Die aktuelle Kritik

Fitz Stuttgart: "Mata Hari" und "Die Gräfin"

von Arnim Bauer

Phantasievolle Kurz-Performances über die erste freie Künstlerin und eine merkwürdige Adlige.

 

Mata Hari, Foto: Mittelhammer

 

Gemischtes Doppel mit starken Frauen

 

Mata Hari hatte eine Idee: Sie war die erste, die sich auf der Bühne komplett auszog. Das war ihre Existenzgrundlage, darauf baue sie ihr Dasein auf. Sie war freie Künstlerin. So stellt es zumindest Sabine Mittelhammer von der Gruppe Handmaids in ihrer Performance über die legendäre Tänzerin dar. Sehr variantenreich lässt sie die schillernde Figur aus ihrem Leben erzählen, spielt sie personalisiert, spielt sie als Schattenspiel hinter einem Paravent, oder sie zeigt die Figur als Foto, an dem statt des Kopfes der der Schauspielerin erscheint.

 

Auf der Bühne ist einiges los, wenn Mittelhammer Mata Hari zeigt. Wie sie sich freut über das freie Leben einer freien Künstlerin, ein Bier trinkt wann und wo sie will. Irgendwann erzählen Büstenhalter von einem wandlungsreichen Leben und plötzlich ist da nicht mehr Mata Hari auf der Bühne, sondern Sabine Mittelhammer, die aus dem Ablehnungsbescheid für ihren Förderantrag vorliest. Kühn schlägt sie so den Bogen zur Existenz einer heutigen freien Künstlerin, beklagt ihr eigenes Schicksal.

 

Ach, und dann war da doch noch die Sache mit der Spionin! Mata Hari wurde schließlich 1917 hingerichtet, weil sie als Spionin sowohl für Deutschland als auch für Frankreich gearbeitet haben soll. Alles nicht so wild, erzählt die Performance, alles nur aus Geldnot und Liebe geschehen, alles weniger dramatisch. Außer, dass die schöne Frau von allen Männern, die sie vorher verehrt und auch ausgenutzt hatten, verlassen wurde. Und schließlich alleine dastand, freie Künstlerin, alleine auf der Welt.

 

 

Im Verbund mit Sabine Mitterhammers Mata Hari zeigte das Fitz am selben Abend, allerdings als deutlich getrennte, neue Vorstellung Stefanie Oberhoffs „Die Gräfin“. Das ist eine Art Personalityshow für eine Handpuppe. Sie sitzt auf einem Gestell auf einem Sofa, dahinter dunkel gekleidet mit geschwärztem Gesicht die Spielerin. „Sie will lieber im Hintergrund bleiben“ verkündet die runzlige Dame auf dem Sofa. Unterhalb des erhöhten Gestells sitzt Lillith Becker, die für die Musik sorgt.

„Das ist keine Theaterabend“ verkündet die Gräfin um später nachzulegen: „Damit keine Missverständnisse aufkommen, dies ist keine Kabarettvorstellung“. Ja, was dann? Nun, es könnte zum Beispiel eine Demonstration sein, mit wie wenig Utensilien Figurentheater auskommen kann: Die Puppe, ein paar Requisiten samt Zigarette, die die Gräfin in der Hand hält, dazu ein wenig Musik, ein bisschen Gesang, fertig ist eine Performance, die man trotz der Ankündigung, sie daure nur 20 Minuten auf eine Stunde verlängern kann, ganz nach Tagesform.

Nicht jeder Gesang erscheint unbedingt nötig, nicht jedes Statement der Gräfin, die sich zum Hochadel zählt und deshalb wohl auch recht dünkelhaft daherredet, ist von Bedeutung. Sie erzählt von Charity, dem Stiftungswesen und manchem mehr, letztlich aber auch immer von sich selbst. Und erbringt damit den Beweis, dass eine Puppe so etwas wie ein Eigenleben, einen eigenen Charakter entwickeln kann. Vielleicht ist das die wahre Funktion des Abends: Das Spiel mit solch einer Puppe auszustellen, das mehr Aussagekraft haben kann als manch ein Schauspieler.

 

 

Premiere: 12. März 2015

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