Die aktuelle Kritik

Piccolo Theater, Cottbus: "Peter und der Wolf"

Von Ulrike Marski

Ab ins Gehege, heißt es am Ende des Stückes für den Wolf. Wie eine Inszenierung des unzählige Male gespielten Stückes an die Umstände eines Spielortes angepasst wird, zeigen die Regisseurin Anna Fülle und ihr Ensemble ganz in der Nähe des Niederlausitzer Wolfsgebietes.

18. Dezember 2023

Das Musikmärchen für Kinder von Sergei Prokofjew aus dem Jahre 1936 dauert – pur aufgeführt – ungefähr eine halbe Stunde. Das stellt all diejenigen, die es in einer Bühnenfassung von üblicher Länge inszenieren möchten, vor die Aufgabe, es mit einer Rahmenhandlung versehen zu müssen.

Seit mindestens zehn Jahren sind Wölfe in der Cottbuser Umgebung unterwegs. Und so wird das Spiel eröffnet von einem Forscherpaar, das möglichweise zur „Umweltbildungsstelle Wolf“, der zentralen Einrichtung zum Thema Wolf in der Lausitz, gehören könnte. Jeweils mit Hut und Trenchcoat bekleidet, schleichen die beiden durch einen angedeuteten Wald. Sie suchen und finden Spuren der scheuen Tiere. Im Anschluss an die Exkursion tauschen sich die Experten am Kaffeetisch über ihre bisherigen Erkenntnisse aus, bewerten ihre Funde und kommen zu dem Schluss, dass solch ein Wolfsexemplar nicht weit weg sein kann. Sie würden ihm gerne begegnen und beschließen, das Tier – und dies ist eine kühne dramaturgische Volte der Regisseurin – durch eine Geschichte anzulocken.

Die Tortenschachtel auf der Kaffeetafel erweist sich, nachdem der Deckel abgehoben wurde, als Gärtchen mit Mauer und zwei Tischpuppen. Der Großvater liest dem Peter aus der Zeitung vor, dass ein Wolf gesichtet wurde, und mahnt, die Gartentür zu schließen. Die etwas nervige gelbe Katze, die schon länger in der Szene herumstreicht, bekommt Sahne und geht dann – wie es Prokofjews Märchen vorsieht – auf die Jagd nach dem leuchtend grünen Vogel, der von Ast zu Ast flattert: alles im Takt der bekannten Musik, zu der sich die Geschichte entspinnt.

"Peter und der Wolf": Werner Bauer und Astrid Meier © Michael Helbig

Nachdem am rechten Rand der Tafel ein Wäldchen ausgeklappt ist und die Ente daneben auf einem Teich aus blauen Tüchern herumpaddelt, taucht die Hauptfigur des Stückes auf: ein bisschen struppig, mit buschigem Schweif und mit scheuem, hungrigem Blick. Die leichtsinnige Ente verlässt ihr Gewässer und wird so ein leichtes Opfer. Im Bühnenhintergrund fliegen weiße Federn, und als der Wolf sich wieder dem Publikum zuwendet, klebt noch eine an seiner Schnauze. Peter hat währenddessen eine Falle vorbereitet, indem er ein Lasso über einen Ast geworfen hat. Und so endet der Entenräuber fest verschnürt am Fuß eines Baumes.

Wie üblich kommen die beiden etwas trotteligen Jäger – die Mäntel falsch herum angezogen und mit Kleiderbügeln bewaffnet – zu spät, um noch etwas auszurichten. Und der Wolf wird nun, weniger im Triumphzug, sondern ganz pragmatisch und fast beiläufig ins Gehege abtransportiert und nicht, wie vor fast hundert Jahren, in den Zoo. Dem Forscherpaar ist sein Fang gelungen: Heutzutage wird ein Wolf eben von der Wissenschaft untersucht und nicht nur begafft.

Im Rückblick erscheinen die Szenen der Rahmenhandlung, in denen Astrid Meier und Werner Bauer als Darsteller:innen auftreten, vitaler und einprägsamer als das Spiel mit den Tischpuppen. Dabei sind diese von Anja Mikolajetz durchaus schön erdacht und geformt: der Großvater schnauzbärtig mit Pfeife und Hosenträgern, Peter ein schlaksiger Junge, die Katze ein kleines gelbes Raubtier, die Ente weiß und naiv, der Vogel fluffig und neongrün und der Wolf nicht dramatisch bedrohlich, sondern irgendwie – normal. Die Ausstattung von Jan Helling ist nicht sonderlich überraschungsreich, bietet aber hübsch alles, was für dieses musikalische Märchen erforderlich ist.

Der erfindungsreiche Peter wird in Cottbus zum Erfüllungsgehilfen der beiden Wissenschaftler:innen, die den Kindern in der Lausitz zeigen: Der Wolf ist zwar schon gefährlich, er kann aber auch ein ungemein interessantes Forschungsobjekt sein, nicht nur in der Lausitz.


Piccolo Theater, Cottbus: "Peter und der Wolf"

Ein musikalisches Märchen von Sergei Prokofjew

Regie: Anna Fülle | Bühne: Jan Helling | Ausstattung und Puppen: Anja Mikolajetz | Mit: Astrid Meier, Werner Bauer

Premiere: 26. November 2023
Dauer: ca. 60 Minuten, keine Pause
Für Menschen ab 4 Jahren

Hier geht’s zum Spielplan und weiteren Spielterminen auf der Website vom Piccolo Theater.

 

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