Die aktuelle Kritik

Marotte Figurentheater: "Er ist wieder da"

von Barbara Eichenlaub

Gelungene Bühnenadaption des erfolgreichen, satirischen Roman-Debüts von Timur Vermes.

 

Der doppelte Diktator

Das Marotte Figurentheater Karlsruhe hat sich in der Reihe seiner Erwachsenen-Stücke eines nicht ganz einfachen Stoffs angenommen. Regisseur Detlef Heinichen inszenierte „Er ist wieder da“ nach dem erfolgreichen, satirischen Roman-Debüt von Timur Vermes. Darin geht es um die Rückkehr Adolf Hitlers in unsere Gegenwart. Obwohl die Geschichte für die Bühnen-Adaption natürlich stark gekürzt wurde, geht sie erstaunlich tief.

Die beiden Darsteller Carsten Dittrich und Jan Mixsa leisten vor und hinter der Bühne echte Schwerstarbeit. Gerade Mixsa verchmilzt in seinem engagierten Spiel perfekt mit den von ihm geführten und belebten Puppen, die Adolf Hitler darstellen. Im Kopf des gebannten Zuschauers entstehen während der Premiere lebendige Bilder der Hauptfigur, seiner Punk-Sekretärin mit großem, sanftem Herz oder auch einer geldgeilen Fernseh-Produzentin.

Was am Ende in einer dem Stoff durchaus angemessenen Tragödie mit Systemkritik gipfelt, beginnt ganz leichtfüßig als Komödie: Die Darsteller haben offenbar großen Spaß daran, schuhplattelnd einen Alpen-Rap zu singen, um damit auf den Protagonisten vorzubereiten. Dabei agieren sie auf einer minimal ausgestatteten Bühne, denn es gibt lediglich einen plüschigen Schreibtisch mit Telefon und einen Stuhl vor einer hohen Trennwand.

Auf deren Kante taucht vor der Silhouette eines hässlichen Kiosks ein seltsamer Mensch auf. Diese hagere, grau-fahle Gestalt ist fast zu bedauern, denn desorientiert und verwirrt wankt sie durch die Straßen Berlins, kann kaum den Autos ausweichen. Ungläubig fragt der kleine Mann mit dem lächerlichen Schnauzbart in der schmutzig braunen Uniform eines Soldaten aus dem Dritten Reich mehrmals den Kioskbesitzer nach dem Datum. Auch wenn es der Mit-Fünfziger, der sich unverbesserlich als Adolf Hitler ausgibt, nicht glauben mag: Er ist im August des Jahres 2011 aufgetaucht.

Nachdem er bei dem cleveren Kioskbetreiber erst einmal Unterschlupf gefunden hat, nimmt die Vermarktung der originellen Gestalt, die niemand als echt, als Original anerkennt, mit rasanter Geschwindigkeit Fahrt auf. Zwar heißt es einmal „Sie sehen aus wie Adolf Hitler“ oder auf gut Schwäbisch „Man könnt grad mäne, Sie wärens!“, aber so richtig ernst wird der Abstinenzler und Vegetarier nicht genommen. Wegen seiner authentischen Persönlichkeit wird Hitler in eine platte Witze-Show gesteckt und kommt bei vielen zuerst besser an als der eigentliche Possenreißer.

Doch bald und endlich kommt Unbehagen über die Weltsicht des Eigenbrötlers auf. Nach immer noch eher skurrilen Szenen - Hitler bei Neonazis, beim Bewundern eines stoischen Hausmeisters mit einem Laubsauger oder in der türkischen Reinigung - kommt sein wahres Ich im Dialog mit seiner Sekretärin hervor. Ihr Appell an sein Gewissen, ihr Wunsch nach Entschuldigung für die Gräueltaten unter dem Naziregime, verklingen unerhört. Der Wiederkehrer bleibt alleine zurück, er wird, zu Recht, verschmäht und ausgerechnet von Rechts-Extremisten fast totgeschlagen.

Gleich mit zwei Puppen wird Hitler dargestellt (Figuren und Bühne: Matthias Hänsel): Zum einen ist da eine kleine Handpuppe, aber viel dominanter wirkt allein wegen des karikaturhaften Kopfs die lebensgroße Figur. Sie verschmilzt mit Puppenspieler und Schauspieler Jan Mixsa, der dazu noch treffend den ganzen Abend über den schnarrenden, harschen Tonfall des Diktators imitiert. Daneben setzten die beiden Puppenspieler weitere Handpuppen für die Rollen des Kioskbesitzers, des Fernseh-Agenten und der Produzentin ein. Mit einer blonden Barbiepuppe wird eine penetrante und übereifrige Revolverpressen-Journalistin symbolisiert.

Am Ende steht Erleichterung: Der Diktator findet keinen Platz mehr in der heutigen Welt. Sein Traum von einer erneuten Herrschaft zerplatzt wie sein Spiel-Luftballon. Er kann sich nur noch in die Galerie weiterer schrecklicher Despoten einreihen.

 

Premiere: 1. Oktober 2015

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