Die aktuelle Kritik

Staatstheater Oldenburg: "Andersland"

Von Uwe Dammann

Vom Ankommen und Weggehen – Faszinierendes Objekttheater mit starken Bildern

Ankommen, Weggehen, in eine fremde Stadt, in ein fremdes Land – das liest sich so leicht, ist es aber nicht. Nie gewesen. Wer geht, lässt einen Teil seiner Biografie hinter sich und begibt sich auf unbekanntes Terrain, in dem man/frau sich erstmal zurecht finden muss. Wer diesen Schritt wagt, benötigt Mut, Zuversicht, aber muss auch mit Ängsten, Ablehnung und Einsamkeit fertig werden. Das ist, grob zusammengefasst, der Hintergrund der aktuellen Produktion „Andersland“ des Jungen Staatstheaters Oldenburg, das gemeinsam mit Makemake Produktions aus Wien eine Geschichte vom Abschied und Ankommen auf das Wesentliche reduziert.

„Andersland" erzählt dabei  in starken Bildern von der Einsamkeit einer Auswanderin in einem fremden Land und ihren Versuchen, dort Fuß zu fassen. In der Inszenierung von Sara Ostertag und der beeindruckenden Ausstattung von Birgit Kellner und Christian Schlechter verschmelzen Objekte, Figuren und Projektionen mit der eindringlichen Musik von Simon Dietersdorfer zu einem magischen Theater.

Eine Frau verlässt ihr Zuhause. Nicht weil sie es möchte, sondern weil sie muss. Es ist dort zu gefährlich geworden. Sie macht sich auf den Weg in anderes Land, wo sie hoffentlich sicher sein und Arbeit finden wird. Dort angekommen, nach einer langen Fahrt über das Meer, ist vieles fremd. Die Häuser, die Menschen und ihre Sprache. Und natürlich empfangen nicht alle die Frau herzlich. Doch dann trifft sie auch auf Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft sowie Männer und Frauen, die ein ähnliches Schicksal erlebt haben, die vor Krieg, Bedrohung und Verfolgung ihre Heimat verlassen mussten. Diese Geschichte erzählt das Staatstheater in einer fantasievollen Welt aus Schauspiel mit echten Akteuren, Puppen, Projektionen und vielseitiger Musik.  Und das vorweg: Die Inszenierung, die für Menschen ab sieben Jahre gedacht ist, mutet ihren – am Premierentag – vorwiegend jugendlichen Zuschauern einiges zu. Klassische Dialoge gibt es so gut wie keine in dem Theaterstück. Stattdessen Satzfragmente – „Ich will doch bloß Ruhe…“ oder  immer wieder Fragen. „Was kann ich alles?“, will die Protagonistin – hervorragend besetzt mit Helen Wendt – wissen. Und gibt sich selbst die Antwort: „Bedienen, helfen, putzen, analysieren, duplizieren, operieren, krepieren…..“.  Mit abwechselnder Performance, Puppenbühne, Scherenschnitt, Sprech- und Tanztheater; Gesang, Rap und Sampling, die vom Keyboard und Laptop oder übers Mikrofon kommen, passiert vieles gleichzeitig auf die Bühne.

Die 50 Minuten Spieldauer gönnen den drei Darstellern, neben Helen Wendt, Simon Dietersdorfer und Christian Schlechter, sowie den Zuschauern, kaum eine Atempause. Erstaunlich auch, was sich alles mit einem aus Schulzeiten vertrauten Overhead-Projektor anstellen lässt, über den in dieser Inszenierung ganze Stadtwelten an die Bühnenwand projiziert werden. Irgendwo und irgendwas passiert eigentlich immer auf der Bühne.

Als Freund, der der Auswanderin in der Fremde, eine erste Heimstatt bietet, agiert eine von Christian Schlechter geführte froschähnliche Handpuppe, die sich der orientierungslosen Frau annimmt und ihr Unterstützung angedeihen lässt. Die Puppe, aber nicht nur sie, sorgt auch für die humoristischen Elemente in dem Stück. Aber grundsätzlich gilt für diese Inszenierung: Die  Darstellung des alltäglichen Flucht-Wahnsinns in dieser Welt, der Millionen von Menschen in der gesamten Welt betrifft und in den vergangenen Jahren auch das alles bestimmende Thema in Deutschland war, ist keinesfalls lustig,  funktioniert aber als Theaterstück in dieser modernen Form zweifelsfrei genauso gut für Erwachsene ohne Altershinweis.  Andersland wurde bei der Premiere hervorragend angenommen. Es gab langanhaltenden Beifall der Zuschauer.

Premiere: 28.04.2019
Foto: Stephan Walzl

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