Die aktuelle Kritik

Theater Oberhausen: "Brecht"

Von Anke Mager

Um Suse Wächters Brecht-Puppe räkeln sich lasziv die Musen im übergroßen Bett.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto: Brigitte Kraemer

 

Liegen geblieben

Auf einem übergroßen, mit lasziv schwarzen Satin bezogenen Bett räkeln sich als Musen ein Schauspieler, (Torsten Bauer), zwei Schauspielerinnen (Susanne Burkhard, Angela Falkenhan) und die Puppenspielerinnen Suse Wächter und Tine Hagemann. Sie alle tragen die gleichen schwarzen Glitzeranzüge, die ihre Körper betonen, und geben sich ebenso anschmiegsam wie diskutierfreudig. Mitten unter ihnen sitzt Bertolt Brecht, in Gestalt einer kleinen, dabei äußerst naturalistisch anmutenden Puppe, und raucht (kalte) Zigarre. Er hätte ja gerne ein Theaterstück von sich gezeigt, habe jedoch von seinen Erben die Rechte nicht bekommen, konstatiert Brecht gleich zu Beginn des Abends. Daher werde man – er und die hier anwesenden Ensemblemitglieder des Theaters Oberhausen – ein wenig herumprobieren. Ein Versprechen, das sich im Laufe des Abends erfüllen wird ...

Nicht nur in der äußeren Gestalt, sondern auch in Suse Wächters Animation erscheint die Puppe als faszinierendes Double des Dichters – ohne Zögern akzeptiere ich Wächters Stimme als die seine und verspüre keinerlei Irritation, wenn sich der etwa einen Meter große „Brecht“ und das Ensemble auf Augenhöhe begegnen und über Konzepte und Ideen plaudern. Im Verlauf des Abends allerdings, der in zahlreichen revueartig montierten Szenen – wie etwa einer Lesestunde aus Brechts Werken, einem Skypegespräch mit Helge Schneider oder Prüfungsfragen zum Verfremdungseffekt – verschiedene Aspekte von Brechts Ansichten und Theorien beleuchtet, fällt doch auf, dass sich das Repertoire der Puppe in zwar eindrücklichen, aber immer gleichen Gesten und Sprechbewegungen erschöpft. Auch das ein Zeichen für seine Eigenschaft als eher langweilender Fremdling im heutigen Theaterrepertoire?

Dass Brecht nicht aus der jetzigen Zeit stammt, kommt explizit zum Ausdruck, wenn das Ensemble den staunenden Dichter mit neuen technischen Errungenschaften wie Skype und Videospielen beeindruckt, ohne deren Funktionsweise oder gar ihre Bedeutung für die Aufführung zu erläutern. Auf skurrile Weise wird so ganz nebenbei Brechts Forderung nach einer Offenlegung der Technik auf dem Theater umgedeutet. Auch Brechts Konzept vom Schauspieler, der ausstellt, dass er nicht mit der Rolle identisch ist, sondern diese nur zeigt, wird aufs absurdeste verdreht, wenn  Ensemblemitglieder in mäßig glaubhaften Gefühlsausbrüchen über die Dominanz der Zeichen im heutigen Theater und die Unterdrückung emotionaler Äußerungen klagen. Ein wahrlich unlösbares Dilemma, steht doch mein Bedürfnis als Zuschauerin, welches der Schauspieler mit diesem Ausbruch zu befriedigen gedenkt, seinem Ansinnen gerade jetzt diametral entgegen. Da helfen auch der (natürlich) zwangsbejackte Nietzsche nicht und nicht mal Lao-Tse, beide aus Wächters Puppen- Ensemble gecastet.

In der letzten Szene des Stückes öffnet sich langsam die Bühnenrückwand und weckt die Erwartung einer Brecht-Gardine. Dahinter offenbart sich jedoch nichts als ein leerer Raum, in dem die Schauspieler in ihrem scheinbar ferngesteuerten Bett bei lautstarker Musik umherfahren. Letztlich wirkt es auf beruhigende Weise dem Abend angemessen, wenn dieser derart offen schließt, führt er doch so den improvisierten und individuellen Zugang zu Brechts Ideen zu einem konsequent beliebigen Ende – das vielleicht als Appell an die pure Theater-Lust verstanden werden kann, aber nicht muss.

 

"Brecht"

Theater Oberhausen
Premiere: 11.10.2013

Regie und Puppenspiel: Suse Wächter
Mit Susanne Burkhard, Angela Falkenhan, Tine Hagemann, Torsten Bauer

Bühne: Constanze Kümmel
Kostüme: Marysol Del Castillo
Video: Timothee Ingen-Houß
Musikalische Leitung: Otto Beatus
Dramaturgie: Simone Kranz


www.theater-oberhausen.de

 

In Zusammenarbeit mit double - Magazin für Figuren-, Puppen- und Objekttheater
 

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