbstbewusstsein. Dass alles schlauer wird, außer den Menschen. Aber dass es die menschlichen Fehler braucht, um authentisch zu wirken. Menschliche Intelligenz braucht das Irren. Deshalb dürfen wir zwar abstimmen über Utopie und Dystopie. Aber das Ergebnis, das interessiert niemanden an diesem Abend. Welcome in Wonderland!

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What Robots Need to Learn. Wonderland Incorporated Part 3

von half past selber schuld

Premiere: 17.03.2023

Weitere Termine: 27.04.2023 und 28.04.2023

Mitwirkende: Ilanit Magarshak Riegg (half past selber schuld), Frank Römmele (half past selber schuld), Florian Deiss, Marko Erak Bonsink, Markus Hilscher, Johannes Karl, Jonathan Peller, Kevin Klimek, Eli Presser, Tobi Heide (Licht), Lex Parka (Ton). Buch und Regie: half past selber schuld & Eli Zachary Socoloff Presser. Musik: half past selber schuld, Dodo Nkishi, Sven Kacirek, Lex Parka. Video: half past selber schuld, Lumatik Film, Krischan Ahlborn. Foto/Grafik: Krischan Ahlborn. Requisiten: half past selber schuld, Florian Deiss, Eli Presser, Kevin Klimek, Stefanie Pürschler, Markus Hilscher, Simone Letto, Björn Dressler.

Koproduktion: FFT Düsseldorf, Internationales Figurentheaterfestival Nürnberg, Erlangen, Fürth, Schwabach und Pumpenhaus Münster. Gefördert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, das Kulturamt der Landeshauptstadt Düsseldorf, Fonds Darstellende Künste e.V. und die Stiftung Van Meeteren. Mit freundlicher Unterstützung der Firma A. Haussmann Theaterbedarf GmbH

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