Die aktuelle Kritik

Puppentheater Halle: „Hamlet, Prinz von Dänemark“

von Tobias Prüwer

Christoph Werners Shakespeare-Adaption kommt mit erstaunlich wenig Figurenspiel aus.

 

Punktsieg für die Projektion

Die Zeit ist aus den Fugen, das deutet diese Bühne schon an. Die vorne und hinten mit halbtransparentem schwarzem Stoff abgespannte Blackbox steht leicht schräg. Der Innenraum gleicht einer Zelle, ist spärlich mit einer Liege, Tisch und Stühlen ausgestattet – neben Schwarz und Weiß kommen keine Farben vor (Bühne: Angela Baumgart). Es ist des dänischen Prinzen Jugendzimmer, große Teile des Abends finden um dieses herum statt, vieles davon sind Sprechtheaterakte.

Erstaunlicherweise hat Regisseur Christoph Werner seine Shakespeare-Adaption am Hallenser Puppentheater mit relativ wenig Figurenspiel realisiert. Das liegt an einer konsequenten Entscheidung: Sein Fokus liegt auf den jugendlichen Charakteren, weshalb lediglich diese – Hamlet, Ophelia & Co. – als Gliederpuppen gespielt werden. Die anderen Rollen übernehmen menschliche Darsteller. Das ist ein frischer Zugriff, der leider seine Tücken hat.

Zunächst gefällt das Setting, flott ist man in der Handlung. Nach kurzer Regenprojektion auf die Stoffbahnen erscheint der Geist von Hamlets Vater, als Double aus Videoflimmern und zombieartig geschminktem Darstellerkörper. Hamlet selbst ist von Anfang an zwischen Wahn und Rachefantasie gezeichnet, der Abend steuert früh und linear auf sein finales Blutbad zu. Der Ophelia-Strang wird im Vorbegehen mitbedient. Den Stoff auf 90 Minuten gebracht zu haben, ist schon eine Leistung. Dafür hat sich Werner nicht nur des großen Streichens bedient, sondern den Text mit eigenen Formulierungen gespickt. Dieses Anreichern – Beispiel: „solange die Hamlet-Maschine läuft“ – geschieht aber dezent genug, um nicht bloße Anbiederung zu sein. Auch die Modernisierung der Requisiten, hier wird etwa mit Pistolen geschossen, passt als zulässige Ausstattungsidee.

Leider bekommt die Inszenierung in der Mitte einen Hänger. Das liegt am zu monotonen Sprechtheatervortrag, wo man das Puppenspiel vermisst. Warum dieser Hamlet eine Figurenversion sein soll, erschließt sich an diesen Stellen nicht. Inhaltlich bleibt unklar, ob Werner mit Klischees spielt oder sie bedient, wenn Hamlet und die Seinen beim Videospielen Figuren abschießen und einmal laut Heavy Metal aufdröhnt. Die Vorwürfe, Ego-Shooter und Metal-Musik lösen jugendliche Gewalt bis hin zum Amoklauf aus, hallen da nach.

Glücklicherweise beginnt sich der Abend ausgerechnet mit Ophelias Tod in Bildgewalt zu verwandeln. Das geschieht weniger durch das nun wieder vermehrt auftretende, handwerklich gute Gliederpuppenspiel. Vielmehr kommt die zuvor halbherzig eingesetzte Projektionstechnik nun vollends zur Geltung. Ophelias Dahinscheiden im Wasser wird als Filmszene eingeblendet. Plötzlich kommt Farbe auf, wachsen Disteln, wird die Bühne im Finale ins Blutrote getaucht. Diese starken Bilder beeindrucken. Und wenn am Ende des Vaters Geist als Darstellerkörper sich des toten Puppenhamlets annimmt, ihn hochhebt und aus dem Raum trägt, ist das Figurentheater wieder ganz bei sich angekommen. Der Rest ist Schwelgen.

 

Premiere: 13. Oktober 2017

Regie: Christoph Werner
Bühne: und Kostüme Angela Baumgart
Puppen: Hagen Tilp
Videografie: Conny Klar
Musikauswahl: Stefan Rosinski
Dramaturgie: Bernhild Bense
Regieassistenz: Clara Schnee
Darsteller: Ines Heinrich-Frank, Nils Dreschke, Louise Nowitzki, Ivana Sajevic, Lars Frank, Christian Sengewald

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