Künstler / Akteure

Brennen für das Medium - Albrecht Roser

Auszüge aus einem Gespräch mit dem Puppenspieler und Regisseur Frank Soehnle (figurentheater tübingen) anlässlich der Dreharbeiten zu einem Film über den Marionettenspieler und Stuttgarter Hochschullehrer Professor Albrecht Roser. Die Fragen stellten Janis Klein und Patrick Schubert.

"Wer ist Albrecht Roser?"

Einen Menschen zu beschreiben mit "Das ist er" - Das krieg ich nicht hin. (Pause)
Vielleicht sieht man es in seinen Arbeiten. (...)

"In seinem Alter Ego, Clown Gustaf?"

Da ist so was Gnitzes ‒ das hat der Eine vom Anderen und dann hat's der Andere wieder von dem Einem, es zirkuliert. So ein bestimmter Mutterwitz, so ein Schalk im Nacken. Bestimmt verkörpert Gustaf einen wichtigen Teil von Albrecht, aber, um auf die Frage "Wer ist Albrecht Roser?" zurückzukommen: ich finde dieses Szenenprogramm wichtig, weil es ein Kaleidoskop von Möglichkeiten aufmacht. Das alles kann ein Mensch sein. Es ist also nicht so, dass er zwanzig Nummern macht und die nur die einundzwanzigste, das ist dann er selbst. Ich sehe ihn genauso in diesem merkwürdig abstrakten Tücherballet mit den drei Figuren, das von sehr klar choreographierten, ruhigen zu expressionistischen, schnellen Bewegungen geht - wie Farbverläufe in der Malerei - und dann wieder deutlich zu einem orientalischen Tanz wird. In dieser Nummer finde ich viel von ihm wieder - und genauso in diesem fast schon technoiden Storch auf dem Morgenspaziergang, der bis ins letzte Detail, bis in jede Feder ganz penibel ausformuliert ist. (...)

"Wer ist Albrecht Roser für dich?"

Wer ist Albrecht Roser für mich? Sicherlich der wichtigste Lehrer, der mir begegnet ist, zu genau der richtigen Zeit, um in der Entwicklung meiner künstlerischen Sprache eine große Rolle zu spielen.

"Meinst du, Albrecht hat die Szene in Deutschland sehr beeinflusst?"

Ich glaube, er hat die deutsche Puppenspielszene sehr stark beeinflusst, besonders im Bereich der Marionette. Das, was Fritz Herbert Bross angefangen hatte im Marionettenbau, das hat er künstlerisch, theatralisch weiter verfolgt und zu einer Perfektion getrieben, die deutlichen Einfluss auf die deutschen Puppenspieler hatte. (...)
Außerdem war Albrecht Roser für das Figurentheater in Deutschland sehr wichtig, was das Programm für Erwachsene betraf. In den 50er Jahren fand Puppentheater ja hauptsächlich im Kindertheater statt. Er war damals eine der strahlenden Lichtgestalten, die angefangen haben für Erwachsene zu spielen - und er wurde sehr populär damit. Das Figurentheater in Deutschland hat es ja noch heute schwer, als eine ernstzunehmende Theaterform für Erwachsene wahrgenommen zu werden. Und ohne das, was er in dieser Zeit geleistet und auch an Popularität fürs Figurentheater erreicht hat, hätte sich vieles sicher sehr anders entwickelt.
Und dann war natürlich die Gründung des Studienganges Figurentheater in Stuttgart, an der Albrecht Roser im Jahr 1983 maßgeblich beteiligt war, ein ganz wichtiger Schritt. Auch, was die Anerkennung des ganzen Berufsstandes betrifft. Dass man nun studierter Figurenspieler werden kann und eine Bühnenreifeprüfung ablegt wie ein Schauspieler, Opernsänger oder Tänzer, das führt natürlich zu einer ganz anderen Wertschätzung. Und indem man als junger Mensch die Möglichkeit hat, vier Jahre lang ausschließlich das Fach zu studieren, kann man sich sehr viel intensiver damit auseinander setzen.
(...) Albrecht Roser habe ich als Lehrer und später als Kollegen an der Hochschule immer befeuert gesehen von dem Gedanken "welchen Punkt muss ich jetzt anstechen, damit dieser Student auch wirklich seinen eigenen Weg findet?" - Was ich an ihm einfach sehr schätze, ist dieses Brennen für das Medium!

"Was ist das Außergewöhnliche am Werk Albrecht Rosers?"

Für mich ist das Kennzeichnende am Figurentheater das Zusammenwirken von Bildender und Darstellender Kunst, und bei ihm finde ich besonders charakteristisch, wie er auf der einen Seite die bildnerische und technische Seite von Bross weiter vervollkommnet und auf der anderen Seite dazu eine Art persönliche Sprache in der Bewegung entwickelt hat, die es ermöglicht, mit dieser Art von Marionette sozusagen zeitlos zu spielen. Man kann im Theater von Literatur ausgehen oder von der Musik, oder sich praktisch mit anderen Medien beschäftigen, deren Spiegelung im Figurentheater suchen. Oder man kann versuchen, nochmals so eine Art Zentrum, einen Schwerpunkt zu finden in dieser Arbeit. Also, was ist eigentlich eine Marionette, was macht sie aus? Für mich ist es Albrecht Roser, der in dieser Frage eigentlich am tiefsten vorgedrungen ist.

"Ganz im Sinne Kleists?"

Ja sicherlich. Es gibt einen sehr schönen Aufsatz von Fritz Herbert Bross, der heißt: Wie viele Fäden braucht eine Marionette? Und er sagt dann ganz einfach: So wenige wie möglich und so viele wie nötig. Und beruft sich dabei auf Kleist. (...)
(...) Die Rosersche Tüchermarionette agiert ja auch sehr einfach aus dem Pendel mit den schweren Kugeln und einem Stoff, der das Ganze verbindet. Es ist eine sehr abstrahierte Form und trotzdem mit ganz wenig technischem Aufwand schnell herzustellen und man hat rasch gute Ergebnisse damit. Man kann mit ihr viel darüber herausfinden, was die Pendelbewegung in einem künstlichen Körper verursacht und wie man theatralisch damit umgehen kann. Eine wichtige Figurenform von großem pädagogischen Wert.

" Was ist beseelte Materie?"

Ich finde dieses Wort fundamental. An der Hochschule fragte man sich oft: Wie benennt man diesen Unterricht. in dem es um Figurenführung geht? Lange Zeit benutzte man das Wort Manipulation, hat über Figurentechniken als "Manipulationstechniken" gesprochen. Dann war mal eine Zeit lang der Ausdruck "Animation" gebräuchlich, und Albrecht hat immer wieder auf dieses Wort "Beseelen" hingewiesen, mit dem es für ihn ganz viel zu tun hat. Wo ist denn eigentlich dieser innere Punkt, an dem eine Figur zu leben beginnt? Wenn sie wirklich Seele bekommt.


Das zitierte Interview entstand während der Dreharbeiten zu folgendem Film über Albrecht Roser:

Leben und Werk Albrecht Roser
Laufzeit ca. 80 min, plus eine gekürzte Version von 45 min.
Voraussichtliche Premiere: April 2011

Eine Poscimur Pictures Produktion
in Kooperation mit der Merz Akademie Stuttgart und der Hochschule der Medien Stuttgart
Regie: Janis Klein/Patrick Schubert
Produktion: Robert Pop
Kamera: Dominik Apanowicz