Puppentheater des Staatstheaters Meiningen: "Steinsuppe"
Auf der Bühne: eine aufgespannte grünliche Stoffbahn, davor einige faustgroße Steine und rechts eine Holzkiste. In einem Schattenspiel mit Taschenlampe erscheint der Wolf, dem vor Hunger zum Heulen zu Mute ist. Und dann tritt er auf als hüfthohe Figur, singt ein Lied über seinen leeren Bauch und sinnt darüber nach, wie er sich eine Mahlzeit verschaffen kann. Die Steine bringen ihn offensichtlich auf eine Idee, und mit Hilfe seiner Spielerin sichert er sich einen davon für die spätere Verwendung.
Schon entfaltet sich vor ihm das Leben eines nahen Dorfes und seiner Bewohner:innen. Vorbei kommen ein neugieriges und freundliches Hühnchen, ein schnöseliger Enterich, ein fideles Schwein, das das Hühnchen zum Kauf eines Satzes Kochtöpfe überreden möchte und ein misstrauischer Schafbock. Die Stoffbahn fällt, wird zum Bach, und dahinter kommt ein Holzhäuschen zum Vorschein, in dem das Hühnchen wohnt. Der Wolf entschließt sich, bei der gutwilligen Bewohnerin anzuklopfen und seine Idee vorzustellen: Er möchte gerne eine „Steinsuppe“ kochen, für die er nur einen Topf und Wasser benötigt. Das Hühnchen ist bereit und lässt ihn herein, was die Nachbarschaft in große Sorge versetzt.
Einer nach dem anderen schaut vorbei, und alle lassen sich schließlich von der Suppenidee begeistern. Doch nicht nur das, sie sind sogar bereit, etwas beizusteuern: Sellerie, Möhren, Zwiebeln und „Kräuter der Provinz“ – und auch der aufbewahrte Stein kommt in den Topf. Der Küchenherd qualmt, das Haus klappt auf, bietet schließlich Platz für eine lange Tafel, an der alle Platz nehmen, während der Wolf die Suppe rührt; der Enterich bringt Gänsewein mit.
Die aufgekratzte Stimmung wird überraschend durch ein Schreckmoment für die Tiere und das Publikum unterbrochen, als der Wolf plötzlich ein Schlachtermesser zieht! Doch er möchte damit nur den Stein zerlegen, der allerdings noch nicht gar ist… Alles endet in einer turbulenten Party mit Lichterkette. Und als der Wolf als Schattenfigur weiterzieht, winken ihm vier kleine Schattenfiguren zu der eingespielten Musik von Sebastian Putz traurig hinterher. Sie haben gar nicht gemerkt, dass sie höflich überlistet und zu einem Gemeinschaftserlebnis verführt wurden.
Die fünf Tischfiguren von Carsten Bürger sind klar und mit liebevollen Details gezeichnete Typen. Sie wirken – was Maria A. Albu und Kora Tscherning erfreut – sehr lebendig auch dann, wenn sie gerade nicht bewegt werden. Ihre jeweils individuelle Sprechweise (der Schafbock stammt ganz eindeutig aus dem hohen Norden) macht es möglich, dass beide Spielerinnen ihnen ihre Stimmen leihen können.
Auf der Grundlage der Textfassung von Sebastian Putz und Harald Richter ist ein munteres Stück entstanden, das Kleine und Große auch dank des freudigen Einsatzes der Puppenspielerinnen sehr gerne anschauen. An welcher Stelle der etwas unüberschaubaren Schlusssequenz der Applaus stattfinden soll, wird für die kommenden Vorstellungen sicherlich noch geklärt werden.
Außerdem sind als Neuigkeiten aus dem Jungen Staatstheater zu vermelden, dass zum einen seit dieser Spielzeit der frisch renovierte „Rautenkranz“ in der Innenstadt (Ernestiner Str. 40) mit 60 Plätzen als zusätzliche Spielstätte für ein junges Publikum zur Verfügung steht. Und noch geheim ist zum anderen der Titel einer großen spartenübergreifenden Produktion, die für die nächste Spielzeit geplant ist.
---
Premiere: 27.01.2022
Regie: Harald Richter
Ausstattung: Christiane Weidinger
Figurenbau/Bühnengestaltung: Carsten Bürger
Musik: Sebastian Putz
Textfassung: Sebastian Putz, Harald Richter
Spiel: Maria Adriana Albu, Kora Tscherning
Fotos: © Christina Iberl
Weitere Vorstellungen:
Sa, 5.2.2022, 15 Uhr
Mo, 21.2.2022, 10 Uhr
Di, 22.2.2022, 10 Uhr
Mi, 16.3.2022, 10 Uhr
Sa, 16.4.2022, 11 + 15 Uhr