Die aktuelle Kritik

Bühne Cipolla: „Der Untergang des Hauses Usher“

Von Honke Rambow

Der Grusel-Klassiker von Edgar Allan Poe am Theater Duisburg.

„Der Untergang des Hauses Usher“ – Edgar Allen Poes große Grusel-Elegie ist ein Klassiker des Genres. Dabei ist es keine besonders spannungsgeladene Handlung, sondern das brilliante Spiel mit Atmosphäre, die aus einem Gewebe von Motiven entsteht, die den Text auszeichnet. Der See, der Riss in der Fassade des Hauses, die Gruft, die inzestuöse Familiengeschichte. Diese dichte Atmosphäre ist es auch, die immer wieder Künstler reizte, eine szenische Umsetzung – trotz der wenigen Handlung – in Angriff zu nehmen. Prominentestes Beispiel ist wohl Claude Debussy, der sich an einer Oper versuchte. Er scheiterte, „La chute de la maison Usher“ blieb Fragment.

Die kleine Spielstätte „Foyer III“ im Theater Duisburg bietet den nahezu perfekten Rahmen für die düstere Zerfallsgeschichte Poes: Bröckelnde Betonsäulen und rohes Backsteinmauerwerk. Hier zeigt die Bühne Cipolla aus Bremen nun ihre Version des Hauses Usher. Schauspieler und Regisseur Sebastian Kautz und Musiker Gero John sind spezialisiert auf die Umsetzung literarischer Stoffe als Figurentheater für Erwachsene. Kautz spielt den herbeigereisten Jugendfreund. Roderick Usher, dessen Schwester Magdalena sind Handpuppen, die Kautz meist selbst führt und spricht, während John das Geschehen am Bühnenrand mit Cello, Keyboard und Livesampling akustisch umrahmt. Melanie Kuhl hat sowohl die Puppen gebaut, als auch die Kostüme und beeindruckenden Masken besorgt, mit denen Kautz und John immer wieder den Dämonen, die den Verfall des Hauses vorantreiben, Gestalt geben. Neben dem Figuren- und Maskenspiel, neben dem atmosphärischen Klangteppich Johns, nutzt die Inszenierung auch Schattentheater um das abendliche Zubettgehen zu einer Alptraum-Sequenz werden zu lassen. Insbesondere wenn Kautz gleichzeitig als Jugendfreund und Usher gewissermaßen mit sich selbst im Zwiegespräch ist, hat die Inszenierung ihre stärksten Momente.

Doch wie schon Debussy unter anderem daran scheiterte, dass er mit einem Arzt eine zusätzliche Figur einführte, ist es auch bei der Version der Bühne Cipolla eher ein Zuviel, das den Abend nicht ganz rund werden lässt. Dass zu Beginn Kautz aus dem noch hellen Zuschauerraum den Jugendfreund spielt, ist als Idee noch in Ordnung. Die personalisierten Dämonen, der Geier, der als Unglücksbringer immer wieder auftritt, und ganz besonders das Räumkommando, das am Schluss die Ruine des Hauses dekontaminiert, sind etwas zuviel der Einfälle. Sie gehen an der Struktur und den Qualitäten der literarischen Vorlage vorbei und nehmen dem Abend die konzentrierte Atmosphäre, die er in seinen besseren Augenblicken durchaus bekommt. Und nicht zuletzt ist das Licht in der zweiten Hälfte oft nicht differenziert genug, um das nebulöse der Handlung zu transportieren. Das ist insbesondere deshalb schade, weil das Schau- und Puppenspiel von Sebastian Kautz und das Sounddesign von Gero John absolut das Potenzial haben, Poes Text szenisch überzeugend umzusetzen.

 

Premiere: 16.11.2018, Theater Duisburg

 

Regie, Spielfassung, Bühnenkozept, Bühnenbau, Schauspiel, Figurenspiel: Sebastian Kautz

Komposition, Sounddesign, Maskenspiel: Gero John

Puppen- und Maskenbau, Kostüm: Melanie Kuhl

Lichtdesign: Frank Barufke, Gero John, Sebastian Kautz

 

www.buehnecipolla.de

 

Foto: Benjamin Eichler

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