Burz/Treß/Feisel: „Maria & Myselfies“
Wenn die Performance zu Ende ist, fällt das Licht noch einmal auf eine Gemäldegalerie voller Marienbilder von El Greco über Velazques bis hin zur „Madonna im Rosenhaag“ von Stefan Lochner. Jedes der Bilder steht im Licht und erzählt etwas von der eigenwilligen Stimmung, die diese Performance ausstrahlt. Winnie Luzie Burz, ausgebildete Sängerin und Figurenspielerin, arbeitet sich an ihrer eigenen Vergangenheit ab, den Marienbildern, denen sie als Kind begegnet ist, die sie, wenn sie als Projektion auf der Leinwand – und manchmal auf dem Körper – erscheinen, staunend aufnimmt. Das Bild überprüft und auch darin verschwindet. Da schaut dann der Kopf der Spielerin mitten aus dem Bild heraus. Sie ist die Frau, die im Raum „klingt“, in dem, bevor er sich nach und nach in eine Galerie verwandelt, nur eine weiße Leinwand herunterhängt.
Was Burz hier versucht, ist eine Erforschung der eigenen Marienbilder, mit denen sie sich einerseits identifizieren kann, andererseits aber auch eine Distanz zu gewinnen versucht, in dem sie sich mehr und mehr zur Inszenatorin ihrer Geschichte entwickelt. Die Bilder werden herbei zitiert in ihrer Ikonenwertigkeit: Sie sind so bekannt, dass sie sich in das europäische Gedächtnis eingeschrieben, aber nicht sich in Kitsch verwandelt haben. Sie haben eine starke Wirkung, gegen die Burz anspielen muss. Da sie die Bilder in ihrer Schönheit akzeptiert – und damit auch dem Zuschauer die Chance lässt, diese Schönheit wahrzunehmen – wird sie plötzlich, wenn ihr Kopf in den Mariendarstellungen erscheint, selbst zum Bild, ein Selfie eben.
Burz performt nicht allein auf der Bühne. Sie wird begleitet von Johannes Treß, der auf einem kleinen Bühnenwagen eine kleine Orgel und einen Syntheziser aufgebaut hat und beide Instrumente intensiv bespielt. Dazu setzt Burz ihre wunderbare Stimme ein, aber nicht um die alten und neuen Marienlieder zu singen, sondern diese in Töne zu zerlegen und nein, nicht zu summen, sondern als glasklare Stimmung in melodischen Tonfolgen heraus zu bringen. Diese Verbindung von Stimme, Körperbild und Bild macht den großen Reiz dieses Abends aus.
Was Burz da in der Regie von Florian Feisel und der künstlerischen Beratung von Stefanie Oberhoff macht, ist grandios. Vom Bildmaterial wie der musikalischen Umsetzung her erzählt diese Performance von der Faszination dieser wunderbaren Bilder und dieser wunderbaren Musik. Wenn sich Burz in ihrer Abarbeitung von ihrer Faszination ablösen wollte, so scheint das individuell nicht gelungen. Diese Bilder sind einfach zu stark. Diese „Vocal Research“, wie das Team seine Arbeit nennt, hat selbst, wenn es nicht gelingt, über die individuelle Faszination hinaus generelle Aussagen zu generieren, einen starken Sog. Weil man die Ernsthaftigkeit der Suche spürt, weil die Bilder, die entstehen, einfach überwältigend sind, Stimme und Bild zu einer grandiosen Symbiose gelangen.
Premiere: 22.11.2018, FITZ! Stuttgart
Spiel & entwicklung: Winnie Luzie Burz
Musik: Johannes Treß
Musikalischer Support: Johannes Frisch
Kostüm: Sabine Weimer
Künstlerische Mitarbeit: Stefanie Oberhoff
Regie: Florian Feisel
Foto: Ronny Schönebaum