Die aktuelle Kritik

Meininger Staatstheater: „Peter und der Wolf“

Von Ulrike Marski

Für den Puppenspieler Falk P. Ulke gibt es heutzutage Gefährlicheres als einen Wolf.

Während Grundschulklassen in den Kammerspielen eintrudeln und gruppenweise ihre Sitzplätze für die Vormittagsvorstellung einnehmen, dürfte die theatererfahrene Erwachsenenwelt gespannt sein, welche neuen Ideen es zu dem allgegenwärtigen musikpädagogischen Klassiker von 1936 wohl geben könnte. Diese Frage hat sichtlich auch den Puppenspieler Falk P. Ulke und seinen Regisseur Roland Klappstein beschäftigt.

Ihr Erzähler ist ein Obdachloser in einem grünen, zotteligen Umhang, der mit einem Einkaufswagen eine Bühne betritt. Er sammelt zunächst ein bisschen Müll ein, der dort herumliegt. Den Vogel Herrn Dimitri trägt er an seiner Mütze, und der fordert ihn flötend auf, die Geschichte zu erzählen, die ihn zu einem Heimatlosen gemacht hat. Und so klappt der Mann im Cape aus seinem Wagen nach und nach den Ort des Geschehens auf: ein baufälliges Häuschen mit Loch im Dach, einen Wald, einen Zaun, einen See aus blauer Plastikplane, die auf die Öffnung des Wagens gespannt wird. Kurz und eher nebenbei werden die Instrumente akustisch präsentiert – das alles in neu verfassten Reimen, mit denen der Spieler durchs Geschehen führt. Es treten die Puppendarsteller auf (aus sibirischer Birke geschnitzt, wie das Programmheft vermerkt): Peter und der Großvater mit Rollator, dessen im Rhythmus klappernde Füße große Heiterkeit hervorrufen, sowie zwei schusselige Jäger, die vorzeitig hereinplatzen. Dazu gesellen sich noch die wuschelige Katze Koschka und ein gelbes Plastikentchen.

Natürlich werden die Ereignisse, die wir alle kennen, geschildert: die Bedrohung durch einen herumstreunenden Wolf, weshalb es wichtig sei, das Tor geschlossen zu halten und die Warnung, sich nicht zu weit vom Haus zu entfernen. Doch dann kommt ins Spiel, was darüber hinaus passiert ist – dass nämlich das Häuschen wegen Baufälligkeit abgerissen, der Baum davor gefällt und der Teich zugeschüttet wurde – und seine Bewohner nun heimatlos sind: Der Vogel bringt das entsprechende Schreiben. An dieser Stelle vermissen einige versierte Kinder die ihnen vertraute Erzählung und verlangen nachdrücklich „die Geschichte!“. Doch da taucht auch schon der buschige Schwanz des Wolfes auf, dann das ganze Tier. Es verspeist die Ente, Peter fängt ihn mit einem Seil, und der Bauch des Einkaufswagens wird sein Gefängnis. Die trotteligen Jäger kommen zu spät, dürfen aber noch am Triumphzug in den Zoo teilnehmen. Zum Finale blinkt der Einkaufswagen in allen Farben und wird am Seil herumgewirbelt. Und die Ente erlangt ihre Freiheit wieder dank eines Reißverschlusses am Bauch des Wolfes.

Die Neugierde der Erwachsenen auf eine originelle und aktuelle Interpretation von „Peter und der Wolf“ wurde also in Meiningen befriedigt: nicht zuletzt durch die überraschungshaltige Ausstattung. Sehr zweifelhaft, dass diese Inszenierung für Vierjährige interessant sein könnte, denn noch die Grundschüler wünschten sich eher eine Begegnung mit dem bösen Wolf als mit den gnadenlosen Vorschriften einer Baubehörde.

 

Premiere: 7.11.2019

„Peter und der Wolf“

Puppentheater für Kinder ab 4 Jahren und Familien

nach Sergej Prokofjew (1891-1953)

Spiel/Text/Ausstattung: Falk P. Ulke

Regie: Roland Klappstein

Weitere Vorstellungen: Samstag, 11. April 2020, 15 + 17 Uhr  

 

Foto: Erhard Driesel

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