Figurentheater Chemnitz: "Frerk, du Zwerg!"
Überraschungsei mit Zwerg
Da gibt es nichts zu philosophieren: Das Ei war zuerst da. Riesengroß mit bunten Punkten und Schubladen. Wie hingeplumpst steht es da auf der Bühne. Spielerin Claudia Acker zieht dann noch eine Abgrenzung drumrum – und öffnet auch gleich eine der Schubladen. Sie holt ein Mikrofon heraus, mit dem sie immer wieder Soundloops produziert. Kinderschreie zum Beispiel: „Frerk, du Zwerg“ rufen sie bald alle durcheinander. So klingt das nämlich, wenn der etwas zu klein geratene Held aus Finn-Ole Heinrichs Kinderbuch morgens zur Schule kommt.
Überhaupt hat er’s nicht leicht. Wer will schon einen Vater, der nur zwei Sätze am Tag spricht? Und wer will eine Mutter, die auf alles, was Spaß macht, allergisch ist? Sogar auf Hunde. Und wer will Mitschüler wie Andi Kolumpek, die sich dämlich aber stark die Schwachen vorknöpfen? Da bleibt ja eigentlich nur die Phantasie, um das Leben trotzdem zu genießen.
Also ist da dieses Ei. Eier haben ja grundsätzlich immer was geheimnisvolles, unklares. Bei der Form geht es schon los, außerdem kann man ja nie wissen: Lebt da drin was? Und wenn ja wie viele?
Ausstatter Gildas Coustier spielt sehr geschickt mit dieser Spannung. Ein richtiges Überraschungsei hat er für die mobile Puppentheaterproduktion gebaut – mal Welt, mal Instrument, mal Drehbühne oder Leuchtkasten. Und Spielerin Claudia Acker nutzt dieses Wunderding für eine liebevolle Verbeugung vor diesem kleinen Frerk und seinem freien Geist. Es sei ein „Plädoyer für Anarchie, Mut und Selbstbewusstsein“ hieß es in der Jurybegründung, als das Buch 2011 den Deutschen Jugendliteraturpreis erhielt. Und dieses Werben für unangepasste Helden wird auf der Bühne erneuert.
Allein schon die Erscheinung: Während die Wesen der normierten Umwelt, also Eltern, Mitschüler oder der dumpfe Andi Kolumpeck als schwarz-weiße Flachpuppen daher kommen, sind Frerk und seine phantastischen Freunde als Tischpuppen von dreidimensionaler bunter Gestalt. Geschlüpft sind sie aus dem Ei, haben was von Außerirdischen, sind aber zuerst mal Zwerge mit einer ganz putzigen Sprache. Was immer sie da von sicher geben – da ist nun halt die Vorstellungskraft gefragt. Und davon scheint allerhand im Raum zu sein. Jedenfalls bleiben die Jungs und Mädchen spürbar dicht dran und sind sofort dabei, wenn sie den kräftigen Andi mit Sockenknäulen umwerfen dürfen. Das sitzt. Genauso wie die vielen anderen kleinen Einfälle, die der Geschichte für Kinder ab fünf Jahren immer wieder Reflexionsfläche verschaffen. So braucht Claudia Acker nur den gelben Putzhandschuh überzustreifen und alle wissen: die Mutter – allergisch.
Nichtsdestotrotz ist der Einsatz der Puppen eher gelungene Illustration als Anlass für das Geschehen. Wahrscheinlich könnte die Inszenierung von Tobias Eisenkrämer tatsächlich auch als Hörspiel funktionieren, allein von der kumpelhaften Erzählkunst der Spielerin leben. Derart selten interagiert sie wirklich mit den Figuren. Aber die Bilder, die sie da stellt, sind letztlich eben doch zu eindrucksvoll, um sie verzichtbar zu nennen. Es ist wie bei einem Kinderbuch mit schönen Zeichnungen. Ohne wäre es nur halb so schön. Und da hat die Produktion, die 2015 für Zwickau inszeniert und nun in Chemnitz neu aufgenommen wurde, vieles gemein mit der Vorlage.