Cie. Freaks und Fremde: "Der Traumschlüssel"
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Kein Hund, kein Himmel, kein Bild
Huch? Was liegt denn da zusammengerollt auf dem schwarzen Boden? Ist ja gar kein frisch geschlüptes Vögelein, auch kein Baby, sondern ein Mann in weißer Unterwäsche. Er wacht auf. Große Augen. Sein Mund: ein O. Die Kinder kichern. Ganz lustig, wie der Mann zuckt, als würden alle Gegenstände und Geräusche ihn erschrecken. Aber auch traurig. Heißt lustig sein, immer auch ein bisschen traurig sein?
Ein altes, schwarzes Telefon kommt in Schlangenlinien angerollt. Ein paar Kinder lachen. Das Telefon klingelt. Der Mann streichelt es wie einen Hund. Aber es hört nicht auf. Es bellt und brummt und knurrt. Warum nimmt der Mann den Hörer nicht ab? Das machen doch Erwachsene. Aber der Mann ist anders. Er braucht Zeit. Als ob er nicht wüsste, dass das ein Telefon ist.
Aus dem Hörer bellt es noch viel lauter. Der Mann mag das nicht und legt auf. Da bleibt er lieber allein in seiner komischen Welt. Mit den knallgrünen Äpfeln, die vom Himmel fallen und manchmal auch bellen. Das ist kein Himmel. Das ist ein Bild vom Himmel, das in einem Fenster hängt. Einem echten Fenster. Wenn der Mann das Fenster öffnet, rauscht das Meer ganz laut. Der Mann macht Musik mit dem Fenster, öffnet und schließt es immer wieder. Dann sieht er glücklich aus. Einmal unterhält er sich sogar. Mit einem sitzenden Fisch.
Der Mann hat sich angezogen. So richtig mit Mantel und Melonenhut. Jetzt sieht er genauso aus wie die kleine, schwarze Figur, die er vor den gemalten Himmel in den Fensterrahmen stellt. Das sieht dann aus wie ein Bild. Ist aber keins.
Es gab mal einen anderen Mann, der sah auch so aus. Er hieß René Magritte. Er war Maler. Er malte Eier, Himmel, Äpfel, eine Pfeife, einen Mann, der aussah wie er selbst, einen Kamm und ein paar Koffer. Und ein Bild. Also: ein Bild von einem Bild. War ganz schön komisch, dieser Mann. Und der auf dem Bild. Und der dahinter.
„Stromschnellen, assoziative Winterhäfen und exzessive Ausbuchtungen sind uns wichtiger als der Hauptstrom eines Erzählflusses.“ Heiki Ikkola und Sabine Köhler, Cie. Freaks und Fremde, sind die Spieler und Leiter dieser wunderbaren Reise durch Magrittes Zwischenwelt bei der Premiere im Februar 2012 im Theater Junge Generation Dresden und kurz darauf in der SCHAUBUDE Berlin. Untermalt von einer Sound-Collage des britischen Musikers und Komponisten Daniel Williams, bewegt Ikkola sich durch jedes Bild als tänzelnder Charlie Chaplin, als trauriger Clown. Über 50 Minuten hält er die Balance zwischen Melancholie und Heiterkeit, stellt Bilderrätsel auf, die keine Lösung fordern, die dem Zuschauer erlauben, zu träumen. Das ist kein Mangel. Das ist Kunst. Die fehlenden narrativen Übergänge zwischen Abbildung und Realität irritieren manchen Erwachsenen. Nicht jedoch die 4-jährigen Kinder, an die sich die Inszenierung richtet. Wenn der Mann mit dem Hut Dinge tut, die er nur tun kann, weil er so tut, als seien die Dinge echt. Der Hut ist kein Hut. Ist ein Bild vom Hut. Ist ein Hut, ist ein Bild. Der Mann spielt. Ganz phantastisch. Das versteht jedes Kind.
Der Traumschlüssel. Eine Theaterreise mit Bildern von René Magritte
Koproduktion Cie. Freaks und Fremde (Berlin, Dresden) / Theater der Jungen Generation Dresden.
Für Kinder ab 4 Jahren
Konzept, Spiel: Sabine Köhler, Heiki Ikkola
Mitarbeit Regie: Jörg Lehmann
Mitarbeit Dramaturgie: Ulrike Lessmann
Szenografie: Sabine Köhler, Mitarbeit Szenografie: Yvonne Brückner, Verena Butze
Musik: Daniel Williams
Homepage Cie. Freaks und Fremde
Portal-Seite Cie. Freaks und Fremde
In Zusammenarbeit mit double - Magazin für Figuren-, Puppen- und Objekttheater